Arzneimittel und Therapie

Mechanismus der "schlafenden" Herpes-Infektion geklärt

Infektionen durch Herpesviren gehören zu den häufigsten Erkrankungen der Haut. Die Erstinfektion verläuft zumeist symptomlos, danach persistiert der Erreger im Organismus und kann durch starke Sonnenbestrahlung, UV-Licht, Fieber, aber auch Stress aktiviert werden. Amerikanischen Forschern gelang es jetzt, den Mechanismus der "Einnistung" der Viren und Aufrechterhaltung der ruhenden Infektion im menschlichen Körper aufzuklären.
Herpes-simplex-Infektion Bei etwa 40% der erwachsenen Bevölkerung tritt einmal im Leben eine als Bläschen sichtbare Reaktivierung einer Herpes-simplex-Infektion auf. Auslöser wie Stress erhöhen die Zahl der Genprodukte des Virus, die als Botenstoffe fungieren, so stark, dass die kontrollierenden microRNAs die Bildung der für eine aktive Infektion notwendigen Proteine nicht mehr verhindern können.
Foto: Zovirax

Die Herpes simplex Viren Typ 1 und Typ 2 (HSV-1 und -2), Erreger von Herpes-simplex-Infektionen, gehören zur Gattung Simplexvirus der Familie Herpesviridae. Sie haben einen Durchmesser von etwa 140 bis 180 nm und sind damit relativ groß. Das Kapsid hat Ikosaeder-Struktur und ist von einer Hülle umgeben. Die HS-Viren haben eine linear angeordnete, doppelsträngige DNA. Sie sind weltweit verbreitet, der Mensch ist das einzige Reservoir. Bei verschiedenen Untersuchungen wurden bei 84 bis 92% der Bevölkerung in Deutschland Antikörper gegen HSV-1 nachgewiesen.

Übertragung und Verbreitung

Etwa 80 bis 90% aller Infektionen werden durch Herpes simplex Viren Typ 1 ausgelöst. Nach einer häufig symptomlosen Erstinfektion verbleibt das Virus stets lebenslang latent im Organismus (Persistenz). Die Viren dringen bei der Primärinfektion über die Schleimhautzellen des Mund-Rachen-Raumes (überwiegend HSV-1) und des Genitaltraktes (überwiegend HSV-2) ein und vermehren sich in den Epithelzellen. Die häufigste Form einer HSV-Infektion ist der Herpes labialis (Lippenherpes) als Reaktivierung einer bereits bestehenden Infektion. Bei etwa 40% der erwachsenen Bevölkerung tritt einmal im Leben eine als Bläschen sichtbare Reaktivierung auf, häufig sind auch mehrfache Rezidive. Die hohe Dichte an sensorischen Nervenenden an der Lippe und offene Epithelschichten im Mundbereich sind der Grund für das Auftreten von Bläschen gerade an diesem Ort.

Aufhebung des Schlafzustandes als Therapieansatz?

Der Wechsel zwischen der aktiven und der ruhenden Infektion und die Aufrechterhaltung des "Schlafzustandes" waren bislang weitgehend unbekannt. Das einzige virale Genprodukt, das während der Ruhephase bis jetzt gefunden wurde, ist als LAT ("latency associated transcript") bezeichnet worden. Dabei handelt es sich um ein nicht kodierendes RNA-Molekül. Jetzt konnte gezeigt werden, dass diese Verbindung der Vorläufer für vier sogenannte microRNAs (miRNAs) ist. Dies wiederum sind ebenfalls RNA-Moleküle, die aber sehr kurz sind und bei der Genregulation eine wichtige Rolle spielen: sie kontrollieren die Genexpression durch Regulation der mRNA-Stabilität und der Translation. Bei einer ruhenden Herpes-simplex-Infektion blockieren sie die meisten HSV-1-Gene, sodass deren Produkte, die für eine aktive Infektion nötig sind, nicht gebildet werden können.

Erst unter dem Einfluss der oben genannten Auslöser wie Stress steigt die Zahl der Genprodukte des Virus, die als Botenstoffe fungieren, so stark an, dass die miRNAs die Bildung der für eine aktive Infektion notwendigen Eiweiße nicht mehr verhindern können, der "Schlafzustand" wird damit beendet. Die Wissenschaftler aus North Carolina und Boston arbeiten offensichtlich mit der Pharmaindustrie bereits an der Entwicklung eines Medikaments, dass die miRNAs abfängt. So könnten die Viren aktiviert und abgetötet werden. Die Forscher hoffen, dass "damit die infizierte Person vollständig geheilt wäre und nie wieder einen Lippenherpes bekommen würde".

 

Quelle

Umbach, J. L.; et al.: MicroRNAs expressed by herpes simplex virus 1 during latent infection regulate viral mRNAs. Nature 2008 (454), 780 –783. 

 


 

Dr. Hans-Peter Hanssen
Universität Hamburg
Institut für Pharmazeutische Biologie und Mikrobiologie
Bundesstr. 45
20146 Hamburg
hans-peter.hanssen@hamburg.de

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