Interpharm 2013

Niedrig dosierte Monotherapie anstreben

(pj). Epilepsie ist kein Grund, auf eine Schwangerschaft zu verzichten. Eine vorausschauende medikamentöse Einstellung und die korrekte Dosis eines Antiepileptikums minimieren mögliche Folgen einer antikonvulsiven Therapie für Mutter und Kind. Was dabei zu beachten ist und wie der Pharmazeut die Schwangere begleitend beraten kann, erläuterte PharmD Ina Richling, Iserlohn.
PharmD Ina Richling: Eine Epilepsie ist kein Grund, von einer Schwangerschaft abzuraten.

Frauen, die an einer Epilepsie erkrankt sind, sollten ihre Schwangerschaft nach Möglichkeit planen, da sowohl der Verlauf der Schwangerschaft wie auch mögliche Folgen für das Neugeborene entscheidend von der richtigen Therapie abhängen. Für die Schwangere besteht während der Gravidität die Gefahr vermehrter Anfälle. Daher ist eine stabile medikamentöse Einstellung, unter der seit etwa neun Monaten kein Anfall mehr aufgetreten war, die beste Voraussetzung für einen anfallsfreien Verlauf der Gravidität. Für das Neugeborene und seine Entwicklung ist der Wirkstoff, mit dem die Mutter behandelt wurde, entscheidend, da das Risiko für Fehlbildungen unter einigen Arzneistoffen erhöht ist. Plant eine Frau eine Schwangerschaft und erhält bislang eine Kombinationstherapie, so sollte sie auf eine Monotherapie umgestellt werden. Mittel der Wahl ist Lamotrigin (< 300 mg/d). Ebenfalls möglich ist die Gabe von Carbamazepin (< 400 mg/d). Für die neueren Antiepileptika liegen derzeit zu wenig gesicherte Daten vor. Eine Therapie mit Valproinsäure ist problematisch (aber nicht immer zu umgehen), da sie zu erhöhten Fehlbildungsraten (Neuralrohrdefekte, Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten) sowie kognitiven Beeinträchtigungen führen kann. Diese Beeinträchtigungen, die wahrscheinlich auf die Spezialisierung der Hirnhälften wirken, zeigen sich in einem verringerten IQ, sind dosisabhängig und bleiben auch während der weiteren Entwicklung des Kindes bestehen.

Folsäuresubstitution bereits vor der Schwangerschaft

Bei jeder antikonvulsiven Therapie während der Gravidität sollte Folsäure (5 mg/d) substituiert werden. Die Folsäuresupplementation sollte bereits vor Eintreten der Schwangerschaft erfolgen. Während der Schwangerschaft sind ein erweitertes Ersttrimester-Ultraschall-Screening sowie ein ausführliches Organscreening zu empfehlen. Des Weiteren muss die Dosis eines Antiepileptikums im Verlauf der Schwangerschaft angepasst werden, da die Wirkspiegel aufgrund veränderter pharmakokinetischer Parameter abfallen können. Die antiepileptische Therapie wird auch während der Geburt fortgeführt. Ein Kaiserschnitt aufgrund einer Epilepsie ist nicht erforderlich. Die Entbindung sollte in einem Zentrum mit angeschlossener Neonatologie erfolgen, von Hausgeburten wird abgeraten. Ein Stillen des Säuglings ist bei sorgfältiger Beobachtung des Kindes möglich, dies gilt allerdings nicht, wenn die Mutter mehrere Antiepileptika oder Valproinsäure einnimmt. Nach der Geburt bzw. nach dem Abstillen wird die Dosis des Antiepileptikums erneut angepasst und entspricht dann der Dosierung vor Eintritt der Schwangerschaft.

Besteht kein weiterer Kinderwunsch mehr, muss bei der Empfängnisverhütung darauf geachtet werden, dass einige Antiepileptika aufgrund von Enzyminduktionen zu einem Pillenversagen führen können. Mögliche Alternativen sind Kupferspiralen oder Intrauterinpessare mit lokaler Gestagenabgabe.

Konsequenzen für die pharmazeutische Beratung


vor Eintreten der Schwangerschaft

  • Konsultation des Neurologen und Gynäkologen, um eine stabile Monotherapie in niedriger Dosis einzuleiten

  • Gabe von Folsäure (5 g/d)

  • Aufklärung der werdenden Mutter, dass eine konsequente antiepileptische Therapie für sie und das werdende Kind unabdingbar ist


während der Schwangerschaft

  • Gabe von Folsäure (5 mg/d)

  • Unterstützung der Compliance

  • Hinweis auf sonographische Feindiagnostik

  • Hinweis auf mögliche Dosisänderungen bei der antiepileptischen Therapie (monatliche Blutspiegelkontrollen)


nach der Geburt

  • Verhaltensmaßnahmen beim Stillen

  • Dosisänderungen bei der antiepileptischen Therapie

  • Aufklärung über Verhütungsmöglichkeiten, falls keine weitere Schwangerschaft geplant ist

Register zur Dokumentation teratogener Effekte

Um die antiepileptische Therapie während der Schwangerschaft zu optimieren und teratogene und unerwünschte Wirkungen der einzelnen Arzneistoffe genauer einschätzen zu können, werden die Daten in Registern gesammelt. Zu diesen zählen unter anderem

  • GRAP (German Registry of Antiepileptic Drugs and Pregnancy)

  • RAP (European Registry of Antiepileptic Drugs and Pregnancy)

  • das britische Schwangerschaftsregister sowie

  • das nordamerikanische Schwangerschaftsregister.

Aufgrund der gesammelten Informationen können beispielsweise Art und Umfang von Missbildungen unter verschiedenen Antiepileptika eingeschätzt werden. Missbildungsraten liegen unter Monotherapien bei 4,8%, unter Kombinationstherapien bei 7,2%. Sie sind dosisabhängig und steigen unter höheren Dosen des Antiepileptikums an. Unter einer günstigen Monotherapie kann die Missbildungsrate beinahe auf das Niveau des normalen Risikos gesenkt werden.



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DAZ 2013, Nr. 13, S. 42

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