Arzneimittel und Therapie

Hilfe bei akuten Infektionen der Atemwege?

Ein Cochrane-Review zu Umckaloabo

Der Wurzel der Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides) wird eine heilende Wirkung bei Atemwegsinfekten zugesprochen. Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit gibt Hinweise darauf, dass ein Extrakt aus den Wurzeln der südafrikanischen Pflanze die Symptome von akuter Bronchitis verringern kann. Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden wurden zwar beobachtet, sie waren aber nicht gravierend.

Akute Atemwegsinfekte gehören zu den häufigsten Erkrankungen von Kindern und Erwachsenen. Obwohl sie meist durch Viren verursacht werden und in aller Regel selbstlimitierend sind, hat ein Arztbesuch oft eine empirische Antibiotika-Verschreibung zur Folge. Im Hinblick auf den hohen unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika und die steigende Zahl antimikrobiell resistenter Erreger weltweit ist eine wirksame Alternative zu Antibiotika für akute Infektionen der Atemwege unverzichtbar. Umckaloabo® gehört zu den modernen Phytotherapeutika und wird bei akuten Atemwegsinfektionen bei Erwachsenen und Kindern seit einigen Jahren zunehmend häufiger eingesetzt. Stammpflanze ist die südafrikanische Kapland-Pelargonie Pelargonium sidoides (Geraniaceae). Dies ist eine Arzneipflanze, die in der traditionellen Medizin in Südafrika seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle spielt. Wässrig-alkoholische Extrakte aus den Wurzeln von Pelargonium sidoides finden in der flüssigen Zubereitung arzneiliche Anwendung, in den Tabletten ist ein Trockenextrakt enthalten. Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Pelargonium-sidoides-Extrakt ist bei Fachleuten jedoch umstritten. In einer früheren Meta-Analyse fanden sich Hinweise auf eine Wirksamkeit dieses Mittels, insbesondere zur Behandlung der akuten Bronchitis. Da inzwischen weitere klinische Studien zu verschiedenen Indikationen veröffentlicht wurden, hat die Cochrane Collaboration kürzlich eine Meta-Analyse durchgeführt und die Ergebnisse zusammenfassend beleuchtet.

Zwar widersprüchlich, aber insgesamt positiv

Berücksichtigt wurden randomisierte kontrollierte Doppelblind-Studien, welche die Wirksamkeit von Pelargonium-sidoides-Zubereitungen für die Behandlung akuter Atemwegsinfekte bei Kindern und Erwachsenen versus Placebo oder anderen möglichen Therapien untersuchten. Als primärer Endpunkt wurde die Anzahl der Tage bis zur Beschwerdefreiheit definiert. Zusätzlich betrachtet wurde die Zeit in Tagen bis zur Besserung der Symptome. Eingeschlossen wurden Erwachsene und Kinder jeden Alters mit mindestens einem Atemwegsinfekt ohne Indikation für ein Antibiotikum. Die Analyse erfolgte separat für die verschiedenen Altersgruppen und Krankheitsbilder. In einer Subgruppenanalyse wurde die Art der Zubereitung berücksichtigt (flüssige Zubereitung versus Tablettenform). Die Heterogenität der Studie wurde mittels der Heterogenitätsstatistik I2 berechnet, die unabhängig von der Anzahl der Studien ist. Von zehn ausgewählten randomisierten kontrollierten Doppelblind-Studien wurden acht Studien für die Meta-Analyse als geeignet betrachtet.

Grundsätzlich wurde eine Wirksamkeit des Pelargonium-sidoides-Extrakts festgestellt. In drei der Studien wurden insgesamt 746 Erwachsene mit akuter Bronchitis untersucht und die Wirksamkeit von Pelargonium-sidoides-Zubereitungen beurteilt. Die Ergebnisse waren widersprüchlich, jedoch insgesamt positiv im Hinblick auf die Linderung der Beschwerden.

Bronchitis Severity Score

Der Bronchitis Severity Score (BSS) wurde entwickelt, um in klinischen Studien die Schwere von Bronchitis-Symptomen quantifizierbar und damit vergleichbar zu machen. Bewertet werden die Symptome Husten, Auswurf, Atemnot, Rasselgeräusche und Brustschmerz beim Husten jeweils mit einem Punktwert von null (nicht vorhanden) bis vier (sehr schwer). Der maximale erreichbare Punktwert beträgt 20.

