Leitbild

Das Leitbild – ein Entwurf

Vom Arzneimittel zum Patienten

Von Peter Ditzel und Benjamin Wessinger | Aus den ersten, unveröffentlichten Gedanken einer Arbeitsgruppe zum Leitbild, aus Online-Kommentaren und -Anmerkungen während des ersten Online-Leitbildprozesses im Februar und aus den Arbeitsergebnissen des ABDA-Konvents im März, bei dem rund 100 Teilnehmer aus den 34 ABDA-Mitgliedsorganisationen, die Mitglieder der AG Leitbild sowie der Präsident, der Vizepräsident und die Geschäftsführung der ABDA versammelt waren, ist der Entwurf eines Leitbilds für die Apothekerinnen und Apotheker in öffentlichen Apotheken entstanden. Dieser Entwurf steht bis zum 14. Mai zur Diskussion im Internet. Der nachfolgende Beitrag versucht eine erste Analyse dieses Leitbild-Entwurfs.

Der Leitbild-Entwurf, der auf der Internetseite leitbildprozess.de Absatz für Absatz kommentiert werden kann, soll ein (Ideal-)Bild von der apothekerlichen Tätigkeit im Jahr 2030 wiedergeben. Es soll also beschreiben, wie sich die Apothekerinnen und Apotheker selbst ihre Tätigkeiten in der öffentlichen Apotheke in gut 15 Jahren vorstellen. Gleichzeitig soll das endgültige Leitbild, das die ABDA-Mitgliederversammlung beschließen und der Deutsche Apothekertag bestätigen soll, die Richtschnur für die Standespolitik der näheren Zukunft bilden: alles Tun und Lassen der Standesvertretung soll sich daran orientieren, ob es dem Erreichen der Visionen des Leitbilds dienlich ist oder nicht.

Doch was steht im Entwurf – und was bedeutet das für die Apotheker? Der Entwurf beginnt mit einer „Präambel“, darauf folgen die Kapitel „Hintergrund“, „Näher am Patienten“ und „Leistungen und Angebote“, bevor er im Kapitel „Heilberuflicher Auftrag“ mit einem Zitat des irischen Dramatikers George Bernard Shaw endet.

„Präambel“

Ob ein Leitbild eine feierlich wirkende „Präambel“ braucht oder ob es pragmatischer ein Vorwort getan hätte, sei dahingestellt und ist vielleicht auch Geschmackssache. Die Präambel des Leitbild-Entwurfs beginnt jedenfalls mit einem grammatikalisch zumindest holprigen Satz, der eine Fußnote benötigt: „Die öffentlichen Apotheken in Deutschland sind die Experten für Arzneimittel.“ Die Fußnote erklärt, dass sich der Terminus „öffentliche Apotheke“ auf die „öffentliche, inhabergeführte Apotheke als Institution mit ihren Aufgaben und Strukturen, auf die Apothekerinnen und Apotheker sowie auf deren pharmazeutische, nicht approbierte Mitarbeiter“ bezieht.

Diese Fußnote sagt also, dass das Leitbild nicht für alle Apotheker gilt, sondern nur für die in der öffentlichen Apotheke tätigen. Das wurde auch bisher von der Arbeitsgruppe und dem ABDA-Präsidenten wie Vizepräsidenten immer wieder betont. Neu ist allerdings, dass das Leitbild auch die in der Apotheke tätigen PTA umfasst. Außerdem werden Apothekerinnen, Apotheker, Pharmazieingenieure und eben die PTA gleichrangig als „die Experten für Arzneimittel“ bezeichnet.

Gleichzeitig wird mit diesem ersten Satz eine Richtung vorgegeben: Das Leitbild stellt die Apotheke als Institution in den Mittelpunkt. Es geht eher um ein „Leitbild für die Institution öffentliche Apotheke“ als für die Apothekerinnen und Apotheker. Die Institution Apotheke will sich, so heißt es weiter, den Herausforderungen des gesellschaftlichen und technischen Wandels stellen und zu einem zukunftsfähigen Gesundheitssystem beitragen. Nicht erwähnt wird hier der (natur-)wissenschaftliche Wandel, dem sich die Apotheke mit Sicherheit ebenfalls stellen muss.

