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VSA: "Wir stehen auf dem Boden der Gesetze"

DAZ-Interview mit den VSA-Geschäftsführern Dr. Andreas Lacher und Peter Mattis

STUTTGART (lk). Bei den Apothekenrechenzentren gibt es unterschiedliche Auffassungen über den datenschutzkonformen Umgang mit den Rezeptdaten. Seit der Veröffentlichung der Problematik in einem "Spiegel"-Bericht vor einem Jahr sah sich die VSA GmbH Ermittlungen der Münchener Staatsanwaltschaft ausgesetzt. Darüber und über die wirtschaftlichen Folgen und Perspektiven sprach die DAZ mit den VSA-Geschäftsführern Dr. Andreas Lacher und Peter Mattis.
Dr. Andreas Lacher Foto: VSA

DAZ: Drei norddeutsche Apothekerverbände haben aus Sorge um den Datenschutz dem NARZ untersagt, Rezeptdaten für andere Zwecke, insbesondere für Marktstudien weiterzuverarbeiten und weiterzugeben. Wie beurteilen Sie diesen Vorgang auch in Bezug auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München gegen die VSA?

Lacher: Es ist uns bis zum heutigen Zeitpunkt kein einziger Vorgang bekannt, bei dem eine Datenschutzbehörde gesagt hat, dass die erfolgten Datenlieferungen bei entsprechender Anonymisierung nicht datenschutzkonform waren. Das trifft auch auf die Behörden im Norden zu. Vor diesem Hintergrund steht aus rein datenschutzrechtlicher Sicht eine Datenlieferung an Marktforschungsunternehmen zu jeder Zeit auf dem Boden der Gesetze. Eine weitere Bewertung der Vorgänge beim NARZ steht uns nicht zu.


DAZ: Sie halten den Datenlieferstopp also für überzogen?

Lacher: Ich kann da nur für die VSA sprechen. Wenn die für uns zuständige bayerische Datenschutzbehörde sagt, dass die Daten anonymisiert sind wie es die Datenschützer vorschreiben, sehen wir unser Handeln als absolut rechtmäßig an. Wir liefern nur Daten ohne Personenbezug. Mit der Verwertung dieser Daten werden ja auch weitere Zwecke erfüllt. Die aus den anonymisierten Abrechnungsdaten gewonnenen Erkenntnisse sind für das deutsche Gesundheitswesen von großem Wert. Der Gesetzgeber räumt deshalb in den §§ 300 und 305a SGB V den notwendigen Spielraum ein, um eine Verwendung der Daten aus Apothekenrechenzentren zu ermöglichen. Diese dienen als Grundlage für Versorgungs- und Marktforschungsstudien wie zum Beispiel die regionale Auswertung der Verordnungspraxis von anonymisierten Ärztegruppen. Vor diesem Hintergrund sieht die VSA diese Datenlieferung als richtig und sinnvoll an. Ich glaube, das ist die Meinung nahezu aller Apothekenrechenzentren und Beteiligten.


DAZ: Die Vorgänge beim NARZ zeigen aber doch, dass es offensichtlich unterschiedliche Auffassungen über den gesetzeskonformen Umgang mit Rezeptdaten gibt. Sehen Sie die Notwendigkeit in der Apothekerschaft darüber eine einheitliche Position zu entwickeln?

Lacher: In Deutschland haben wir einen besonders strengen Datenschutz. Wenn eine bayerische Datenschutzbehörde zu der Auffassung kommt, dass alles was wir tun rechtmäßig ist, dann ist das für uns aus rechtlicher Sicht völlig ausreichend. Da bei den Datenlieferungen kein Personenbezug gegeben ist, ist für uns eine unterschiedliche Auffassung zwar nachvollziehbar, aber wir bei der VSA sehen die Brisanz nicht.


DAZ: Die Runde der Landesdatenschützer befasst sich mit diesem Thema und hat angekündigt, in Kürze Regeln für den Umgang mit Rezeptdaten vorzulegen. Wäre es da nicht besser, die Apothekerschaft fände von sich aus zu einer einheitlichen Sichtweise?

Lacher: Bei den Beteiligten, mit denen wir uns in Kontakt befinden, besteht bereits eine einheitliche Sichtweise: Die Datenlieferungen, wie sie derzeit vorgenommen werden, sind rechtmäßig und sind aus Sicht der Apotheker zu vertreten. Falls die Datenschützer im Düsseldorfer Kreis zu einer anderen Bewertung kommen sollten, werden wir uns das im Detail ansehen. Wir sind der felsenfesten Auffassung, dass unsere Datenlieferungen den datenschutzrechtlichen Vorgaben entsprechen.


