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DAZ-Interview: VSA - Dienstleister mit Zukunft

MÜNCHEN (diz). Der Dienstleistungsvertrag, den die Gesellschaft für Statistik im Gesundheitswesen (GfS), eine Tochter der Verrechnungsstelle Süddeutscher Apotheken (VSA) mit der Barmer Ersatzkasse abschloß, löste Unruhe unter den VSA-Mitgliedern aus. Die GfS prüft u. a. die korrekten Abrechnungsdaten der Apotheke im Auftrag der Barmer (siehe auch DAZ-Montagsausgabe vom 27. April 1998). Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 22. April versuchte die VSA dem Informationsbedürfnis ihrer Mitglieder Rechnung zu tragen und informierte über diesen Dienstleistungsvertrag. Die DAZ hakte zu diesem Thema bei den Geschäftsführern der VSA, Dr. Andreas Lacher und Peter Mattis, nach.

?Die Nachricht davon, daß eine 100prozentige Tochter der VSA, die GfS, einen Dienstleistungsvertrag für die Barmer Ersatzkasse ausführt und dabei unter anderem die Apothekenabrechnungen kontrolliert, löste bei einigen VSA-Mitgliedern Bedenken und Mißstimmung aus. Die emotionalen Wellen schlugen hoch. Worum handelt es sich bei diesem Dienstleistungsvertrag im einzelnen? Mattis: Bei diesem Dienstleistungsvertrag handelt es sich nicht allein um die Rezeptprüfung, der Dienstleistungsvertrag besteht vielmehr aus fünf Komponenten. Die erste Komponente beinhaltet die komplette Datenannahme der über image processing gewonnenen Daten. Diese Daten werden von der GfS, Dresden, bundesweit angenommen. Die zweite Komponente umfaßt die maschinelle Vorprüfung. Aufgrund der Tatsache, daß die Daten heute fast alle maschinenlesbar sind, werden diese Daten abgeglichen. Dabei kommt es zu Differenzmeldungen. Dr. Lacher: Beim maschinellen Abgleich kann zum Beispiel entdeckt werden, daß mancher Versicherte überhaupt nicht mehr bei der Barmer Ersatzkasse Mitglied ist. Oder man bemerkt, daß Daten für den Risiko-Struktur-Ausgleich nicht plausibel sind. Diese maschinelle Vorprüfung dient also nur dazu, daß weitere Prüfungen in den verschiedensten Bereichen durchgeführt werden.

? Die Barmer bedient sich also einer VSA-Tochter um Aufgaben zu erledigen, die sie eigentlich selbst machen müßte, aber aufgrund technischer Ausrüstung nicht kann? Mattis: Die Barmer ist technisch dazu in der Lage, diese Aufgabe selbst zu erledigen. Sie hat sich allerdings in diesem Fall für einen Dienstleister mit entsprechender EDV- und Fachkompetenz im Apothekenbereich entschieden. Bei dieser Gelegenheit möchten wir darauf hinweisen, daß die GfS ein eigenständiges Unternehmen mit funktioneller, räumlicher und personeller Trennung zur VSA ist. Eine Verbindung ergibt sich lediglich aufgrund der Kapitalbeteiligung.

? Kommen wir kurz zurück auf die weiteren Komponenten des Dienstleistungsvertrages. Welche Aufgaben hat die GfS außerdem übernommen? Mattis: Nach der maschinellen Vorprüfung werden zum Beispiel die Versichertendaten auf Mitgliedschaft, Arzt- und Apothekendaten auf Zulassungsberechtigung sowie die Arzneimitteldaten gemäß Arzneimittel- und Hilfsmittelliefervertrag überprüft. Eine weitere Komponente des Dienstleistungsvertrages ist die Rechnungslegung. So werden an die Barmer Ersatzkasse zum Beispiel die Höhe der Abschlagszahlungen zur Weiterleitung an die Rechenzentren gemeldet. Und die letzte große Komponente ist die Archivierung der digitalen Daten für 24 Monate.