Der Schlusssatz der Präambel erklärt, was das Leitbild-Dokument letztlich will: nämlich aufzeigen, „wie die öffentlichen Apotheken in diesem Sinne ihre Rolle und ihre Leistungen aktiv ausgestalten und weiterentwickeln wollen“. Daran muss man demnach das Leitbild messen: Werden die (zukünftige) Rolle der öffentlichen Apotheken und ihre Leistungen deutlich?

„Hintergrund“

Nach der Präambel kommt der „Hintergrund“, vor dem sich die Leitbild-Diskussion abspielt: Hier werden hauptsächlich Allgemeinplätze genannt, z.B: tiefgreifender Wandel der Gesellschaft, enorme Herausforderungen, demografische Veränderungen, sich verändernde Lebensstile, zunehmende Urbanisierung. Es folgen Hinweise auf die dynamische Fortentwicklung von Wissenschaft und Technik, die Digitalisierung und Vernetzung aller Lebensbereiche. Deshalb, so der Abschnitt „Hintergrund“, müssen sich die Strukturen des Gesundheitssystems dem massiven Wandel anpassen mit dem Ziel, die Versorgungssicherheit des Patienten dauerhaft auf hohem Niveau aufrechtzuerhalten.

Ein Aspekt findet dagegen keine Erwähnung: Was will eigentlich die Gesellschaft (Patienten, Politik, Ärzte und andere Leistungserbringer, Krankenkassen) von der Apotheke? Haben die Apothekerinnen und Apotheker analysiert, was von ihnen erwartet wird? Oder macht das Leitbild nur Angebote, von denen die Apothekerinnen und Apotheker glauben, dass sie nachgefragt werden?

Auch der „Hintergrund“ erklärt in seinem letzten Satz ergänzend, was dieses Dokument will: Es „beschreibt aus heutiger Sicht das künftige Bild einer öffentlichen Apotheke und deren Rahmenbedingungen, die sich diesem Anpassungsbedarf gestellt und ihre Angebote und Leistungen entsprechend ausgestaltet hat. Bewährte und zukünftige Elemente sind darin abgebildet“.

„Näher am Patienten“

Dieses Kapitel beschreibt die Grundausrichtung der Apotheke: „Das Patientenwohl steht im Mittelpunkt des Handelns der öffentlichen Apotheke.“ Das bedeutet einen Paradigmenwechsel, denn bisher steht in der Apotheke das Arzneimittel im Mittelpunkt. Konsequenterweise ist im gesamten Dokument immer vom „Patienten“ die Rede, nie vom „Kunden“. Als ein „Kernelement“ der apothekerlichen Tätigkeit wird der „Auf- und Ausbau einer partnerschaftlichen Beziehung zum Patienten“ bezeichnet. Der Patient soll als wirklich mündiger Partner wahrgenommen werden, der an Entscheidungen beteiligt wird im Sinne einer Mitwirkung und Mitbestimmung, die Beratung soll „in Form und Inhalt“ dem Bedürfnis des zu Beratenden folgen. Der fachliche Inhalt des Beratungsgesprächs soll sich demnach nicht an objektiven Kriterien (etwa der BAK-Leitlinie oder Evidenzkriterien) orientieren, sondern an den Bedürfnissen des Patienten.