Peter Mattis Foto: VSA

DAZ: Neben der rechtlichen Bewertung gibt es noch eine politische Perspektive. Nicht alles, was legal ist, ist gesellschaftlich legitim. Wie stehen Sie dazu?

Mattis: Falls die Politik Gespräche darüber sucht und aufnimmt, werden wir uns selbstverständlich daran beteiligen. Dem werden wir uns nicht verschließen.

Lacher: Wir sind in dieser Frage bereits an die ABDA und den DAV herangetreten, um diese Frage mit der Verbandsführung diskutieren.


DAZ: Die VSA ist selbst von einem Ermittlungsverfahren betroffen. Wie ist der aktuelle Stand?

Lacher: Das Verfahren ist eingestellt worden, einmal aus formalen Gründen, weil der Antragsteller nicht betroffen war und Fristen nicht eingehalten hat. Viel entscheidender ist für uns aber in diesem Zusammenhang, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte und die bayerische Datenschutzbehörde LDA keine Gründe gesehen haben, das Verfahren aufrecht zu erhalten. Das hatten wir auch nicht anders erwartet.


DAZ: Sie sehen sich durch die Einstellung in Ihrem Handeln bestätigt?

Lacher: Unsere derzeitige Datenaufbereitung stand gar nicht auf dem Prüfstand. Die ist rechtlich absolut gesetzeskonform. Es bezog sich auf die Zeit bis Mitte 2010. Das Verfahren wurde dann auf unsere Initiative hin auf rechtlich saubere Beine gestellt.


DAZ: Welche wirtschaftlichen Konsequenzen hätte denn der Verzicht auf die Weiterverarbeitung der Rezeptdaten für Marketingzwecke für den einzelnen Apotheker, für die Rezeptabrechnungsgebühr?

Lacher: In den letzten Jahren sind auf die Apothekenrechenzentren vom Gesetzgeber viele Aufgaben übertragen worden, für die wir keine Vergütung erhalten haben, zum Beispiel das Handling des Apothekenabschlages oder Herstellerabschlages. Jetzt kommt als zusätzliche Aufgabe wahrscheinlich die Verrechnung der neuen Notdienstpauschale auf uns zu. Vor diesem Hintergrund sind die Einnahmen aus der Datenverarbeitung sehr hilfreich. Entfielen diese Erlöse, sind die sehr niedrigen Abrechnungsgebühren auf Dauer wohl nicht mehr zu halten.


DAZ: Wie viel müsste jeder Apotheker mehr bezahlen?

Lacher: Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Für eine umsatzstarke Apotheke könnte dieses bis zu 100 € ausmachen. Ich möchte nochmals betonen, der Wegfall der Erlöse aus Datenlieferungen betrifft alle ARZ. Diese Erlöse machen ca. 10% der Gesamterlöse aus.


DAZ: Zur VSA: Sie haben kürzlich die Bezeichnung Verrechnungsstelle süddeutscher Apotheken aus dem Firmennamen gestrichen. Warum?

Mattis: Wir haben die Namenskürzung vor ca 1½ Jahren vorgenommen. Der Begriff Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken geht auf die Unternehmensanfänge zurück. Inzwischen rechnen wir neben Bayern und Baden-Württemberg auch Apotheken aus Sachsen und Sachsen-Anhalt ab, sowie durch das Tochterunternehmen ALG auch andere Bundesländer. Was ist daran noch süddeutsch? Die VSA-Gruppe ist längst nicht mehr auf den süddeutschen Raum begrenzt.


DAZ: Hat die Namensänderung auch etwas damit zu tun, dass die VSA ihren Aufgabenkreis weiter gezogen hat?

Mattis: Nein, wir sind ja schon länger in anderen Geschäftsfeldern engagiert wie zum Beispiel Warenwirtschaft und Rezeptabrechnung für sonstige Leistungserbringer.


DAZ: Es kommen immer wieder neue Aufgaben auf die Rechenzentren zu. Wie sehen Sie die Zukunft der Rechenzentren?