? Führt man sich die einzelnen Komponenten vor Augen, so wirken sie plausibel und vernünftig. Woher rühren Ihrer Meinung nach die Emotionen, warum haben VSA-Mitglieder diesen Dienstleistungsvertrag mit Argwohn betrachtet? Dr. Lacher: Herr Mattis hat es bereits dargestellt. Der Dienstleistungsvertrag ist ein sehr umfassendes Leistungspaket, ein Teil davon ist allerdings die genaue Rezeptüberprüfung. Das Ergebnis kann unter Umständen nach einer umfassenden Prüfung zu einer Rückforderung von den Apotheken führen. Auch der umgekehrte Weg ist natürlich möglich, wenn die Krankenkassen Retaxierungen vornehmen. Die Emotionen resultieren daraus, daß hier ein Tochterunternehmen der VSA im Auftrage der Krankenkassen tätig ist. Dabei wird allerdings meist übersehen, daß solche Prüfungen ohnehin durchgeführt werden. Zu möglichen Rückforderungen würde es also auf jeden Fall kommen. Natürlich ist es verständlich, daß hieraus ein gewisses emotionales Unbehagen resultiert. Hinzu kommt, daß unsere Mitgliedsapotheken durch teilweise irreführende Pressemitteilungen sowie durch unzutreffende Werbeaussagen erheblich verunsichert wurden. Fakt ist, daß die Apothekenprüfung im gesamten Dienstleistungspaket nur eine Teilkomponente ist und somit vielfach zu sehr in den Vordergrund gerückt wurde. Sollten beispielsweise dennoch Zweifel über die Richtigkeit einer Absetzung aufkommen, werden diese Fälle an eine eigens von der Barmer Ersatzkasse eingerichtete Koordinierungsstelle weitergeleitet. Mattis: Außerdem sollte man hier anmerken, daß eine Apotheke, die korrekt abrechnet, nichts zu befürchten hat. Dr. Lacher: Ein Unternehmen wie die VSA mit der Rückendeckung der Berufsverbände kann durch deren begleitende Beratung hier sehr viel Positives leisten, ich denke beispielsweise an die durchaus auslegungsfähige Importarzneimittelregelung. Es kann beispielsweise der Fall eintreten, daß ein Patient kurz vor Ladenschluß in die Apotheke kommt, sein Arzneimittel dringend benötigt, die Apotheke allerdings kein Importpräparat mehr auf Lager hat, und der Apotheker dann zum Originalpräparat greift. Ich denke, daß dies ein Beispiel dafür ist, worüber man mit der Barmer Ersatzkasse sprechen kann.

? So gesehen kann hieraus sogar ein positiver Aspekt resultieren, wenn die Rezeptprüfung in den Händen eines apothekereigenen Rechenzentrums liegt. Sollte man dies vielleicht deutlicher herausstellen? Dr. Lacher: In der Tat, diese berufspolitische Komponente war einer der wesentlichen Beweggründe, warum wir uns für diese Aufgabe stark gemacht haben. Unsere Geschäftspolitik gegenüber den Krankenkassen ist seit jeher auf Kooperation ausgerichtet. Wir gehen davon aus, daß wir uns damit sehr viel besser einbringen können als wenn wir gegenüber den Krankenkassen eine Konfliktstrategie fahren würden.

? Gibt es weitere Vorteile dadurch, daß eine VSA-Tochter Dienstleistungsaufträge für eine Krankenkasse angenommen hat? Mattis: Natürlich muß sich das gesamte Projekt rechnen, wir können keine Leistungen verschenken. Viel wichtiger als der finanzielle Aspekt waren für uns jedoch die strategischen Ansätze in Richtung Zukunft. § 300 SGB V sowie die dazugehörige Arzneimittelabrechnungsvereinbarung sieht nur noch eine Datenlieferung von allen Rechenzentren an die Krankenkassen bis Ende 2000 vor. Damit bestünde theoretisch die Möglichkeit, daß ab diesem Zeitpunkt das Papierrezept durch ein elektronisches Rezept abgelöst wird. Dies war für uns ein wichtiger Aspekt, EDV-Fachkompetenz für Krankenkassen aufzubauen. Einen wesentlichen Einfluß auf die Ausgestaltung des elektronischen Rezepts und die Vernetzung unter den Beteiligten werden die Krankenkassen selbst haben. Konkret werden derzeit zwei Modelle diskutiert, das Server-Modell, das von den Ärzten favorisiert und von Teilen der Kostenträger mitgetragen wird. Dem gegenüber steht das Modell des Deutschen Apothekerverbands, das SmartCard-Modell, bei dem die Rechenzentren neben der Abrechnung noch zusätzliche Aufgaben im Zusammenhang mit dem elektronischen Rezept übernehmen sollen.