Der nächste Absatz betont, dass die unabhängige Versorgung mit Arzneimitteln, auf die sich der Patient zu jeder Zeit verlassen kann, die Voraussetzung für das Vertrauen der Menschen in die Apotheke ist. Die bisherige Hauptaufgabe der Apotheke, die Arzneimittelversorgung, wird nun also von der neuen Hauptaufgabe – dem Auf- und Ausbau einer Vertrauensbeziehung – abgeleitet. Außerdem tritt die „Sicherstellung“ der Versorgung, die in der heutigen Definition der Aufgaben der Apotheker eine große Rolle spielt, in den Hintergrund und ein anderer Aspekt wird betont: die Unabhängigkeit. „Im Interesse des Patientenwohls berät die öffentliche Apotheke ihre Patienten umfassend, frei von Zwang und unabhängig von Fremdinteressen.“

Die Versorgung der Patienten soll „individuell und grundsätzlich evidenzbasiert“ sein. Dass der Begriff „grundsätzlich“ eher in dem Sinne von „wenn nichts anderes gilt“ gemeint ist, zeigt der nächste Satz: denn gleichzeitig sollen die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten anerkannt und berücksichtigt werden. Damit erkennt der Entwurf an, dass sich viele Arzneimittel, darunter nicht wenige häufig eingesetzte, den heutigen Evidenz-Maßstäben entziehen.

Der Abschnitt „Näher am Patienten“ widmet sich in seinem zweiten Teil dem heilberuflichen Netzwerk, in dem die Apotheken zusammen mit anderen Gesundheitsberufen und Akteuren des Gesundheitswesens kollegial und effizient zusammenarbeiten. Ein solches „heilberufliches Netzwerk ist arbeitsteilig organisiert, gesetzlich definiert und regional organisiert“. Arbeitsteilig und regional – dem kann man sofort zustimmen, aber „gesetzlich definiert“? Das ist der Ruf nach dem Gesetzgeber. Solche Netzwerke können aber auch aus der Selbstverwaltung heraus organisiert werden – oder auf lokaler Ebene entstehen.

Aufmerken lässt der Satz „Eine konsequente Qualitätssicherung vermeidet Fehlallokationen“. Dahinter könnte sich ein weiterer Ausbau der QM-Systeme verbergen. Müsste das QMS aber, um suboptimale Ressourcenverteilungen im Netzwerk zu vermeiden, dann nicht sektorenübergreifend eingerichtet werden?

Es folgt eine relativ abstrakte Beschreibung, welche Rolle die Apotheke im Netzwerk übernehmen soll. Unter der Vorgabe, dass es eindeutig definierte Grenzen und Schnittstellen in diesem Netzwerk gibt, übernimmt die Apotheke die „pharmakotherapeutische Verantwortung für die Optimierung und Sicherheit der Arzneimitteltherapie“. Und weiter: „Dazu hat sie die erforderlichen Entscheidungskompetenzen – auch für die Anwendung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.“ Dieser Passus klingt selbstbewusst, wird aber den Ärzten von heute kaum gefallen. Und vielleicht auch nicht allen Apothekern, geht doch die Verantwortung im Allgemeinen auch mit der Haftung für Fehler einher.

Und weiter: „Sie (die öffentliche Apotheke) koordiniert und begleitet die Arzneimitteltherapie und stellt so die wirtschaftlich wirksame und patientenorientierte Arzneimittelversorgung sicher.“

Diesen Passus, der ausdrücklich die Patientenorientierung nennt, kann man als zentrale Botschaft des Leitbilds ansehen. Im Prinzip enthält er die moderne Ausrichtung des Apothekerberufs, die zugleich viele Fragen aufwirft und Präzisierungen verlangt. Nur einige Stichworte dazu: der Apotheker als Begleiter der Arzneimitteltherapie – wie weit reichen hier seine Kompetenzen? Seine Aufgaben als Medikationsmanager? Was bedeutet die Sicherstellung der wirtschaftlich wirksamen Arzneimittelversorgung? (Oder handelt es sich hier um einen Schreibfehler und es ist die wirtschaftliche und wirksame Versorgung gemeint?) Welche Verantwortung soll, will der Apotheker übernehmen und mit welchen Folgen? Wie weit geht die Patientenorientierung? Gleichzeitig wird die Apotheke im heilberuflichen Netzwerk als „niedrigschwellige Orientierung im Gesundheitswesen“ dargestellt: die Apotheke als soziale Drehscheibe, als Anlauf- und Auskunftsstelle?

