Im Fokus

Umckaloabo® mit lebertoxischem Potenzial?

Diskussion um Wirksamkeit und Lebertoxizität von Pelargonium-Extrakten

"Potenziell leberschädigend bei unbewiesener Wirksamkeit", so stuft das "arznei-telegramm" das pflanzliche Arzneimittel Umckaloabo® mit der Indikation akute Bronchitis in seiner aktuellen Ausgabe ein. Diesen Vorwurf will der Hersteller des Pelargonium-sidoides-Wurzelextraktes, Spitzner-Arzneimittel, nicht auf sich sitzen lassen. Im Gespräch mit der DAZ erklärt Dr. Traugott Ullrich, Geschäftsführer des Unternehmens, warum. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung und wird vor dem Hintergrund aktueller Bewertungen in Kürze Stellung beziehen.

Das "arznei-telegramm" nimmt in seiner aktuellen Ausgabe (Juli 2011, S. 63) einen dem Netzwerk der gegenseitigen Informationen gemeldeten Fallbericht zum Anlass, vor Leberschäden unter Umckaloabo® zu warnen.

Der Fall und ...

Eine 30-jährige Patientin soll wegen eines Infektes neben anderen Medikamenten auch vier Tage lang den Pelargonium-Extrakt eingenommen haben, einen Tag nach Therapieende sei es zur Gelbfärbung der Haut und Dunkelfärbung des Urins gekommen. Bei einem anschließenden stationären Aufenthalt seien erhöhte Bilirubin- und Leberenzymwerte (SGOT- und SPGT-Werte) gemessen worden, ein serologischer Hinweis für eine Hepatitis A, B oder C habe nicht vorgelegen. Für den behandelnden Arzt soll ein Zusammenhang mit der Umckaloabo®-Einnahme höchstwahrscheinlich gewesen sein.

… die Begleitmedikation

Als Reaktion auf diese Veröffentlichung hat Spitzner in einer Stellungnahme vom 13. Juli 2011 den Fall der 30-jährigen Frau näher vorgestellt (s. Kasten) und kritisiert, dass dem Leser wesentliche Informationen zur Begleitmedikation vorenthalten werden. Nach Darstellung Spitzners habe die Patientin im selben zeitlichen Kontext folgende Medikamente mit bekanntem hepatotoxischen Potenzial eingenommen: Ibuprofen 800 mg, Methyldopa, Pantoprazol und Enalapril. Darüber hinaus wurden weitere Präparate wie Locabiosol® S, Sinupret® forte und Nasenspray AL 0,1% angewendet. Für Spitzner ist vor diesem Hintergrund vollkommen unklar, auf welcher rationalen Basis der berichtende Arzt zu seiner Einschätzung kommt, dass trotz mehrerer eingenommener Wirkstoffe mit bekannter Hepatotoxizität die Leberwerterhöhung auf Umckaloabo® zurückzuführen sei, zumal die Einnahme der potenziell hepatotoxischen Begleitmedikation zeitlich mit dem Auftreten des Ereignisses korreliert.

Stellungnahme von Spitzner Arzneimittel


Als Reaktion auf die Berichterstattung des aktuellen "arznei-telegramm" zu Umckaloabo® hat sich Spitzner Arzneimittel mit folgender Stellungnahme am 13. Juli 2011 an die Apothekerinnen und Apotheker gewandt:

"Wie Sie vermutlich wahrgenommen haben, werden im aktuellen "arznei-telegramm" (2011; 42: 36) erneut die Sicherheit und Wirksamkeit von Umckaloabo® in Frage gestellt. Als Hersteller dieses zugelassenen Arzneimittels möchten wir auf der Basis der bestehenden Datenlage zu Umckaloabo® zu dieser Berichterstattung folgendermaßen Stellung nehmen:

Bei dem dargestellten Fall einer 30-jährigen Frau, die in zeitlichem Zusammenhang mit der viertägigen Einnahme von Umckaloabo® erhöhte Leberwerte entwickelte, wird den Lesern des "arznei-telegramm" die wesentliche Information vorenthalten, dass die Patientin gleichzeitig mehrere andere Medikamente mit bekannt hepatotoxischem Potenzial (Ibuprofen 800 mg, Methyldopa, Pantoprazol, Enalapril) einnahm.

