Arzneimittel und Therapie

Verursachen Herpesviren einen Bandscheibenvorfall?

Beim Bandscheibenvorfall (Discusprolaps) treten Teile der Bandscheibe in den Wirbelkanal über. Dabei wird der Faserknorpelring der Bandscheibe ganz oder teilweise durchgerissen. Oft ist eine Überlastung bei Vorschädigung der Bandscheiben die Ursache, vielfach kann ein Prolaps aber auch ohne erkennbaren Anlass auftreten. Einen weiteren Faktor, der für die Degeneration von Bandscheiben verantwortlich sein könnte, haben griechische Ärzte jetzt entdeckt. In 13 Proben aus Gewebetrümmern von Bandscheiben fanden sie DNA von Herpesviren.

Als Ursachen für einen Bandscheibenvorfall werden eine genetische Prädisposition, einseitige Belastungen oder eine Schwäche der neben den Wirbeln gelegenen (paravertebralen) Muskulatur genannt. Die am häufigsten betroffenen Wirbel liegen im Lendenwirbelbereich. Symptome des Bandscheibenvorfalls sind starke, vielfach in die Extremitäten ausstrahlende Schmerzen, häufig verbunden mit einem Taubheitsgefühl im Versorgungsgebiet der eingeklemmten Nervenwurzel, gelegentlich auch Lähmungserscheinungen. In schweren Fällen erfolgt eine operative Behandlung. Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 30.000 Bandscheibenoperationen vorgenommen, Tendenz stark zunehmend. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 40 Jahren, Mögliche Ursachen für den rasanten Anstieg von Bandscheibenvorfällen sind Bewegungsmangel und Fehlhaltungen, vor allem bei Büroarbeiten.

Späte Aktivierung von latenten Herpesviren

Auf der Suche nach weiteren möglichen Ursachen für einen Bandscheibenvorfall haben Wissenschaftler der Orthopädischen Universitätsklinik in Heraklion jetzt einen neuen interessanten Ansatzpunkt gefunden. Aus den Gewebetrümmern von Bandscheiben operierter Patienten entnahmen sie Proben, die sie auf das Vorkommen viraler DNA untersuchten.

In 13 der insgesamt 16 Proben konnte mindestens eine Art von Herpesviren nachgewiesen werden, am häufigsten das Herpes-simplex-Virus-1 (HSV-1) = Humanes Herpesvirus 1 (HHV-1) in 56% der Proben, das humane Cytomegalie virus (HCMV = humanes Herpesvirus 5 oder HHV-5) in 38% der Proben. Die Herpesviren Herpes-simplex-Virus Typ 2, Varicella-Zoster-Virus, Epstein-Barr- Virus und die humanen Herpesviren 6, 7 und 8 konnten nicht nachgewiesen werden.

Mit serologischen Untersuchungen und mRNA-Tests konnten im Kontrollgewebe von Patienten mit Verletzungen der Wirbelsäule im Bereich des thorakolumbalen Übergangs, also dem Bereich zwischen unterer Brustwirbelsäule und oberer Lendenwirbelsäule, keine viralen Infektionen nachgewiesen werden.

Die Wissenschaftler erklären das häufige Vorkommen von Herpesviren bei Bandscheibenvorfällen mit einer hohen Prävalenz von HSV-1-Infektionen in der Kindheit, in der die zwischen den Wirbeln liegenden Bandscheiben noch über einen längeren Zeitraum mit Gefäßen und Blutkapillaren versorgt werden. Komme es zu Entzündungen oder Läsionen der Bandscheiben, könnten die latenten Viren aktiviert werden und somit zur weiteren Degeneration beitragen.


Quelle

K. Alpantaki, A.; et al.: Herpes virus infection can cause intervertebral disc degeneration. A causal relationship? J. Bone Joint Surg. Br. 2011; 93-B(9): 1253 – 1258.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 46, S. 58

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