Schlussendlich erwähnt dieser Abschnitt des Leitbild-Entwurfs die Zusammenarbeit der öffentlichen Apotheken mit den Krankenkassen, eine Zusammenarbeit, die „konstruktiv ist und das Wohl des Patienten stets im Blick hat“. Angesichts der heutigen Spannungen in den Beziehungen zu den Krankenkassen fällt es schwer, sich hier eine aktive Rolle der Apotheken vorzustellen.

Was im Kapitel „Näher am Patienten“ völlig fehlt, ist die Rolle der Apotheken im Bereich der Selbstmedikation. Gerade hier bedarf der Patient der Hilfe der Apotheke und benötigt das Vertrauen zu ihr. Der Selbstmedikationsbereich gehört zur ureigensten Domäne der Apotheke, in der sie dem Patienten Orientierung geben kann.

„Leistungen und Angebote“

Dieser Abschnitt des Leitbilds versucht, die modernen Aufgaben, Leistungen und Angebote der Apotheke darzustellen. Um an diesen Punkt heranzuführen, stellt der Entwurf die öffentliche Apotheke erneut als zentrale und niedrigschwellige Anlaufstelle bei Arzneimittel- und Gesundheitsfragen heraus. Auch ein Bekenntnis zum Nacht- und Notdienst fehlt nicht. Dann folgt eine Aufzählung der Leistungen und Angebote mit kurzer Beschreibung:

  • Beratung und Optimierung der Arzneimitteltherapie: Dazu gehört, dass „der Patient seine Arzneimittel richtig versteht, dosiert, kombiniert, akzeptiert und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort richtig anwendet“. Außerdem „stärkt die öffentliche Apotheke auch das Bewusstsein für das Arzneimittel als Produkt besonderer Art und bietet Schutz vor arzneimittelbezogenen Problemen“.
  • Medikationsmanagement: Es wird als ein wesentliches Instrument für die sichere, wirksame und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie genannt, das die Apotheke durchführt. Das Leitbild präzisiert hier, was darunter zu verstehen ist: „Dabei wird die gesamte Medikation des Patienten, einschließlich der Selbstmedikation, wiederholt analysiert. Ziel ist es, arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen, zu lösen und zu vermeiden und so die Effektivität der Arzneimitteltherapie zu erhöhen.“ Noch richtig Zukunftsmusik dürfte an dieser Stelle der weitere Satz sein: „Im Sinne eines patientenindividuellen Medikationsmanagements sind die öffentlichen Apotheken auch konsiliarisch in Verordnungsprozesse und Therapieverläufe mit einbezogen. Art und Umfang der Einbindung der öffentlichen Apotheke sind abhängig vom jeweiligen Patientenfall.“
  • Pharmakovigilanz: „Die öffentliche Apotheke beteiligt sich intensiv an der laufenden systematischen Überwachung der Sicherheit von Fertigarzneimitteln.“
  • Herstellung von Arzneimitteln: Das Leitbild bekennt sich zu dieser wichtigen Aufgabe. Die „Individualisierung der Arzneimitteltherapie“ werde die Bedeutung noch verstärken.
  • Prävention: Ein mit Sicherheit immer wichtiger werdender Baustein im Leistungsangebot der Apotheke. Die Apotheke bietet hier „aktiv Leistungen und Programme an ...“ Und, hier spielt der Leitbild-Entwurf auf eine Honorierung dieser Leistungen an: „Die in diesem Rahmen erbrachten Dienstleistungen sollen auch im gesetzlichen Leistungskatalog ihren Niederschlag finden.“ Hier fällt der Text etwas aus der Rolle, andere Wünsche werden so formuliert als seien sie bereits umgesetzt (was sie bis 2030 ja auch sein sollen). Man hätte also auch schreiben können: „… sind im gesetzlichen Leistungskatalog geregelt.“
  • Waren und Dienstleistungen außerhalb der Arzneimittelversorgung: Der Leitbild-Entwurf verkennt nicht, dass die Bevölkerung auch einen Bedarf an Produkten und Dienstleistungen außerhalb der Versorgung mit apotheken- oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hat. Im Rahmen der in der Apotheke vorhandenen Kompetenz kann die Apotheke solche Produkte und Dienstleistungen anbieten. Der Entwurf gesteht der Apotheke hier unternehmerische Entscheidungsfreiheit zu, welche Produkte und Dienstleistungen es sein können. Allerdings – und hier kommt die Einschränkung – „dürfen die heilberufliche Stellung des Apothekers und die Vertrauensbeziehung zum Patienten dadurch nicht gefährdet werden“. Da gibt es viel Ermessensspielraum und viele ungeklärte Fragen, etwa: Wie groß darf die Freiwahl sein, welche Produkte und Dienstleistungen gefährden die Vertrauensbeziehung zum Patienten? Mindestens einen mittelbaren Gesundheitsbezug werden die Angebote wohl auch in Zukunft haben (müssen).
  • Weiterentwicklung des Leistungsangebots: Mit diesem letzten Punkt in diesem Abschnitt lässt das Leitbild Raum für zukünftige Angebote und Leistungen der Apotheke, beispielsweise aufgrund der demografischen, gesellschaftlichen und technischen Entwicklung und den sich ändernden Bedürfnissen der Patienten. Hier ließen sich dann wohl auch neue telekommunikative Entwicklungen (z.B. Video-Chat), Beratungsterminals, Bestellterminals bis hin zu mobilen Versorgungseinheiten, die heute noch wenig denkbar sind, unterbringen.