Über die Dosierung der letzteren sowie die Einnahmedauer schweigt sich die Dokumentation im sog "Netzwerk" des "arznei-telegramm" aus. Weiterhin bleibt im Artikel unerwähnt, dass die Patientin gleichzeitig weitere Präparate wie Sinupret® forte, Locabiosol® S und Nasenspray AL 0,1% einnahm. Auch das bekanntermaßen potenziell hepatotoxische Enalapril ist weder im Artikel noch im "Netzwerk" aufgeführt.

Auf welcher rationalen Basis der berichtende Arzt im "Netzwerk" zu seiner Einschätzung kommt, dass trotz mehrerer eingenommener Wirkstoffe mit seit langer Zeit bekannt hepatotoxischem Potenzial die Leberwerterhöhung auf die Einnahme von Umckaloabo® zurückzuführen wäre, bleibt völlig unklar, zumal die Einnahme der potenziell hepatotoxischen Begleitmedikation zeitlich mit dem Auftreten des Ereignisses korreliert.

Darüber hinaus weisen wir an dieser Stelle daraufhin, dass es sich bei Umckaloabo® mit dem Wirkstoff EPs® 7630 um ein zugelassenes Arzneimittel nach dem AMG handelt, das im Rahmen des Zulassungsverfahrens gemäß den gültigen Regularien des AMG umfassend toxikologisch und sicherheitspharmakologisch untersucht wurde.

Diese Untersuchungen, die dem BfArM im Rahmen des Zulassungsdossiers vorgelegt wurden, belegen unzweifelhaft, dass Umckaloabo® mit einem mehrere hundertfachen Sicherheitsabstand unbedenklich ist.

Die Verträglichkeit bei nahezu 10.000 Erwachsenen und Kindern ab 1 Jahr in unserem klinischen Studienprogramm (darunter auch die jeweils 3 aktuellsten placebokontrollierte Studien bei Kindern ab 1 Jahr [2,3,4] und bei Erwachsenen [5,6,7]) in der zugelassenen Indikation, die den krankheitsspezifischen und von international renommierten Zulassungsbehörden anerkannten Bronchitis-Symptom-Score als primäres Zielkriterium hatten, wurde kürzlich von Matthys analysiert und publiziert [8]. Diese Analyse zeigte eine konstant gute Verträglichkeit in allen Altersgruppen. Kein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis trat auf. Darüber hinaus zeigte sich in den genannten Studien bereits nach 3 bis 5 Tagen der Anwendung eine klinisch relevante und statistisch signifikante Überlegenheit von Umckaloabo® im Vergleich zu Placebo. Dieses spiegelt sich u. a. in der beobachteten Verkürzung der Krankheitsdauer um 2 Tage bei Erwachsenen und Kindern wieder. Kein anderes pflanzliches Präparat ist bei Kindern und Jugendlichen derart umfänglich klinisch untersucht worden.

Die gute Verträglichkeit wird auch durch die Daten aus dem Spontanmeldesystem unserer Pharmakovigilanz bestätigt, wonach von 1994 bis 2009 weltweit 514 Millionen Tagesdosen (DDD) (entsprechend mehr als 50 Millionen Anwendern) Umckaloabo® vertrieben wurden und lediglich 1 von 175.000 Patienten bei einer durchschnittlichen Einnahmedauer von 10 Tagen eine Nebenwirkung erfährt.

