Gesundheitspolitik

70 neue Wirkstoffe im AMNOG-Verfahren

G-BA-Chef Josef Hecken zieht Zwischenbilanz

BERLIN (az) | Das Anfang 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) hat sich aus Sicht des Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, bewährt. Letzte Woche Mittwoch zog er im Gesundheitsausschuss des Bundestages ein durchweg positives Fazit. Hecken betonte, alle Befürchtungen, das Gesetz könnte die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln beeinträchtigen, hätten sich nicht bewahrheitet. Es sei auch nicht zu Versorgungsengpässen gekommen.

Mit dem AMNOG hatte sich der Gesetzgeber auf neues Terrain gewagt: Endlich sollten nicht mehr nur Zwangsmaßnahmen und Generika die Kassenausgaben für Arzneimittel im Zaum halten – erstmals setzte er die Preisschraube auch bei neuen Arzneimitteln an. Seit 2011 müssen sich neu auf den Markt kommende Präparate mit neuen Wirkstoffen einer frühen Nutzenbewertung unterziehen. Anschließend wird ihr Erstattungsbetrag ausgehandelt. Wie Hecken im Gesundheitausschuss darlegte, hat dies ganz entscheidend dazu beigetragen, „die Spreu vom Weizen zu trennen“. Denn lange nicht alle neuen Medikamente wiesen einen zusätzlichen Nutzen auf.

13 Mal beträchtlicher Zusatznutzen

Letzten Mittwoch waren es noch 66 neue Wirkstoffe, die der G-BA in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren bewertet hat – einen Tag und eine G-BA-Sitzung später kletterte die Zahl auf 70. Nach wie vor sind es jedoch 13 Präparate mit einem attestierten „beträchtlicher Zusatznutzen“. In sechs Fällen war es ein nicht quantifizierbarer Zusatznutzen – beide Gruppen zählen für Hecken zu den „echten Innovationen“. Bei weiteren 22 Präparaten sah der G-BA einen geringen Zusatznutzen. Und bei 26 konnte er keinen Mehrwert gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie ausmachen.

Dies zeige, so Hecken, dass das AMNOG seine Aufgabe, echte Innovationen und Scheininnovationen zu trennen, „in vortrefflicher Weise“ erfülle. In nur fünf Fällen hätten Pharmafirmen aufgrund der negativen Nutzenbewertung ihre Produkte vom deutschen Markt genommen. Einmal habe sich kurz danach herausgestellt, dass Bedenken des G-BA hinsichtlich gravierender Nebenwirkungen gerechtfertigt waren – gemeint ist das Epilepsiemittel Trobalt von GSK. In anderen Fällen – etwa bei Linagliptin – hätten sich alternative Therapien ergeben.

Hecken plädierte aufgrund der gemachten Erfahrungen für einige Nachbesserungen. So seien unter den geprüften Präparaten mit beträchtlichem Zusatznutzen viele aus dem Bereich der Onkologie. Der Zusatznutzen beziehe sich in den Studien jedoch ausschließlich auf die Verlängerung der Lebenserwartung, ohne dabei die Lebensqualität zu berücksichtigen. Perspektivisch werde der G-BA auch Daten über die Lebensqualität und Nebenwirkungen einfordern. Es könne nicht sein, dass Patienten mit einem Medikament zwar etwas länger lebten, aber zugleich mit neuen, dramatischen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten.

Ein anderes Problem betreffe bereits eingeführte Wirkstoffe, die nicht mehr patentgeschützt seien und von den Herstellerfirmen mit neuem Handelsnamen, neuem Anwendungsgebiet und neuem Patentschutz auf den Markt gebracht werden. Auf diese Weise versuchten Pharmafirmen, ihren Produkten „einen zweiten rentierlichen Lebenszyklus zu verschaffen“, wobei mögliche Nebenwirkungen im neuen Einsatzgebiet nicht untersucht würden. Hier sei dringend eine gesetzliche Regelung nötig, die eine Neubewertung zulasse. 

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