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Öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss zum ANSG – Kritik an Bürokratie

BERLIN (lk). Am 13. Mai startet im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages die heiße Phase der Parlamentsberatung des Apothekennotdienstsicherstellungsgesetzes (ANSG). In einer öffentlichen Anhörung können alle relevanten Verbände zum ANSG Stellung nehmen. Danach entscheidet der Gesundheitsausschuss über mögliche Änderungsanträge für die abschließende Beratung im Bundestag. Im Folgenden finden Sie hier auszugsweise die bis Redaktionsschluss vorliegenden schriftlichen Stellungnahmen zur Anhörung.

Stellungnahme der ABDA

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände fordert für die Einführung der Notdienstpauschale eine Erhöhung des Apothekenhonorars um 17 Cent. Das ist ein Cent mehr als bisher von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen zugesagt. In der ABDA-Stellungnahme zur ANSG-Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages heißt es: "Um dem politischen Willen Genüge zu tragen, die notdienstleistenden Apotheken mit 120 Millionen Euro pro Jahr zu unterstützen, muss der Festzuschlag statt um 16 Cent um 17 Cent angehoben und an den Notdienstfonds weitergeleitet werden." Dies gelte umso mehr, als im Gesetzentwurf noch kein Ausgleich dafür vorgesehen sei, dass die Unterstützung des Notdienstes später als ursprünglich vorgesehen erst am 1. August 2013 beginnen soll. Die ABDA stützt sich mit ihrer Argumentation auf Zahlen von IMS Health. Laut aktueller Arzneimittelstatistik vom 11. April 2013 seien im Gesamtjahr 2012 704,981 Mio. verschreibungspflichtige Arzneimittelpackungen in öffentlichen Apotheken abgegeben worden. "Eine Erhöhung des Festzuschlags um 16 Cent zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes generiert somit ein Finanzvolumen von rund 113 Millionen Euro."

Eine Klarstellung wünscht die ABDA auch in Sachen Mehrwertsteuer: "Wir regen dringend an, diese steuerrechtliche Frage einer verbindlichen Klärung zuzuführen und – falls sich danach erweisen sollte, dass eine Doppelbesteuerung stattfindet – im Gesetz klarzustellen, dass die Auszahlung der Notdienstpauschale aus dem Fonds an die Apotheken gemäß § 20 (neu) ApoG als echter Zuschuss nicht umsatzsteuerpflichtig ist." Der Regierungsentwurf könne sonst steuerrechtlich unerwünschte Wirkungen entfalten, als er die Finanzmittel für die Notdienstpauschale möglicherweise unnötig der Doppelbesteuerung mit der Umsatzsteuer unterwerfe.

Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes

Der GKV-Spitzenverband lehnt in seiner Stellungnahme zum ANSG die Finanzierung der Notdienstpauschale über das Packungshonorar ab. Außerdem kritisieren die Kassen die Umsetzung des Fonds als zu bürokratisch und schlagen vor, den 16 Cent Honorarzuschlag beim Großhandel einzukassieren. Sofern der Gesetzgeber die Erbringung von Nacht- und Notdiensten finanziell unterstützen wolle, "steht diese erneute Maßnahme deshalb nicht in der primären Finanzverantwortung der GKV", so der GKV-Spitzenverband. Im Übrigen sei der nun anfallende bürokratische Aufwand bei der Bereitstellung der finanziellen Mittel der Nacht- und Notdienstpauschale erheblich. Darüber hinaus finanzierten die gesetzlichen Krankenkassen bereits heute über die sogenannte Noctu-Gebühr die Nacht- und Notdienste.

Grundsätzlich begrüßt der GKV-Spitzenverband jedoch die Intention des ANSG: "Der GKV-Spitzenverband befürwortet grundsätzlich die versorgungspolitische Intention des Gesetzgebers, die Arzneimittelversorgung auch in Regionen mit einer geringeren Bevölkerungsdichte sicherzustellen", so der Kassenverband. Gleichwohl liege der Sicherstellungsauftrag für Nacht- und Notdienste nicht bei der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern "fundamental bei den Apotheken selbst".

Der Einzug des erhöhten Festzuschlags bei Nicht-GKV-Versicherten sei "hoch bürokratisch", kritisiert der GKV-Spitzenverband. Daher rege der GKV-Spitzenverband an, "die finanziellen Mittel alternativ auf der Ebene des Großhandels zu erheben, um das Verfahren nachvollziehbarer und für alle Verfahrensbeteiligten akzeptabler zu gestalten".