Im Einzelnen stellen sich die Häufigkeiten wie folgt dar:

  • Überempfindlichkeit: 1 von 365.000 Patienten
  • Gastrointestinale Beschwerden: 1 von 833.000 Patienten
  • Nasen-/Zahnfleischbluten: 1 von 1.786.000 Patienten
  • Leberaffektionen: 1 von 7.353.000 Patienten

Überdies bestätigt die Zulassungserteilung für die Umckaloabo®-Lösung (im Nachzulassungsverfahren 2005) sowie die 2009 erteilte Neuzulassung für die Umckaloabo®-Tabletten die positive Beurteilung der vorliegenden klinischen Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des Präparates in der Behandlung der akuten Bronchitis bei Erwachsenen und Kindern ab 1 Jahr durch die deutsche Zulassungsbehörde.


Literatur

[1] Koch E: Interne Forschungsberichte zu EPs® 7630, Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel, Präklinische Forschung. Data on file

[2] Kamin W, et al.: Efficacy and tolerability of EPs 7630 in children and adolescents with acute bronchitis. A randomized, double-blind, placebo-controlled multicenter trial with a herbal drug preparation from Pelargonium sidoides roots. Int. J. Clin. Pharmacol. Ther. 2010; 48 (3): 184– 191

[3] Kamin W, et al.: Efficacy and tolerability of EPs 7630 in patients (aged 6-18 years old) with acute bronchitis. A randomized, doubel-blind, placebo-controlled clinical dose-finding study. Acta Paediatr. 2010; 99 (4): 537– 543

[4] Kamin W, et al.: Treatment of acute bronchitis with EPs 7630; a randomized, controlled trial in children and adolescents. Submitted for publication

[5] Chuchalin AG, et al.: Treatment of acute bronchitis in adults with a Pelargonium sidoides preparation (EPs® 7630): A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Explore 2005; 1 (6): 437– 445.

[6] Matthys H, Heger M: Treatment of acute bronchitis with a liquid herbal drug preparation from Pelargonium sidoides (EPs 7630): a randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre study. Curr. Med. Res. Opin. 2007; 23 (2): 323– 331.

[7] Matthys H, et al.: Efficacy and tolerability of EPs 7630 tablets in patients with acute bronchitis: a randomised, double-blind, placebo-controlled dose-finding study with a herbal drug preparation from Pelargonium sidoides. Curr. Med. Res. Opin. 2010; 26 (6): 1413– 1422

[8] Matthys H, Köhler S: Safety and tolerability of EPs® 7630 (Umckaloabo®). Planta Med. 2010; 76 (12): 1185– 1185

Dr. med. Thomas Weber, Leitung Medizinische Wissenschaften Spitzner Arzneimittel, Dr. med. vet. Egon Koch, Leitung Präklinische Forschung, Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel, Dr. med. Stephan Köhler, Leitung Klinische Forschung und Arzneimittelsicherheit, Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel


Auf diese Stellungnahme reagierte das "arznei-telegramm" am 15. Juli 2011 umgehend mit einem "Blitz-arznei-telegramm". Die Komedikation sei spätestens mit Beginn der Umckaloabo®-Behandlung mit Ausnahme von Methyldopa abgesetzt worden. Methyldopa sei bei Auftreten des Ikterus schon vier Wochen eingenommen und zudem bei vorheriger Anwendung über 12 Monate gut vertragen worden.

Dr. Traugott Ullrich, Ettlingen

DAZ: Herr Dr. Ullrich, die Darstellung des Falls der 30-jährigen Patientin ist höchst widersprüchlich. Ihrer Stellungnahme ist zu entnehmen, dass Ihnen entsprechende Daten zu der Patientin vorliegen. Wurden tatsächlich alle Medikamente bis auf Methyldopa vor der Einnahme von Umckaloabo abgesetzt?

Ullrich: Der Fall ist uns bekannt. Bei exakter Sichtung der vorliegenden Informationen lässt sich folgendes bzgl. der Einnahme der anderen Medikamente sagen: Sowohl Ibuprofen als auch Pantoprazol wurden wenige Tage (zwischen 4 und 6 Tage) vor Feststellung der erhöhten Leberwerte noch eingenommen. Faktisch kommen damit beide Medikamente als Auslöser der Leberaffektionen sehr wohl in Frage. Methyldopa wurde weiterhin eingenommen und kommt gemäß obiger Definition ebenfalls als schädigendes Agens in Betracht, gerade vor dem Hintergrund, dass es bereits seit einem Monat vor der Feststellung der erhöhten Leberwerte eingenommen wurde. Weiterhin gibt es keinerlei Hinweise dafür, dass Enalapril (NW: Leberversagen, Hepatitis, Cholestase einschl. Ikterus) vor Eintreten des Ereignisses abgesetzt wurde. Es wäre auch kaum nachvollziehbar, warum die Patientin wegen eines bestehenden Atemwegsinfektes ihre blutdrucksenkende Dauermedikation absetzen sollte.


