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"Film ab!"

In der letzten Zeit greift eine Unart im Apothekenbereich um sich, die sich nicht nur ungünstig auf das Betriebsklima auswirkt, sondern auch rechtlich sehr bedenklich ist. Einige Apothekenleiter lassen Kameras und aufwendige Video- und Tonüberwachungssysteme in der Apotheke anbringen und beobachten ihre Mitarbeiter dann aus einer anderen Filiale oder von zu Hause aus.

Die Mitarbeiter werden oft nicht informiert, sondern erfahren von der Existenz der Kameras z. B. durch einen Telefonanruf des Chefs ("Warum geht denn keiner nach vorne?"). Teilweise stehen sie sogar in ihren Pausenräumen unter Dauerbeobachtung. Ihr Unbehagen kann wohl jeder nachvollziehen. Doch ist ein Apothekenleiter überhaupt berechtigt, derartige Maßnahmen ohne Einwilligung der betroffenen Mitarbeiter durchzuführen?

Hier kollidiert das durch das Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters, insbesondere das Recht am eigenen Bild (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Grundgesetz), mit den Interessen des Arbeitgebers.

Überwachung nur bei Strafverdacht zulässig

Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist eine heimliche Videoüberwachung zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung gegen den Arbeitgeber besteht. Zudem müssen alle anderen Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts ergebnislos ausgeschöpft worden sein, und es darf kein anderes, weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich darf die Überwachung im Verhältnis zum Ziel nicht unverhältnismäßig sein (siehe z. B. BAG 27. 3. 2003, 2 AZR 51/02).

Kürzlich verhandelte das BAG den Fall einer Angestellten im Einzelhandel, der durch heimliche Videoaufzeichnungen der Diebstahl von Zigaretten nachgewiesen werden konnte. Das BAG bezweifelte, ob die Voraussetzung für die Verwertung dieser Aufnahmen als Beweismaterial gegeben war und hat den Fall an die untere Instanz zurückverwiesen. (BAG, 21. 6. 2012, 2 AZR 153/11)

In den Fällen, die sich zurzeit in Apotheken ereignen, geht es aber gar nicht um die Aufklärung von Straftaten, sondern darum, von einem anderen Arbeitsplatz aus die Mitarbeiter zu überwachen ("Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser"). Eine solche Überwachung quasi zur Optimierung des Personaleinsatzes ist unzulässig. Hier gibt es kein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers, das gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters abgewogen werden kann. Eine Dauerüberwachung ohne strafrechtliche konkrete Verdachtsmomente ist unzulässig, wie das BAG in ständiger Rechtsprechung sehr deutlich ausführt:

"Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch heimliche Videoaufnahmen. Durch eine solche Kontrolle wird nicht lediglich eine Aufsichtsperson ersetzt. Vielmehr wird der Arbeitnehmer, der davon ausgehen muss, dass der Arbeitgeber bei bestimmten Gelegenheiten zum Mittel der heimlichen Videoaufzeichnung greift, einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, dem er sich während seiner Tätigkeit nicht entziehen kann." (BAG, 7. 10. 1987, 5 AZR 116/86)

Jeder Arbeitgeber sollte sich also gut überlegen, ob er derartig einschneidende Maßnahmen einsetzt. Neben dem Vertrauensverlust bei den Mitarbeitern kann er auch noch weitere finanzielle Einbußen erleiden und sich schmerzensgeldpflichtig machen (LAG Hessen, 25. 10. 2010, 7 Sa 1586/09).


Minou Hansen
Rechtsanwältin bei ADEXA



DAZ 2012, Nr. 49, S. 92

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