? Damit würde indirekt ein solcher Dienstleistungsvertrag auch dazu dienen, den Fortbestand des Apothekenrechenzentrums zu sichern. Dann nämlich, wenn die EDV-Fachkompetenz aufgezeigt und herausgestellt werden kann. Denkt man nämlich in die Zukunft, würden dann - sollte sich das Server-Modell durchsetzen - die Rezeptabrechnungszentren überflüssig werden? Mattis: Dies wäre sicherlich auf den ersten Blick durchaus denkbar, wenn man lediglich die Rezeptabrechnung mit den großen Krankenkassen sieht. Geht man aber davon aus, daß jede Apotheke im Durchschnitt mit 50 Kostenträgern im Abrechnungsverkehr steht, so werden auf diesem Gebiet auch weiterhin Aufgaben bei den Rechenzentren verbleiben, jedoch gegenüber heute eher eingeschränkt. Bei einem elektronischen Rezept können neben der Rezeptabrechnung weitere Aufgaben wie Korrekturmanagement, die Kontrolle der digitalen Signatur, Duplikatschutz, Datensicherung etc. anfallen. Dies sind alles Leistungen, die in der Apotheke nicht bewältigt werden können und für die ein Rechenzentrum benötigt wird.

? Besteht aber nicht gerade beim Server-Modell die Gefahr, daß die Apothekenrechenzentren überflüssig werden und ist vor diesem Hintergrund nicht eine Stärkung der GfS sinnvoll? Dr. Lacher: Auf der Vertreterversammlung haben wir vor kurzem deutlich gemacht, daß sich die Apotheker und die Apothekenrechenzentren sehr viel besser bei der SmartCard-Lösung einbringen können. Denn es ist tatsächlich so, je weiter dieser zentrale Rechner von den Apotheken entfernt ist, um so schwieriger wird es für die Apothekenrechenzentren, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich eine wesentliche Intention, uns bereits heute als Partner der Krankenkasse einzubringen. Vielleicht lassen Sie mich noch kurz auf die finanzielle Situation eingehen. Die GfS war natürlich nicht der einzige Anbieter, der solche Dienstleistungen für die Krankenkassen übernehmen kann. Es gibt eine Reihe anderer Rechenzentren, nicht nur auf Apothekerseite, sondern auch auf seiten der Krankenkassen bzw. EDV-Rechenzentren allgemein, die solche Leistungen erbringen können. Vor diesem Hintergrund mußten wir natürlich schon mit spitzem Bleistift kalkulieren. Früher hatten wir bekanntlich sehr viele Nebengeschäfte, mit denen wir unsere Ertragskraft gestärkt haben. Durch den Wegfall einiger Geschäftsfelder durch den § 300 ist es eine unternehmerische Zielsetzung, weitere Leistungen zu erbringen, die zur finanziellen Stabilisation des gesamten Unternehmens beitragen.

? Läßt sich als Fazit dann daraus ziehen, daß solche Dienstleistungsverträge wie mit der Barmer letztendlich zur Zukunftssicherung beitragen, aber auch dazu, das Datenmanagement in den Händen der Apotheker zu belassen? Dr. Lacher: Dies sind mit Sicherheit Aspekte, die bei uns maßgeblich den Ausschlag für unser Engagement gegeben haben.

? Aber ein Punkt von seiten der Mitglieder wurde immer wieder kritisiert: Warum stimmte man im Rahmen eines Entscheidungsprozesses nicht darüber ab, ob die GfS eine solche Aufgabe unternehmen soll? Dr. Lacher: Die ist sicherlich richtig. Es ist bei uns seit jeher Gepflogenheit, wichtige Entscheidungen auf einen breiten demokratischen Meinungsbildungsprozeß zu stellen. Bei dem Barmer-Auftrag war es allerdings nicht möglich, da zahlreiche Mitbewerber in den Startlöchern standen und sich um diesen Auftrag bewarben. Außerdem hätten vermutlich Mitbewerber und andere Kreise alles Erdenkliche versucht, um unsere Mitglieder negativ zu beeinflussen und Opposition gegen diesen neuen Dienstleistungsvertrag zu machen. Es gibt einfach eine bestimmte Art von Geschäften, bei denen man erst den Vertrag in Händen haben muß, bevor man an die Öffentlichkeit geht.

! Herr Mattis, Herr Dr. Lacher, wir bedanken uns für dieses informative Gespräch!

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