DAZ: Ihrer Darstellung zufolge wurden weitere Arzneimittel zur Bekämpfung der Erkältung eingenommen, von denen weder in dem Netzwerkbericht des "arznei-telegramm" noch im "Blitz-arznei-telegramm" die Rede ist; wurden diese Medikamente mit Einnahme von Umckaloabo® tatsächlich abgesetzt?

Ullrich: Aus dem uns vorliegenden Bericht lässt sich entnehmen, dass die Patientin außerdem noch Sinupret® forte; Locabiosol® S und Nasenspray AL 0,1% 4 – 6 Tage vor dem Ereignis einnahm. Mit dem Beginn der Behandlung mit Umckaloabo® wurden sie tatsächlich abgesetzt. Warum diese Arzneimittel bei der ansonsten sehr detaillierten Kommentierung des "arznei-telegramm" überhaupt keine Erwähnung finden, entzieht sich meiner Kenntnis.


DAZ: Angenommen, alle potenziell hepatotoxischen Medikamente wurden spätestens bis zum Tag der Einnahme von Umckaloabo® abgesetzt, kommen sie dann nicht mehr als Auslöser für Leberschäden in Frage?

Ullrich: Das ist ein entscheidender Punkt. Aus der Literatur wissen wir, dass in der Regel zwischen der Einnahme eines Arzneimittels und einer möglichen Leberschädigung mindestens fünf bis 90 Tage liegen. Das bedeutet, dass durch ein bestimmtes Arzneimittel induzierte Leberschäden auch noch Wochen bis Monate nach Absetzen sichtbar werden können. Somit haben wir in diesem Fall gleich mehrere Kandidaten, die die erhöhten Leberwerte verursacht haben könnten. Interessanterweise kommt nach den Untersuchungen von Schentke, die auch durch eine neuere Publikation von Teschke (Z Gastroenterologie 2002; 40:305– 326) bestätigt werden, Umckaloabo® kaum als Auslöser der Leberwerterhöhung bei dieser Patientin in Frage, weil die Latenz zwischen der Einnahme von Umckaloabo® und dem Auftreten des Ereignisses weniger als 5 Tage betrug.


DAZ: In Ihrer Stellungnahme verweisen Sie auf Daten Ihrer Pharmakovigilanzabteilung, nach der mit Leberaffektionen bei 1 von 7.353.000 Patienten unter der Annahme einer zehntägigen Anwendungsdauer zu rechnen ist. Laut "arznei-telegramm" sind solche Hochrechnungen "irreführend und unzulässig" - insbesondere wegen der beträchtlichen Dunkelziffer an nicht gemeldeten Ereignissen. Zudem sei die berechnete Inzidenz bei mittlerweile 20 dem BfArM bekannten Fällen nicht korrekt. Zudem irritiert das "arznei-telegramm" die Häufigkeitsangabe in der Fachinformation, nach der gelegentlich (0,1 bis 1% der Behandelten) Transaminasenanstiege beobachtet wurden, das seien bei 51,4 Millionen Behandelten 50.000 bis 500.000 Transaminasenanstiege als Indiz für eine Leberschädigung …

