DAZ aktuell

DAK-Zusatzbeiträge unwirksam

BERLIN (ks). Das Sozialgericht Berlin hat erneut befunden, dass eine Krankenkasse nicht hinreichend über das Sonderkündigungsrecht aufgeklärt hat, das Versicherten zusteht, wenn ihre Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt. Diesmal trifft es die DAK – ihre Zusatzbeiträge sind nach Auffassung des Gerichts unwirksam. Bis zur Nachholung einer gesetzeskonformen Belehrung bestehe daher keine Pflicht zur Zahlung der Zusatzbeiträge. Die DAK ist allerdings ganz anderer Meinung. (Sozialgericht Berlin, Urteile vom 10. August 2011, Az.: S 73 KR 2306/10 und S 73 KR 15/11)
Foto: DAK
Die DAK hat in Einzelfällen nicht ausreichend über das Sonderkündigungsrecht bei der Erhebung ihrer Zusatzbeiträge informiert. Die Zusatzbeiträge sind laut aktuellem Urteil in diesen Fällen unwirksam. Wirksam könnte dagegen das Vorgehen gegen säumige Zahler von Zusatzbeiträgen werden (siehe nachfolgender Beitrag). Die DAK will sie pfänden lassen.

Erhebt eine Krankenkasse Zusatzbeiträge, so muss sie ausreichend auf das Sonderkündigungsrecht ihrer Mitglieder hinweisen. Bereits im Fall der City BKK (Urteil vom 22. Juni 2011, Az.: S 73 KR 1635) entschied die auch in den DAK-Fällen zuständige Kammer des Sozialgerichts Berlin, dass dieser Hinweispflicht nicht genügt wurde. Ein im Kleingedruckten eines Informationsschreibens unter der Überschrift "Rechtsgrundlagen" verstecktes Gesetzeszitat reiche als Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht nicht aus, so das Gericht.

Die DAK hatte den beiden in Berlin klagenden Versicherten im Februar 2010 mitgeteilt, dass ab Februar von allen Mitgliedern ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag von monatlich acht Euro erhoben werde. Dieses Schreiben endete auf der ersten Seite "Mit freundlichem Gruß". Ein Sonderkündigungsrecht fand auf dieser Seite keine Erwähnung. Auf der Rückseite befanden sich zwei Textblöcke. Der Erste war überschrieben: "Wir möchten Ihnen die Zahlung des Zusatzbeitrages so einfach und bequem wie möglich machen", der zweite – deutlich kleinere: "Weitere allgemeine Hinweise". In Letzterem fand sich als sechster Unterpunkt unter der Überschrift: "Rechtsgrundlagen (Auszüge)" das wortwörtliche Zitat von § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V.

Die Kläger legten gegen die Erhebung der Zusatzbeiträge Widersprüche ein, die die Beklagte durch Widerspruchsbescheide als unbegründet zurückwies. Daraufhin erhoben die Kläger im Dezember 2010 bzw. Januar 2011 Klage. Das Sozialgericht gab ihnen nun nach mündlicher Verhandlung teilweise recht. Sie seien zur Zahlung von Zusatzbeiträgen erst ab dem Zeitpunkt verpflichtet, in dem sie deutlich auf ihr Recht zur Kündigung der Versicherungsverträge hingewiesen worden seien. Ein solcher Hinweis sei aber erst in den am 24. November bzw. 13. Dezember 2010 erlassenen Widerspruchsbescheiden enthalten gewesen. Es bestehe für die Kläger daher keine Pflicht zur Zahlung von Zusatzbeiträgen zwischen Februar und November bzw. Dezember 2010. Den Hinweis im Schreiben aus dem Februar 2010 erachtete die Kammer für nicht hinreichend.

