DAZ aktuell

Schlagabtausch zum ANSG im Deutschen Bundestag

BERLIN (jz). In der ersten Bundestagsdebatte zum Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz (ANSG) am Morgen des 19. April war zu spüren, dass der Wahlkampf bereits begonnen hat: Anders als SPD und Grüne stehe die christlich-liberale Koalition zur inhabergeführten Apotheke und sei auch weiterhin für den Erhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbotes, betonte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Das ANSG sei insoweit eine finanzielle Anerkennung der apothekerlichen Gemeinwohlpflichten. Karl Lauterbach (SPD) warf Bahr wiederum bloße Wahlkampftaktik vor. Auch die übrigen Abgeordneten sparten nicht mit Spitzen – und kritisierten den Gesetzentwurf trotz grundsätzlicher Zustimmung auch inhaltlich.

"Wir wissen, dass die Apotheken in der Fläche viel häufiger einen Notdienst machen müssen", erklärte Bahr. Doch gerade sie könnten dies nicht kostendeckend tun, weil sie nicht so häufig aufgesucht würden. Wer eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung und die Landapotheke vor Ort wolle, der müsse auch einen finanziellen Beitrag leisten. Die Koalition sei sich dessen bewusst, "deshalb wollen wir mit dem Apothekennotdienstgesetz eine Anerkennung dieser Gemeinwohlpflicht der Apotheker", so Bahr. Und weil Apotheker darüber hinaus unabhängig beraten sollten, "sind wir auch weiterhin für den Erhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbotes". SPD und Grüne dagegen seien für die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots, das sei Beschlusslage bei beiden Parteien. "Sie wollen Apothekenketten!"

Wahlkampfverbeugung vor Apothekern

Dem widersprach Lauterbach und bezeichnete die Aussage des Bundesgesundheitsministers in Richtung Fremd- und Mehrbesitzverbot als "unwahre, aber auch völlig überflüssige Wahlkampfverbeugung vor den Apothekern" – darum gehe es nicht und es sei zudem falsch. In Bezug auf das ANSG kritisierte er, dass durch das geplante Präventionsgesetz 180 Mio. Euro für 70 Mio. GKV-Versicherte in die Hand genommen würden und für die Notdienste von etwa 10.000 Landapothekern 100 Mio. Euro. "Somit sind Ihnen die 10.000 Apotheker ungefähr genauso viel wert wie die 70 Millionen Versicherten", sagte er in Richtung Bahr. Das sei "die Wahlkampfaktion", um die es ihm in Wirklichkeit gehe. In Bezug auf das ANSG ruderte er dann jedoch zurück: Die SPD gönne den Apothekern die Zuschläge.

Weder sachgerecht noch ausreichend

Trotz der grundsätzlichen Zustimmung erklärte seine Parteikollegin Marlies Volkmer das ANSG zum "Murks". Die SPD habe immer gesagt, dass die Finanzierung des Notdienstes weder sachgerecht noch gerecht sei – doch an der Ungerechtigkeit, dass die Vergütung an die Inanspruchnahme gebunden sei, ändere sich mit dem ANSG nichts. Die zusätzlich geplante Pauschale sei wiederum keine sachgerechte Finanzierung, sondern eine "kleine Anerkennungsprämie". Zudem seien Aufwand und Kosten für die Umsetzung dieser Pauschale zu hoch. Wie bereits der Nationale Normenkontrollrat in seiner Stellungnahme angemerkt habe, habe Bahr es insbesondere versäumt, ein steuerfinanziertes Zuschussmodell zu prüfen. Volkmer äußerte auch "begründete Zweifel", ob der Deutsche Apothekerverband "die richtige Instanz zum Managen des Fonds" sei. Mindestens eine neue Stelle müsse zudem im Bundesgesundheitsministerium geschaffen werden, um dessen Arbeit zu überwachen.

Letztlich ist das ANSG aus Sicht der Sozialdemokratin nicht ausreichend. Neben dem Notdienst müssten zur Sicherung der Apotheken auch viele andere Leistungen, "die allein von öffentlichen Apotheken erbracht werden", genauer unter die Lupe genommen werden, fordert sie – beispielsweise die Abgabe von Betäubungsmitteln und der Aufwand für die Zubereitung von Rezepturen. "Das wird viel zu schlecht bezahlt und hier muss es auch Veränderungen geben." Grundsätzlich stelle sie aber "mit Freude" fest, wie viel Angst Bahr davor habe, dass die SPD bei den Apothekern viel Boden gewinne, während dieser viel Boden verliere – "aus diesem Grunde machen Sie hier wirklich billigste Wahlkampfrhetorik", so Volkmer. Im SPD-Regierungsprogramm stehe im Übrigen kein Wort vom Fremd- oder Mehrbesitz.

Zu bürokratisch und kompliziert

Die Linke begrüße, dass die bessere Finanzierung von Notdiensten endlich angegangen werde, betonte Martina Bunge. Sie leiste einen Beitrag zur Sicherung der medizinischen Versorgung durch Apotheken, vor allem in den ländlichen Regionen. Allerdings lasse der Gesetzentwurf Teildienste außer Acht und das Verfahren sei ein "bürokratisches kompliziertes Monstrum". "Wieso müssen von jedem Medikament mühsam von jedem Apotheker 16 Cent in einen Topf abgeführt werden, um so 120 Millionen für die Vergütung des Notdienstes zusammenzusammeln?" Letztlich zahlten sowieso die Gesetzlichen und Privaten Krankenkassen die 16 Cent, daher sollten diese sie Bunge zufolge direkt "in den Topf abführen".