Ullrich: Auch bei dieser Aussage lohnt es sich Behauptungen mit der Realität abzugleichen.Wenn diese Berechnung eine arithmetische Grundlage hätte, müssten auf der Basis des vom "arznei-telegramm" angegebenen 20fachen Underreportings dem BfArM zu Umckaloabo mindestens 2500 Fälle aus dem Spontanmeldesystem vorliegen. Das "arznei-telegramm" gibt aber selbst an, dass nur 20 Fälle vorliegen. Auf der Grundlage dieser bekannten Fälle aus dem Spontanmeldesystem Häufigkeiten zu berechnen, mit denen bestimmte Nebenwirkungen auftreten, ist selbstverständlich zulässig Dass sich im Beipackzettel andere Werte zu diesen Häufigkeiten finden, ist hierzu kein Widerspruch, wenn man weiß, dass diese Häufigkeiten gemäß der europäischen Richtlinie zur Gestaltung von Fachinformationen besser auf der Basis der in klinischen Studien festgestellten Fälle zu berechnen sind. Aus dem Verhältnis der in klinischen Prüfungen untersuchten Patienten und der Anzahl an Fällen berechnet sich klar die Angabe zur Häufigkeit. Die unter Placebo aufgetretenen Fälle lagen in der gleichen Größenordnung, was jedoch im Beipackzettel auf Basis der oben genannten Richtlinie unerwähnt bleiben muss. Um diese Angabe richtig einzustufen, muss man sich auch vor Augen halten, wie stark das "Grundrauschen" ist, also wie häufig erhöhte Leberenzymwerte in Zufallsstichproben einer Bevölkerung vorkommen. In großen US-amerikanischen Studien liegen diese Werte in einer Größenordnung von 7 bis 9%, in einer deutschen Studie sogar bei 11%. Häufigste Ursache war in diesen Studien bei der ganz überwiegenden Zahl der Untersuchten das Vorliegen eines metabolischen Syndroms. Das was wir in unseren Studien gesehen haben, ist mit 1 bis 10 Fällen pro 1000 Patienten weit unter dem Grundrauschen und damit nicht als Risikosignal für eine Leberschädigung zu sehen.


DAZ: Lassen Sie uns nochmals auf die 20 dem BfArM laut "arznei-telegramm" vorliegenden Fälle zu sprechen kommen. Sind Ihnen diese BfArM-Meldungen bekannt? Wie werden sie eingestuft?

Ullrich: Ja, diese Fälle sind uns bekannt. Alle diese Fälle wurden von uns im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zur Arzneimittelsicherheit zeitnah nachrecherchiert sowie ordnungsgemäß klassifiziert und bei Vorliegen von Schwerwiegendheit zur Meldung gebracht. Einige Fälle konnten aufgrund völlig unzureichender Informationen nur als "nicht beurteilbar" klassifiziert werden. Für die Mehrzahl der Fälle lagen ausreichende und plausible Daten zu potenziell hepatotoxischer Begleitmedikation, vorliegenden Risikofaktoren und/oder Begleiterkrankungen vor, welche zu einer Beurteilung des Kausalzusammenhangs mit der Einnahme von Umckaloabo® als "unwahrscheinlich" führte. Es gibt keinen einzigen "wahrscheinlichen" oder "gesicherten" Fall erhöhter Leberwerte als Folge einer Therapie mit Umckaloabo®.


DAZ: Auch das "arznei-telegramm" räumt ein, dass sich eine Kausalität anhand von Spontanmeldungen nicht klären lässt, aber viele Verdachtsmeldungen würden ein Risikosignal erzeugen. Zusammen mit einem fehlenden Wirksamkeitsbeweis raten die "arznei-telegramm"-Autoren von der Anwendung ab. Umckaloabo® hat jedoch eine Zulassung als pflanzliches Arzneimittel. War dazu tatsächlich kein Wirksamkeitsnachweis notwendig?

Ullrich: Selbstverständlich mussten wir im Rahmen der Arzneimittelzulassung einen Wirksamkeitsnachweis erbringen. Dabei sind die Hürden für den Wirksamkeitsnachweis eines pflanzlichen Arzneimittels genau so hoch wie für die Zulassung von jedem anderen Arzneimittel. Lediglich im Hinblick auf pharmakokinetische Daten sind die Anforderungen bei pflanzlichen Arzneimitteln anders, da bei Vielstoffgemischen, die pflanzliche Extrakte ja natürlicherweise sind, nicht von der Höhe des Plasmaspiegels eines Inhaltsstoffs auf die Wirkung des ganzen Extrakts geschlossen werden kann.