Die DAK betonte nach Verhandlung, dass das Sozialgericht Berlin mit seiner Rechtsauffassung allein dastehe. Die Kasse verwies auf ein anderslautendes Urteil des SG Speyer (Az.: S 11 KR 226/10), das die Verfahrensweise der DAK gebilligt habe. Auch mehrere Landessozialgerichte hätten die Informationspraxis der DAK in Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes für rechtmäßig erachtet – so auch das LSG Berlin-Brandenburg. Die Kasse verwies zudem darauf, dass das Urteil nur "inter partes" gelte, also allein für die an dem konkreten Verfahren Beteiligten. Eine Übertragung auf andere Mitglieder scheide somit aus.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch die schriftlichen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Die DAK kündigte an, nach Prüfung der Gründe über die Einlegung der Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden – hier hat man schließlich bereits gute Erfahrungen gemacht.

Die DAK hat ihre Mitglieder umfassend und ausreichend über das Sonderkündigungsrecht informiert, als sie vor gut einem Jahr erstmals einen Zusatzbeitrag erhoben hat. Andere Einschätzungen des Sozialgerichts Berlin werden nach Ansicht der DAK keinen Bestand haben. Die 73. Kammer des Sozialgerichts Berlin hatte in zwei Verfahren geurteilt, dass die DAK in ihren Anschreiben ihrer Informationspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. "Das Urteil des SG Berlin ist wenig überraschend, da dieselbe Kammer bereits im Juni dieses Jahres mit gleichlautender Begründung den Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht durch die City BKK als unzureichend beurteilte," kommentiert Eckhard Bloch, Justitiar der DAK, das Urteil. Das Gericht hatte im Urteil gegen die City BKK damit argumentiert, dass der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht im Anschreiben auf der zweiten Seite im kleingedruckten Text erfolgte und damit "bewusst der Aufmerksamkeit des Empfängers entzogen worden" sei.

Das SG Berlin steht mit seiner Rechtsauffassung allein da. Ein aktuelles Urteil des SG Speyer (Az.: S 11 KR 226/10) in einem Musterstreitverfahren billigt die Verfahrensweise der DAK und bestätigt, dass der schriftliche Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht in den Anschreiben zum Zusatzbeitrag den gesetzlichen Vorgaben entspricht, also vollkommen ausreichend war. Mehrere Landessozialgerichte (LSG) hatten bereits die Informationspraxis der DAK in Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes für rechtmäßig erachtet. Das LSG Berlin-Brandenburg hatte zum DAK-Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht in einem Beschluss ausgeführt: "Der Hinweis ist sprachlich deutlich, er ist unschwer zu finden, und die Antragstellerin konnte ohne weitere Überlegungen von dem Sonderkündigungsrecht Kenntnis nehmen." Auch in weiteren Verfahren wurde die Gestaltung des Informationsschreibens als ausreichend bewertet.

Die DAK hatte ihr Informationsschreiben an die Mitglieder optisch anders gestaltet als die City BKK und zusätzlich in ihrer Mitgliederzeitung und auf ihrer Internetseite ausführlich über den Zusatzbeitrag sowie das Sonderkündigungsrecht aufgeklärt. "Hinzu kommt, dass die Medien zu Beginn des Jahres 2010 im Zusammenhang mit der Erhebung des Zusatzbeitrags durch die DAK breit über das Sonderkündigungsrecht berichtet haben. Wir halten die Hinweispflicht in vollem Umfang für erfüllt", so Bloch.

Der Gesetzgeber hat in Paragraf 175 Absatz 4 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) lediglich festgelegt, dass die Kassen bei der Erhebung eines Zusatzbeitrags ihre Mitglieder über das Sonderkündigungsrecht informieren müssen. Wie dies zu geschehen hat, hat der Gesetzgeber offengelassen. Das Bundesversicherungsamt (BVA) als zuständige Aufsichtsbehörde für die bundesweiten Krankenkassen teilt die Auffassung, dass die DAK-Versicherten ausreichend über das Sonderkündigungsrecht informiert waren.

Bei den jetzt vorliegenden Urteilen der 73. Kammer des SG Berlin handelt es sich um eine Einzelbewertung in Einzelfällen. Solche Gerichtsurteile gelten immer nur "inter partes", also allein für die an dem konkreten Verfahren Beteiligten. Eine Übertragung auf andere Mitglieder scheidet somit aus. Sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, wird die DAK entscheiden, ob sie in Berufung geht.



DAZ 2011, Nr. 33, S. 18

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