Mattis: Die Anforderungen an die IT-Security, aber auch der Datenschutz bieten ein riesiges Aufgabenfeld, hier sind die Anforderungen immens hoch. Da ist ständig sehr viel zu tun. So streben wir zum Beispiel die Zertifizierung der VSA nach ISO 27001 an. Ferner entwickeln wir weitere und neue innovative Dienstleistungen für die Apotheken.


DAZ: Können Sie hier schon etwas verraten?

Mattis: Wir haben seit Kurzem ein sehr innovatives Produkt im Markt: ScanDialog. Damit sind wir Innovationstreiber. Damit kann der Apotheker seine Rezepte über einen Scanner an die VSA übermitteln. Wir lesen und interpretieren die Images, übermitteln die Daten innerhalb von zwei, drei Minuten zurück an die Apotheke und machen zum Beispiel auf Unstimmigkeiten aufmerksam. Damit erhält der Apotheker innerhalb kürzester Zeit die Möglichkeit für Korrekturen. So kann er beispielsweise Retaxationen entgegenwirken, die Retaxationsquote kann dadurch deutlich sinken. Das ist der Beginn einer größeren Lösung. Hierin steckt noch viel Potenzial. Daran arbeiten wir weiter, auch mit der Awinta.


DAZ: Jetzt kommt voraussichtlich die Abrechnung der neuen Notdienstpauschale auf die Rechenzentren zu. Was halten Sie von dieser Lösung?

Lacher: Das ist mal wieder eine Leistung, die vermutlich von den ARZ erbracht wird, ohne dafür ein Honorar zu erhalten. Technisch ist das für uns kein Problem. Die Rechenzentren sollten das sinnvollerweise machen. Nun ist es so geplant: Die Kammer stellt ein Zertifikat, wenn sie so wollen ein Rezept, über den geleisteten Notdienst aus und wir rechnen das mit der GKV ab.


DAZ: Es sollte doch ein neuer Fonds geschaffen werden. Benötigen die Rechenzentren einen solchen Fonds oder ist das wieder ein bürokratisches Monster?

Lacher: Es gäbe sicher einfachere Wege. Wir rechnen ja auch treuhänderisch die Rezepte für die Apotheker ab. Das könnte mit der Notdienstpauschale genauso laufen. Einen neuen Fonds benötigen wir dazu nicht. Jeder neue Fonds ist ja mit neuen Kosten verbunden. Wir suchen nach schlanken Lösungen. Ein Fonds ist sicher keine solche schlanke Lösung.


DAZ: Noch einmal zurück zur VSA: Wie laufen die Geschäfte?

Lacher: Unser Geschäft entwickelt sich parallel zur Wirtschaftslage der Apotheken. Und hier ist ja seit geraumer Zeit eine Stagnation der Rezeptzahlen zu registrieren. Andererseits haben wir, wie jedes andere Unternehmen auch, mit steigenden Ausgaben zu kämpfen. Vor diesem Hintergrund versuchen wir alle Möglichkeiten zur Kostensenkung auszuschöpfen und Erlöse zu generieren, um die VSA weiterhin auf Erfolgskurs zu halten. Unterm Strich werden aber auch für die Apothekenrechenzentren die Margen enger.


DAZ: Sie spüren die Probleme des Apothekenmarktes unmittelbar?

Lacher: Die schwierigere wirtschaftliche Situation spüren wir wie alle Apotheken auch. Unser Umsatz stagniert, die Erlöse sinken. Wir werden in diesem Jahr einen Gewinn ausweisen, der die notwendigen Ersatzbeschaffungen und Investitionen abdeckt. Es ist immer noch mehr als eine schwarze Null, aber in der Tat sehr viel schwächer geworden.


DAZ: Sie müssten also nach anderen, im Ergebnis stärkeren Geschäftsfeldern Ausschau halten.

Lacher: Das ist selbstverständlich. Beispielsweise gehen wir in den Markt für Privatliquidationen für Apotheken. In diesem Geschäftsfeld sind aber auch Ärzte und sonstige Leistungserbringer unsere Zielgruppe.

Mattis: Auch der Pflegesektor bietet uns weitere Einsatzmöglichkeiten. Wir sind dort bereits mit dem Tochterunternehmen azh aktiv. Das ist ein absoluter Wachstumsmarkt, auf dem wir expandieren wollen.


DAZ: Herzlichen Dank für dieses Gespräch!


Das Interview führten DAZ-Chefredakteur Benjamin Wessinger und DAZ-Berlin-Korrespondent Lothar Klein



DAZ 2013, Nr. 9, S. 14

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