DAZ: Das "arznei-telegramm" zitiert jedoch einen Entwurf eines Beurteilungsberichts der EMA, der die symptomatische Wirksamkeit eines Pelargonium-Extraktes bei akuten Atemwegsinfekten, also akuter Bronchitis, Sinusitis etc. als nicht angemessen belegt einstuft …

Ullrich: Im zitierten Entwurf des zuständigen EMA-Gremiums, der als Grundlage für die Erstellung einer Monographie zu Pelargonium sidoides dienen soll, wird die Beweiskraft der vorliegenden Studien bei der akuten Bronchitis hinterfragt. Hervorgehoben wird dabei im Detail, dass der in unseren klinischen Studien verwendete Score zur Beurteilung der akuten Bronchitis nicht validiert ist. Das ist jedoch die Crux sämtlicher klinischen Studien – unabhängig vom geprüften Wirkstoff – bei dieser Indikation. Denn für die Indikation akute Bronchitis gibt es keine so genannten harten Kriterien wie beispielsweise Laborwerte oder Röntgenbefunde. Man ist hier ganz klassisch auf die immerhin quantifizierbare Beurteilung der Symptome durch den behandelnden Arzt, und zwar in Form von klinischen Symptomenscores, angewiesen. Damit wird es, egal für welches Arzneimittel, bei der Indikation akute Bronchitis schwerlich einen vordergründig objektivierbaren Wirksamkeitsbeleg geben. Genau dies ist aber für die Zulassungsbehörden nicht neu, weshalb die nicht validierten Scores, die sich aus krankheitstypischen klinisch relevanten Symptomen zusammensetzen, akzeptiert werden. Auch in einem Cochrane Review wurde wegen dieser methodischen Besonderheit nicht die Evidenz des Produktes in Frage gestellt. Interessant finde ich, dass das "arznei-telegramm" eine weitere Schlussfolgerung in diesem EMA-Report nicht zitiert, nämlich, dass sich der Extrakt durch eine gute Verträglichkeit und damit ein positives Nutzen/Risikoverhältnis qualifiziert. Das gilt auch für Leberwerterhöhungen, die deshalb in der Monographie als Nebenwirkungen gar nicht angeführt werden.


DAZ: Nun heißt es in dem EMA-Entwurf, dass man vor dem Hintergrund, dass eine akute Bronchitis ärztlich diagnostiziert und überwacht werden muss, lediglich die Indikation "common cold", also Erkältung, für angemessen hält. Zugelassen ist Umckaloabo jedoch bei akuter Bronchitis. Wie bewerten Sie diese Schlussfolgerung?

Ullrich: Aus ärztlicher Sicht ist eine akute Bronchitis alles andere als eine lebensbedrohliche Erkrankung. Völlig zu Recht behandeln deshalb Millionen Betroffener in Deutschland (und sicher auch in Europa) diese akuten Atemwegsinfekte mit Hilfe der Beratung in der Apotheke selbst. Die sehr kompetente deutsche Zulassungsbehörde sieht das offensichtlich auch so und hat auf der Basis der vorliegenden Daten den Umckaloabo®-Extrakt EPs 7630 als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel zur Behandlung der akuten Bronchitis zugelassen. Und diese positive Einschätzung wird erneut durch die aktuelle Zulassung einer weiteren Darreichungsform bestätigt, den "Umckaloabo®-Saft für Kinder", den wir im August im deutschen Markt einführen werden.


DAZ: Herr Dr. Ullrich, wir danken Ihnen für das Gespräch!


Dr. Traugott Ullrich, Geschäftsführer Spitzner Arzneimittel, Postfach 763, 76261 Ettlingen


Interview: Dr. Doris Uhl, Stuttgart



DAZ 2011, Nr. 29, S. 52

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