Belastungen bleiben gleich

Noch harscher äußerte sich Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen): Im ANSG werde "gar nichts" sichergestellt – und der bürokratische Aufwand sei zu hoch. "Überzeugende Reformvorschläge sehen anders aus", sagte sie. Zwar seien den Apothekern die zusätzlichen 120 Millionen Euro gegönnt – aber die Belastung für die Apotheken und die Wege für die Patienten blieben gleich. Sie forderte, die Strukturen im Notdienst zu verbessern und die historisch gewachsenen Notdienstbezirke neu zuzuschneiden – um Apotheker zu entlasten und die Versorgung zu verbessern. Doch den Bundesgesundheitsminister interessiere das leider nicht, so Bender. Er wolle vor der Wahl nur "Ruhe an der Apothekerfront". "Aber ich sage Ihnen, die Apotheker und Apothekerinnen an der Basis werden weiterhin unzufrieden sein, auch wenn sie das Geld begrüßen."


Bender zitiert DAZ-Editorial zur Leitbild-Diskussion


Nur selten fließen Beiträge aus Fachzeitschriften in Debatten des Deutschen Bundestages ein – anders bei der ersten Beratung der Notdienstpauschale: Im Rahmen der ersten Lesung zum ANSG griff Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) einen Kommentar aus der DAZ auf und lobte die aktuelle Diskussion in der Apothekerschaft über ein neues Leitbild des Berufsstandes. "Gut, dass es innerhalb der Apothekerschaft eine neue Diskussion um ein Leitbild gibt, für das, was der und die Apothekerin in Zukunft sein soll." "In einem Kommentar in der Deutschen Apotheker Zeitung heißt es, es stehe ein Umbruch bevor, hin zu anderen Dienstleistungen, der ähnlich tiefgreifend sein werde, wie der Wandel vom Hersteller zum Verkäufer von Arzneimitteln", sagte Bender. Nicht mehr das Arzneimittel, sondern die Patienten und Patientinnen sollten im Mittelpunkt stehen. "Das können wir als Grüne nur unterstützen." In diesem Zusammenhang wies Bender außerdem darauf hin, dass eine solche Hinwendung zu mehr Patientenorientierung im Übrigen auch mehr Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen bedeuten würde. "Ich hoffe daher sehr, dass auch Ärztinnen und Ärzte sich solchen Kooperationen – ich sage das Stichwort Medikamentenmanagement – öffnen werden." Auch das werde man unterstützen.

Gleiche Verhältnisse in Stadt und Land

Für die ländlichen Regionen brauche es gute Verkehrsanbindungen und eine schnelle Internetverbindung, erklärte Johannes Singhammer (CSU). Wenn aber die Gesundheitsversorgung von Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken nicht mehr gewährleistet sei, "werden alle anderen Infrastrukturmaßnahmen nichts nutzen, weil die Attraktivität der ländlichen Regionen abnehmen wird", prophezeite er. Zur Erhaltung der Versorgungsstruktur müsse insoweit ganz gezielt Geld eingesetzt werden – "weil wir sagen: wir wollen gleiche Verhältnisse in Stadt und Land". Jens Spahn (CDU) betonte, eine flächendeckende und gute Versorgung der Menschen sei nur mit Apothekern und den anderen im Gesundheitswesen Tätigen möglich. Während die SPD versuche, Gegensätze zwischen Patienten, Ärzten und Apothekern aufzubauen, strebe die Koalition die Zusammenarbeit aller an. "Die Menschen vertrauen ja zurecht ihrem […] Apotheker […] und demjenigen, der sie behandelt, und deswegen wollen wir gerade die im ländlichen Raum stärken."

So geht es weiter

Im Anschluss an die erste Lesung im Bundestag wurde der Gesetzentwurf zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen: den Finanzausschuss, den Wirtschaftsausschuss und federführend an den Gesundheitsausschuss. Läuft alles nach Plan und erhebt der Bundesrat nicht zu viele Einwände und Änderungsanträge, soll die abschließende 2. und 3. Lesung des ANSG in der ersten oder zweiten Juni-Woche erfolgen. Der Bundesrat soll dem Gesetz dann am 5. Juli zustimmen, damit der Bundespräsident es noch vor der Sommerpause unterschreiben kann. Dann könnte das ANSG noch im Juli nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten.


Bundesrat-Ausschüsse empfehlen Zustimmung zu ANSG


(jz). Gesundheits-, Finanz- und Wirtschaftsausschuss im Bundesrat haben sich grundsätzlich für das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz ausgesprochen. In ihrer Stellungnahme vom 19. April empfehlen die beiden letzteren Ausschüsse dem Bundesrat, keine Einwendungen gegen den Gesetzentwurf zu erheben. Der federführende Gesundheitsausschuss bemängelt allerdings, dass die vorgeschlagenen Regelungen zur Finanzierung und Verwaltung des Fonds und zur Verteilung der verbleibenden Fondsmittel an die Notdienstapotheken "zu erheblichen unnötigen Bürokratiekosten führen". Er bittet daher darum, im weiteren Gesetzgebungsverfahren Alternativen zu entwickeln – und zwar zur Verwaltung des Fonds durch einen eingetragenen Verein und zur fehlenden Beteiligung ausländischer Versandapotheken an der Finanzierung. Weil die mit dem Gesetzesvorhaben zur Verfügung gestellten zusätzlichen Mittel für den Apothekennotdienst "auch zeitnah die Apotheken vor Ort erreichen" sollen, soll die Bundesregierung außerdem zwölf Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes über die gemachten Erfahrungen mit der Umsetzung berichten.

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