Arzneimittel und Therapie

Kein Problem für die Selbstmedikation

Aciclovir gilt als Goldstandard bei der Behandlung von Herpesinfektionen. Die Gefahr einer Resistenzentwicklung bei Herpesviren spielt zur Zeit keine therapeutische Rolle.


Für den immunologisch gesunden Patienten stellen aciclovirresistente Herpes-Mutanten kein Risiko dar. Auch die aufgrund wiederholter Lippenherpes-Infektionen häufig wiederholte Therapie mit Aciclovir-Lippenherpescreme führt nicht zu einer Resistenzbildung, die den therapeutischen Effekt der Selbstmedikation beeinträchtigen würde.
Mutanten, die sich gegenüber Aciclovir resistent verhalten, werden auch ohne die Einwirkung des Virostatikums in Isolaten von Patienten mit einer Häufigkeit von 1:104 Viren beobachtet. Aus diesem Grund nimmt man an, daß Aciclovir keine Resistenzen im Sinne einer aktiven DNA-Veränderung verursacht, sondern einen Selektionsdruck auf die beim Menschen natürlicherweise vorhandenen Virusmischpopulationen ausübt. Auf diese Weise können einzelne Virusstämme mit Mutationen im Thymidinkinase(TK)- bzw. DNA-Polymerase-Gen unter Bedingungen, wie sie bei bestimmten, schwer immunsupprimierten Patienten vorliegen, gelegentlich einen Selektionsvorteil gegenüber normalen Viren erlangen und sich stärker vermehren.
Die Pathogenität aciclovirresistenter Herpesviren läßt sich noch nicht endgültig beurteilen. Die bisher durchgeführten Untersuchungen zeigen jedoch, daß TK-Virusmutanten, die in etwa 95 Prozent der Fälle mit Resistenzen gefunden werden, eine wesentlich geringere Pathogenität als Viruswildstämme aufweisen. Bei Varicella-Zoster-Viren ist zwar grundsätzlich eine Resistenzentwicklung möglich, allerdings traten diese nur bei HIV-Patienten mit langer oraler Aciclovir-Therapie und einer CD4-Zellzahl <100/ml auf. Jedoch sind nicht nur bei immunsupprimierten Patienten, sondern vereinzelt auch bei Patienten mit einem normalen Immunsystem resistente Herpes-simplex-Virusmutanten (TK-Stämme) isoliert worden.
Weder die topische, die perorale noch die parenterale Applikationsform sticht in bezug auf die Selektion hervor. TK-Herpes-simplex-Mutanten vermehren sich auch in vivo nicht so schnell, so daß selbst immunsupprimierte Patienten eine solche Selektion unbeschadet überstehen können. Aciclovirresistente Herpesviren spielen, was die Therapie immunkompetenter Patienten betrifft, bislang praktisch keine Rolle. Nach über 15jährigem Einsatz von Aciclovir gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß sich resistente Herpesviren beim Menschen - und dies gilt gleichermaßen für immunkompetente und immunsupprimierte Patienten - ähnlich, wie dies für resistente Bakterienstämme beschrieben ist, ausbreiten können. Aciclovir-Resistenzen treten deshalb nur in untergeordnetem Maße bei immunsupprimierten Patienten auf, z.B. bei bis zu 5% der Transplantations- oder HIV-Patienten.
Auch unter Langzeittherapie ließ sich bei immunkompetenten Patienten keine erhöhte Inzidenz an aciclovirresistenten Herpesviren feststellen. In einer Studie mit 239 immunkompetenten Patienten, die Aciclovir über 6 Jahre zur Suppression des Herpes genitalis erhielten, konnte kein Unterschied hinsichtlich aciclovirresistenter Herpes-simplex-Viren gezeigt werden (vor Therapie: 3% resistente HSV, nach Therapie 3%). Literaturhinweise
[1]Balfour, H. H., et al.: Management of acyclovir-resistant herpes simplex and varicella-zoster virus infections. J. Aqu. Imm. Defic. Syndr. 7/3, 254-260 (1994).
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[3]Fife, K. H., et al.: Recurrence and resistance pattern of herpes simplex virus following cessation. J. Infect. Dis. 169/6, 1338-1341 (1994).
[4]Kimberlin, D. W., R. J. Whitley: Antiviral resistance: mechanisms, clinical significance, and future implications. J. Antimic. Chemotherapy 37, 404-421 (1996).
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