Stellungnahme der EU-Versandapotheken

Die EU-Versandapotheken wollen sich "selbstverständlich" an der Finanzierung der neuen Notdienstpauschale beteiligen. Sie lehnen jedoch die mit dem ANSG dem Deutschen Apothekerverband (DAV) zukommenden Kontrollrechte aus völker- wie wettbewerbsrechtlichen Gründen ab. Notfalls wollen DocMorris und Co. dagegen klagen. Das geht aus der Stellungnahme der European Association of Mail Service Pharmacies (EAMSP) für die ANSG-Beratung hervor. "Die Teilnahme der Mitglieder der EAMSP an den sich aus dem ANSG ergebenden zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen ist ebenso selbstverständlich wie unsere bisher erbrachten Leistungen zum Nacht- und Notfalldienst", heißt es in der Stellungnahme. Allerdings hätten die EU-Versandapotheken "massive Bedenken" dagegen, die geschäftlichen Grundlagen unserer Mitglieder wegen der an den Fonds abzuführenden Beträge dem Deutschen Apothekerverband (DAV) im Wege einer Selbsterklärung offenzulegen: "Wir sehen darin, einen rechtswidrigen und wettbewerbsverzerrenden Eingriff in das unternehmerische Handeln unserer Mitgliedsunternehmen", so der EAMSP.

Würden die im ANSG vorgesehenen Kontrollrechte des DAV auf ausländische Versandapotheken übertragen, hieße das nichts anderes, als dass dem DAV das Recht eingeräumt werden solle, "Verwaltungsakte auf ausländischem Territorium zu vollstrecken". Der EAMSP hält die DAV-Rolle auch aus einem anderen Grund für problematisch. Wie vielfältige öffentliche Aussagen belegten, sehe der DAV den ausländischen Versandhandel als wirtschaftliche Konkurrenz zum eigenen Verband und seinen Mitgliedern an. Wirtschaftlicher und hoheitlicher Auftrag des DAV seien also im Falle ausländischer Versandapotheken "strukturell inkompatibel". Gegen hoheitliche Maßnahmen des DAV werden wir uns jedoch rechtlich zur Wehr setzen, zumindest solange, als der DAV nicht bereit ist, ausländische Versandapotheken als vollwertige Mitglieder zu akzeptieren.

Stellungnahme des BPI

Der BPI unterstützt ausdrücklich den Ansatz des Gesetzgebers, dass die Apotheker für ihre Leistung, also die Erbringung des Notdienstes, einen pauschalen Zuschuss erhalten sollen. Die Sicherung der Versorgung, insbesondere in den bevölkerungsarmen ländlichen Regionen in Deutschland, ist eine wichtige Aufgabe, heißt es in der BPI-Stellungnahme.

Der BPI möchte jedoch darauf hinweisen, dass bei der aktuellen Ausgestaltung des Zuschusses indirekt ein Einfluss auch auf die pharmazeutische Industrie entsteht. Die Erhöhung des Festzuschlags um 0,16 Euro, den die Apotheken bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel pro Packungseinheit erheben, verteuert den Apothekenverkaufspreis (AVP) aller Arzneimittel. Gleichzeitig erhöht dies auch die von der GKV zu tragende Umsatzsteuer.

Eine Erhöhung der Apothekenverkaufspreise wird in der öffentlichen Diskussion in der Regel den pharmazeutischen Unternehmern angelastet. Daher steht auf Grundlage des vorgeschlagenen Finanzierungsmodells zu befürchten, dass bei der allgemeinen GKV-Ausgabendiskussion von Arzneimitteln – wie schon bisher – nicht nach den Anteilen der jeweiligen Beteiligten und deren Aufgaben differenziert wird, sondern die pharmazeutische Industrie weiterhin pauschal für alle Ausgabensteigerungen verantwortlich gemacht wird.

Der BPI ist der Auffassung, dass die erforderlichen 120 Mio. Euro auch unabhängig vom Preis pro Verpackungseinheit und damit ohne Bezug zu bestimmten Umsätzen bzw. nicht aufgrund eines Leistungsaustauschverhältnisses transparent generiert werden könnten, beispielsweise indem die Krankenkassen je Versicherten direkt eine Nachtdienstpauschale in den Fonds einzahlen, ohne den Umweg über die Einzelpreise zu nehmen.

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