Gesundheitspolitik

Protest gegen Aus für Pharmazie an der Universität Leipzig

Studenten wehren sich mit Demonstrationen – ABDA warnt vor Folgen der Schließung

Berlin (lk/jz). Die Ankündigung der Universität Leipzig, den einzigen Pharmaziestudiengang in Sachsen aus Spargründen zu schließen, hat eine Welle des Protestes und der Kritik ausgelöst: Die sächsischen Apotheker sehen die Arzneimittelversorgung des Landes gefährdet. Die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Erika Fink, reagierte empört und sieht darin eine "erhebliche Fehlentscheidung". Und die betroffenen Studenten kämpfen gegen die Schließung mit Protest aktionen.

Letzte Woche kündigte die Universität Leipzig an, aus Sparzwängen voraussichtlich das Pharmazeutische Institut zu schließen. Die Rektorin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Beate A. Schücking, teilte mit, dass sie noch in diesem Jahr 48 Personalstellen für den vorgesehenen Stellenabbau in den Jahren 2013 und 2014 benennen muss. Bis zum Jahr 2020 fordert das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) von der Uni Leipzig die Streichung von weiteren 120 Stellen.

"Wenn wir wirklich abbauen müssen, dann werde ich der Staatsministerin von Schorlemer die Schließung des Instituts für Pharmazie mit dem dazugehörigen Studiengang vorschlagen", so die Rektorin. Das Institut für Pharmazie verfügt über 21 Mitarbeiter. Vom Herbst 2012 an würden dann in diesen Fachrichtungen keine Studierenden mehr immatrikuliert.

Um die Schließung doch noch abzuwenden, setzt die Direktorin des Instituts für Pharmazie der Universität Leipzig, Prof. Dr. Michaela Schulz-Siegmund, auf Gespräche mit dem Ministerium. Gemeinsam mit der Apothekerkammer Sachsen pocht sie auf einen Gesprächstermin im SMWK noch vor dem 17. Januar – dem Tag der Entscheidung. Schulz-Siegmund: "Wir müssen das Ministerium erreichen."

Mit Unverständnis reagierte die Bundesapothekerkammer: "Wer heute Pharmazie studiert, hat exzellente Aussichten auf dem Arbeitsmarkt," sagte Erika Fink, Präsidentin der BAK. "Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Studienplätze für Pharmazie. Ich appelliere deshalb dringend an das Rektorat der Universität Leipzig, das Institut nicht zu schließen."

Sächsische Kammer und Verband in Sorge

Mit größter Bestürzung und Betroffenheit reagieren auch die sächsischen Apothekerinnen und Apotheker auf die Pläne der Universität Leipzig. Damit sei, so Kammer und Verband in Sachsen, die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Sachsen mittelfristig gefährdet. Wie die Sächsische Landesapothekerkammer mitteilt, sind am Studienstandort Leipzig die hohen Bewerberzahlen für ein Studium der Pharmazie nach wie vor un gebrochen. Trotzdem sei es bereits heute für sächsische Apothekenleiter schwer, junge Apothekerinnen oder Apotheker als Mitarbeiter zu gewinnen oder für die Übernahme einer Apotheke zu interessieren.

"Die Umsetzung der Sparziele des Rektorats der Leipziger Universität halten wir für einen eklatanten Fehler. Eine ordnungsgemäße und flächendeckende Arzneimittelversorgung, besonders in den ländlichen Gebieten, wird ohne genügend eigenen Nachwuchs an Apothekerinnen und Apothekern nicht mehr möglich sein. Dies wird auf dem Rücken der Patienten ausgetragen, Apotheken werden schließen müssen, weitere Wege und längere Wartezeiten sind vorprogrammiert", warnt Friedemann Schmidt, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer und ABDA-Vizepräsident, eindringlich.

Studentenprotest

Die Studenten der pharmazeutischen Fakultät wehren sich gegen die Schließung mit Protestaktionen und Demonstrationen. Das Unverständnis ist groß unter den Studierenden: Pro Jahr immatrikulieren sich rund 50 neue Studenten im Fach Pharmazie. Aber es könnten aus Sicht der Studenten deutlich mehr sein. Der Studiengang erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die sächsischen Absolventen sind gefragt und bekommen mit großer Sicherheit einen Arbeitsplatz.

Der eigentliche Denkfehler liegt für die Studenten beim Hochschulentwicklungsplan des SMWK. Dort gehe man von sinkenden Studierendenzahlen aus, was in der universitären Realität nicht beobachtbar sei, kritisiert Christin Nitzschke vom Fachschaftsrat (FSR) der Biowissenschaften und Pharmazie. Dennoch zwinge der Hochschulentwicklungsplan die Universität zu solch "drastischen" und "unüberlegten" Entscheidungen. "Wenn die Argumentation ist, dass wir im Gegensatz zu Halle zu klein und daher nicht konkurrenzfähig sind, dann müssen die Uni und das Land eben Geld in die Hand nehmen und für Vergrößerung und Stärkung sorgen", fordert der FSR-Sprecher Chris Graichen. "Unsere Forderung beinhaltet demnach nicht die Schließung, sondern den Ausbau des Instituts der Pharmazie und die Nutzung der neu erworbenen Stärken und Kooperationen."

Daher will die FSR die Öffentlichkeit gegen die Schließung mobilisieren: "Quasi über Nacht haben wir alle Pharmaziestudenten und alle verfügbaren Absolventen mobilisiert", berichtet Nitzschke gegenüber der AZ. Rund 200 von ihnen versammelten sich letzte Woche in Kittel und mit Koffern, um "symbolisch die Abreise der Pharmazeuten zu zelebrieren". Alle sollten sehen, wen diese Entscheidung zukünftig treffen wird: "Junge, vorwiegend weibliche Studenten eines MINT-Faches, das eine Arbeitslosigkeit von Null Prozent vorweisen kann, das wohnortnahe, familienfreundliche Arbeitsplätze schafft und einen wichtigen Dienst im Gesundheitswesen leistet", so Nitzschke.

Weitere Protestaktionen werden sich schwerpunktmäßig gegen das Ministerium richten. Nitzschke: "Wir fragen das Ministerium, ob es wirklich auf die Apothekerausbildung im Freistaat verzichten will, sich auch so dem Apothekermangel gewappnet sieht und tatsächlich seine Abiturbesten, die Pharmazie studieren wollen, freiwillig in andere Bundesländer abziehen lassen will."



AZ 2011, Nr. 51-52, S. 1

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