Gesundheitspolitik

EU-Kommission: Kritik an Junckers Plänen

Gesundheitsressort: Pharma fällt zurück an Industrie und Unternehmen

BERLIN (ks) | Die EU-Kommission soll eine neue Struktur bekommen. Unter anderem plant ihr designierter Präsident Jean-Claude Juncker einige Zuständigkeitsverschiebungen zwischen den bisherigen Ressorts. So soll auch die bisherige Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher erheblich ausgedünnt werden und der Bereich der Arzneimittel und Medizinprodukte zurück in das Ressort Binnenmarkt und Industrie wandern. Dieses Vorhaben wird von vielen Seiten massiv kritisiert – nur die Industrieverbände scheinen kein Problem damit zu haben.

Noch ist der maltesische Gesundheitskommissar Toni Borg für recht viele Aufgaben zuständig. Sein designierter Nachfolger, Vytenis Povilas Andriukaitis aus Litauen, wird ein schmaleres Ressort vorfinden. Er soll sich künftig um „Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“ kümmern. Der bislang ebenfalls in dieser Generaldirektion verankerte Verbraucherschutz soll im neuen Ressort für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung unter der tschechischen Kommissarin Věra Jourová angesiedelt sein. Aus dem Bereich der Gesundheit sollen die Abteilungen rund um Arzneimittel(-zulassungen), Medizinprodukte, Gesundheitstechnologien und Kosmetik in das neue Ressort Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unter der Polin Elžbieta Bieńkowska übergehen. Dieses Ressort soll laut Kommissions-Mitteilung „die Schaltzentrale der Realwirtschaft“ werden.

Der Pharmabereich befand sich bis 2009 schon einmal in der Obhut des damaligen deutschen Industriekommissars Günter Verheugen. Dieser hatte damals das Pharmapaket auf den Weg gebracht, in dem es um Arzneimittelfälschungen, Pharmakovigilanz aber auch um Patienteninformation ging. Letzterer Part, in dem es letztlich um Arzneimittelwerbung ging, verlief im Sande, nachdem die Zuständigkeit der Generaldirektion gewechselt hatte – zur Erleichterung der vielen Kritiker dieser Idee.

Wirtschafts- vor Patienteninteressen

Dass nun eine Kehrtwende gemacht werden soll, geht vielen gegen den Strich. Etwa dem Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig. Er sprach von einer „fatalen Fehlentwicklung“. Werde dieses Vorhaben nicht revidiert, sieht er große Probleme kommen. Der SPD-Vizefraktionsvorsitzende Prof. Dr. Karl Lauterbach sieht den Bereich der Europäischen Arzneimittelagentur ebenfalls im falschen Ressort gelandet und versprach, auf die Pläne Junckers zu reagieren. Der Präsident der Bundesärztekammer Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery kommentierte: „Die geplante Ressortverteilung in der EU-Kommission lässt auf eine Strategie schließen, die vor allem marktgesteuert ist. Es entsteht der Eindruck, dass Patientenschutz und Patientensicherheit wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden.“ Zudem haben 35 europäische Verbände aus den Bereichen Gesundheit, Patienten und Verbraucher – darunter auch der europäische Apothekerverband PGEU – einen offenen Brief an Juncker geschrieben, in dem sie davor warnen, einen solch großen Schritt zurück zu unternehmen. Haupttreiber der EU-Politik im Bereich Arzneimittel und Gesundheitstechnologien sollte die Förderung und der Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Patienten sein. Der Kommissar für Industrie und Binnenmarkt habe hingegen den Auftrag, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die europäische Wirtschaft zu fördern, so die Verbände. „Die Verschiebung, die Sie vorschlagen, sendet das falsche Signal an die europäischen Bürger und Patienten – nämlich, dass wirtschaftliche Interessen vor ihrer Gesundheit stehen.“

EU-Parlament muss Kommission bestätigen

Ob die Kritik noch etwas bewirken kann, muss sich zeigen. Noch steht die neue EU-Kommission nicht. Erst müssen die von Juncker ausgewählten Kandidaten vor dem Europäischen Parlament Rede und Antwort stehen. Der designierte Gesundheitskommissar wird am 30. September befragt, die vorgesehene Kommissarin für Binnenmarkt und Industrie am 2. Oktober. Nach den Anhörungen findet eine Evaluierung statt – am Ende muss das Parlament die neue EU-Kommission mit einfacher Mehrheit bestätigen. 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.