„Heilberuflicher Auftrag“

Der letzte Teil des Leitbild-Entwurfs enthält viel Allgemeines, Prinzipielles, Politisches und auch Selbstverständliches.

Explizit werden Apothekerinnen und Apotheker als „freie Heilberufe“ bezeichnet, die „gemeinwohlorientiert aus der öffentlichen Apotheke heraus handeln“. In diesem Absatz wird auch noch einmal die Unabhängigkeit betont: „Die Apotheke ist unabhängig von den Interessen Dritter und wird vom selbstständigen Apotheker als freiem Heilberufler geleitet.“ Das bedeutet nicht nur unabhängig von Kapitalinteressen (Fremd- und Mehrbesitz), sondern auch unabhängig von den Interessen anderer Marktteilnehmer wie Großhandel, Hersteller oder Krankenkassen.

Wenn es hier weiter heißt, dass „die öffentliche Apotheke sich ihrer Stellung in der Gesellschaft sehr bewusst ist und ihre Aufgabe, zur Förderung und zum Erhalt der Gesundheit der Bevölkerung entscheidend beizutragen, verantwortungsvoll und entschlossen wahrnimmt“, gehört das wohl zum oben erwähnten Selbstverständlichen. Die Formulierung, dass „die Apotheke die Chancen nutzt, sich auf den unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Ebenen an aktuellen, ihre Tätigkeitsfelder betreffenden Debatten zu beteiligen und wichtige Entwicklungen aktiv mitzugestalten und voranzutreiben“ ist wohl eher als Auftrag an die Standesvertretung zu verstehen. Es folgt das klare Bekenntnis zur Selbstverwaltung und Gemeinwohlorientierung.

Der Abschnitt „Qualifizierung“ betont, dass „sich die Kernkompetenz der öffentlichen Apotheke auf die hohe Qualifikation ihres Personals stützt“. Ja, worauf sonst, möchte man hier kommentierend anmerken.

„Die Approbation des Apothekers beruht auf einem Hochschulstudium, das Naturwissenschaft und Heilberuf verbindet“ – explizit wird hier der Heilberuf genannt.