Darreichungsform könnte eine Rolle spielen

Das konnte allerdings nur für die flüssige Pelargonium-sidoides-Zubereitung festgestellt werden. Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass Pelargonium-sidoides-Extrakt in Tablettenform möglicherweise weniger wirksam ist. Dies konnte allerdings aufgrund der geringen Studienzahl nicht eindeutig belegt werden. Drei weitere Studien, welche die Wirksamkeit bei insgesamt 819 Kindern mit akuter Bronchitis untersuchten, waren ebenfalls widersprüchlich, aber insgesamt positiv zu beurteilen. Eine Wirkung wurde auch bei einer Entzündung der Nasennebenhöhlen (Sinusitis) festgestellt. In einer Studie mit 103 Erwachsenen konnte demonstriert werden, dass Pelargonium-sidoides-Extrakt zu einer vollständigen Beseitigung der Sinusitis-Symptomatik nach 21 Tagen Behandlung geführt hatte (RR 0,43, 95% Konfidenzintervall CI 0,3 – 0,62). In einer weiteren Studie bezüglich einer gewöhnlichen Erkältung bei Erwachsenen wurde eine Wirksamkeit nach zehn Tagen, nicht aber nach fünf Tagen dokumentiert. Unerwünschte Nebenwirkungen traten unter der Behandlung mit Pelargonium-sidoides-Extrakt häufiger auf als unter Placebo oder anderen Therapien, aber waren nicht gravierend. Neben Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Sodbrennen wurden allergische Hautreaktionen wie Pruritus und Urtikaria genannt.

Für vollständige Bewertung sind mehr Studien notwendig

Insgesamt wurde die Qualität der vorliegenden Studien jedoch als gering oder sehr gering bezüglich der relevanten Endpunkte bewertet. In der Summe lagen nur wenige Studien für die einzelnen Krankheitsbeschwerden vor. Alle berücksichtigten Studien waren ähnlich aufgebaut und wiesen ein moderates Risiko für Bias auf. Außerdem wurden alle Studien jeweils in der gleichen Region (Ukraine und Russland) und zudem vom Hersteller durchgeführt. Die Autoren der Meta-Analyse äußern sich daher zurückhaltend, was die Unabhängigkeit und die Zuverlässigkeit der Studien angeht. Zudem war aufgrund des kurzen Behandlungszeitraumes bezüglich der Anwendungs-Sicherheit keine Aussage möglich. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Erkenntnis über die Wirksamkeit und Sicherheit von Pelargonium-sidoides-Extrakt bei Atemwegsinfektionen nach wie vor begrenzt ist. Möglicherweise lindert Pelargonium sidoides-Extrakt die Symptome akuter Bronchitis, Sinusitis und einer gewöhnlichen Erkältung. Allerdings sind für eine vollständige Bewertung weitere Studien nötig.

Apothekerin Damaris Mertens-Keller, PharmD

 

Quelle:

Timmer A, Günther J, Motschall W, et al. Pelargonium sidoides extract for treating acute respiratory tract infections. Cochrane Library 2013, Issue 10.

 

 

„Umckaloabo ist eines der am besten untersuchten pflanzlichen Arzneimittel“

Ein Stellungnahme der Firma Willmar Schwabe

In einem letzte Woche auf Spiegel online publizierten Artikel mit dem Titel „Kindergesundheit: Arzneipflanzen und ihre Nebenwirkungen“ äußern sich die Autorin beziehungsweise die von ihr befragten Experten kritisch zu verschiedenen Arzneipflanzen, unter anderem über die Kapland-Pelargonie, deren Extrakt in Umckaloabo® enthalten ist. Sie berufen sich dabei auf den referierten Cochrane-Review (siehe oben). Der Hersteller hat dazu Stellung genommen:

Die Behauptung, dass der Einsatz der aus Südafrika stammenden Kapland-Pelargonie in der EU keine Tradition habe, ist falsch:Im Februar dieses Jahres hat die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) eine Monographie für die traditionelle Anwendung von Pelargonium veröffentlicht:

www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Community_herbal_monograph/2013/02/WC500138439.pdf

Die traditionelle Anwendung wird nur anerkannt, wenn das Produkt mindestens 30 Jahre medizinisch verwendet worden ist, davon wiederum mindestens 15 Jahre in der EU (Artikel 16c der Richtlinie 2001/83/EU).

Damit ist die traditionelle Anwendung von Pelargonium auf höchster europäischer Ebene anerkannt worden.

Die Behauptung, dass die Wirksamkeit von Umckaloabo® kaum nachgewiesen sei, ist falsch:

Für die Untermauerung dieser Aussage verweist der Spiegel auf den im Oktober erschienenen Cochrane-Review (Timmer et al, 2013). Der wesentliche Grund für dessen negative Bewertung ist die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Analyse im April 2013 der BSS (Bronchitis Severity Score; siehe Kasten) noch nicht als validiert galt (unvalidated outcome assessment). Inzwischen gilt der BSS jedoch als validiertes Messinstrument zur Erfassung des Schweregrades einer Bronchitis (Matthys & Kamin, 2013) – sowohl die Validierungsmethode als auch die Ergebnisse wurden vom Herbal Medicinal Product Committee der EMA anerkannt.

Zudem ist für die Zulassung von Arzneimitteln in Deutschland das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig. Eine Zulassung wird nur erteilt, wenn das BfArM zu dem Schluss kommt, dass die wissenschaftliche Datenlage ausreichend ist, um sowohl die Wirksamkeit als auch die Sicherheit und Verträglichkeit des Produktes zu belegen.

Nahezu 10.000 Erwachsene und Kinder ab einem Jahr wurden in 25 Studien mit dem Präparat behandelt.

Umckaloabo ist eines der am besten untersuchten pflanzlichen Arzneimittel.

Die Behauptung, dass Zweifel existierten, Umckaloabo® in Tablettenform zeige überhaupt eine Wirkung, ist falsch:


Sowohl für Erwachsene (Matthys et al., 2010) als auch für Kinder ab sechs Jahren (Kamin et al., 2010) existieren Dosisfindungsstudien, die die Wirksamkeit für die Tablette belegen. Ohne einen derartigen Beleg hätte das BfArM die Zulassung für die Tablette nicht erteilt.

Für Umckaloabo® als Tablette existieren Dosisfindungsstudien – eine Seltenheit bei pflanzlichen Arzneimitteln.

Die Behauptung, dass Umckaloabo® Leberschäden hervorrufe, ist falsch:

Unabhängige Analysen der gemeldeten Fälle haben gezeigt, dass kein Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme von Umckaloabo® und dem Auftreten der Leberschäden hergestellt werden kann (Teschke 2012 a, b). Dieser Kausalzusammenhang kann auch nicht aus der Altersbeschränkung für Kinder ab 1 Jahr bzw. aus der Empfehlung, einen Arzt aufzusuchen, für Kinder bis sechs Jahren abgeleitet werden. Zum einen waren Kinder unter einem Jahr gar nicht in die Studien eingeschlossen – deswegen liegen auch keine Daten vor, die eine Zulassung rechtfertigen. Zum anderen muss bei Kindern unter sechs Jahren immer die Empfehlung gegeben werden, einen Arzt aufzusuchen, um eine ernsthafte Erkrankung auszuschließen.

Aus der Tatsache, dass das BfArM die Zulassung für den Kindersaft erteilt und die europäische Behörde eine traditionelle Monographie verabschiedet hat, lässt sich ablesen, dass auch die Zulassungs- und Überwachungsbehörden kein Sicherheitsrisiko in Umckaloabo® sehen.

Zwischen der Einnahme von Umckaloabo® und dem Auftreten von Leberschäden besteht kein Kausalzusammenhang.

Die Behauptung, dass für die ätherischen Öle des Eukalyptus keine ausreichenden Daten für eine Anwendung bei Personen unter 18 Jahren vorlägen sowie dass diese ätherischen Öle einen Stimmritzenkrampf bei Kleinkindern unter zwei Jahren hervorriefen, ist in dieser Pauschalität falsch:

Tatsächlich können reine ätherische Öle in hoher Dosierung bei Kleinstkindern einen Laryngospasmus auslösen; hauptverantwortlich sind hier jedoch in erster Linie Menthol und Campher. Bei der Herstellung von Fertigarzneimitteln für Kinder wird jedoch darauf geachtet, dass diese beiden Inhaltsstoffe nicht enthalten sind. So umfasst das Pinimenthol® - Sortiment neun Produkte, davon sind drei speziell für Kinder ab zwei Jahren entwickelt worden. Sie sind besonders mild, enthalten weder Menthol noch Campher und beinhalten keine Konservierungsstoffe. Auch hier ist die Anwendung bei Kindern durch das BfArM bestätigt worden.

Zudem enthalten Zubereitungen, wie z.B. Salben, Cremes oder Inhalationsmittel, genaue Dosierungs- und Anwendungshinweise, die eine gefahrlose Anwendung auch bei Kindern und Jugendlichen ermöglichen; die gute Verträglichkeit wird durch eine Anwendungsbeobachtung mit Pinimenthol® -Salbe bei Personen ab zwölf Jahren untermauert (Kamin & Kieser, 2007).

Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG; Ettlingen

 

Literatur:

Kamin W, Kieser M. Pinimenthol ointment in patients suffering from upper respiratory tract infections - a post-marketing observational study. Phytomedicine. 2007 Dec; 14(12): 787–91.

Kamin W et al. Efficacy and tolerability of EPs 7630 in patients (aged 6–18 years old) with acute bronchitis. Acta Paediatr. 2010 Apr; 99(4): 537–43

Matthys H et al. Efficacy and tolerability of EPs 7630 tablets in patients with acute bronchitis: a randomised, double-blind, placebo-controlled dose-finding study with a herbal drug preparation from Pelargonium sidoides. Curr Med Res Opin. 2010 Jun; 26(6): 1413–22.

Matthys H, Kamin W. Positioning of the Bronchitis Severity Score (BSS) for standardised use in clinical studies. Curr Med Res Opin. 2013 Oct; 29(10): 1383–90

Teschke R et al. (a) Spontaneous reports of primarily suspected herbal hepatotoxicity by Pelargonium sidoides: Was causality adequately ascertained? Regul Toxicol Pharmacol. 2012 Jun; 63(1): 1–9

Teschke R et al. (b) Initially purported hepatotoxicity by Pelargonium sidoides: the dilemma of pharmacovigilance and proposals for improvement. Annals of Hepatology 2012; 11(4): 500–512

Timmer A et al. Pelargonium sidoides extract for treating acute respiratory tract infections. Cochrane Database Syst Rev. 2013 Oct 22; 10: CD006323.

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