Interessant auch, dass Apotheker und das gesamte pharmazeutische Personal ihr Fachwissen „stets auf aktuellem Stand“ halten, und zwar „nachweislich“, wie es im Leitbild-Entwurf heißt. Ist das die Einführung der Fortbildungspflicht, wie sie im ärztlichen Bereich lange etabliert ist?

Als letzten Punkt befasst sich der Leitbild-Entwurf auch mit der unternehmerischen Verantwortung. Der Apothekenleiter genießt zwar unternehmerische Freiheit, diese hat jedoch Grenzen: sie ist „stets ihrem heilberuflichen Auftrag und dem Gemeinwohl verpflichtet“.

Und jetzt kommt die Honorierung ins Spiel: „Um diesen Auftrag zu erfüllen, bedarf es angemessener Rahmenbedingungen. Dazu zählt eine leistungsgerechte, dynamisierte und faire Honorierung über eine staatliche und einheitliche Vergütungsverordnung.“

„Wir werden nicht durch die Erinnerung an unsere Vergangenheit weise, sondern durch die Verantwortung für unsere Zukunft“ – dieses Zitat von George Bernhard Shaw haben die Autoren des Entwurfs ans Ende ihres Textes gestellt. Kann man machen, muss man aber nicht.

Versuch eines Fazits

Es ist ein Entwurf, der viele positive Ansätze enthält, wie ein Leitbild aussehen könnte. Allgemeinplätze sind gepaart mit einem Wunschkonzert und Idealvorstellungen von einem modernen Apothekerberuf der Zukunft. (Ob diese Vermischung sinnvoll ist? Denkbar wäre auch gewesen, den Status quo darzustellen, dann das, was sich ändern muss und was am Ende der Veränderung steht.) Und die Autoren sollten darauf achten, sich nicht in allzu abstrakten und hehren, fast schwülstigen Formulierungen zu verheddern.

Inhaltlich wird an einigen grundsätzlichen Voraussetzungen – richtigerweise – festgehalten: dem Fremdbesitzverbot („Unabhängigkeit“) etwa oder dass der Apotheker Freier Beruf (mit gesetzlich geregelter Honorierung) und gleichzeitig Kaufmann ist.

Anderes soll sich mit diesem Leitbild grundlegend ändern: Das Selbstverständnis des Apothekers gründet nicht mehr auf dem Arzneimittel (auch wenn es die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz bleiben wird), sondern auf dem Patientenwohl, dem sich der Beruf umfassend verschreibt. Die Zusammenarbeit mit anderen Leistungserbringern, vor allem wohl den Ärzten, wird einen viel größeren Raum einnehmen. Und das Management der Arzneimitteltherapie wird wichtiger, die Logistik verliert dagegen an Bedeutung.

Es fehlen aber auch Aspekte. Zu kurz kommt die Rolle des Apothekers in der Selbstmedikation – sie sollte selbstbewusster herausgestellt werden. Wo bleibt die Rolle des Apothekers als Kaufmann? Wie löst das Leitbild den Konflikt zwischen Heilberuf und Kaufmann? Nur der letzte Abschnitt des Leitbild-Entwurfs streift den Apotheker als Unternehmer und fordert eine entsprechende Honorierung, „leistungsgerecht, dynamisiert und fair“. Ob dies den Kritikern ausreicht, darüber wird zu diskutieren sein.

Mit einigen Nachbesserungen und Ergänzungen kann aus diesem Leitbild die Richtung für einen modernen Apothekerberuf entstehen, der heilberuflich und wirtschaftlich gut aufgestellt ist und den die Gesellschaft braucht. Soll dieses Leitbild dann mit Leben erfüllt werden, gibt es viel zu tun. Das ruft nach einer ausführlichen To-do-Liste, einem konkreten Maßnahmen-Katalog für die nächsten Jahre. |

Autoren

Peter Ditzel,
Herausgeber der DAZ
Dr. Benjamin Wessinger,
Chefredakteur der DAZ

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