Recht

Rezeptpflicht bedeutet Verantwortung

Einige aktenkundige Verstöße und ihre Folgen

Von Michael Schmidt

Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen nur auf Vorlage eines ärztlichen Rezeptes abgegeben werden. Apotheken, die fahrlässig oder vorsätzlich gegen diese gesetzliche Vorschrift zum Schutz der Verbraucher verstoßen, riskieren empfindliche Strafen, wie folgende Beispiele zeigen.

Blick ins Gesetz

Paragraph 48 Absatz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) lautet vereinfacht:

Arzneimittel, die durch eine Rechtsverordnung näher bestimmte Stoffe oder Zubereitungen enthalten, dürfen nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verordnung an Verbraucher abgegeben werden.

Die Rechtsverordnung, auf die das AMG zur Detailregelung verweist, ist die Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln, kurz Arzneimittel-Verschreibungsverordnung oder AMVV. Praxisfreundliche und aktuelle Kommentierungen zur AMVV finden sich in jeder Apotheke in Form der "Scribas Tabelle" oder der Gelben Liste.

Die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ohne Vorlage eines ärztlichen Rezeptes stellt nach § 96 Nr. 13 AMG eine Straftat dar. Die Ermittlungen gegen die Apotheke führt die Staatsanwaltschaft. Als Strafen drohen hohe Geldstrafen oder bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe.

Ein Kavaliersdelikt?

In einem Beitrag zum Thema Gehirndoping, der in der Frauenzeitschrift "Für Sie" (2009, Heft 18, S. 61) erschien, gab die Ärztin, Psychiaterin und Psychologin Prof. Dr. Isabella Heuser auf die Frage nach den Bezugsmöglichkeiten für Antidepressiva und Aufputschmittel folgende Antwort:

"Ich bitte Sie! Das ist doch heutzutage kein Problem: genauso, wie Menschen an illegale Drogen wie Kokain in Clubs kommen. Die DAK-Studie hat gezeigt, dass die meisten Leute ihre Antidepressiva und Aufputschmittel über ihre Apotheke an der Ecke bekommen – ohne Rezept."

Apothekerinnen und Apotheker als gewissenlose Dealer? Klare Rechtsverstöße als gesellschaftliche Normalität für Krankenkassen und Ärzte? Eine Recherche nach einschlägigen Urteilen gegen ertappte Gesetzesbrecher macht deutlich, dass für die Verantwortlichen der Verlust der Betriebserlaubnis und sogar der Approbation auf dem Spiel stehen.

Blick ins Strafgesetzbuch (StGB)


Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB)

Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Berufsverbot droht

Im Mai 2010 hatte das Verwaltungsgericht Berlin in einem Verfahren gegen einen 64-jährigen Berliner Apotheker zu entscheiden, der in großem Umfang mehrere Jahre lang verschreibungspflichtige Anabolika und Benzodiazepine (Valium® , Rohypnol®) ohne Rezeptvorlage verkauft hatte. Das Gericht verhängte eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren sowie ein dreijähriges Berufsverbot, was für den Pharmazeuten bedeutete, dass er als vorbestraft gilt und mangels Zuverlässigkeit seine Apothekenbetriebserlaubnis verliert (DAZ 2010, Nr. 24, S. 28).

In einem älteren Verfahren wurde ein anderer Berliner Apotheker, der über mehrere Jahre regelmäßig ohne Vorlage der jeweils erforderlichen ärztlichen Verschreibungen an Kunden rezeptpflichtige Schmerz-, Aufputsch- und Beruhigungsmittel sowie Kontrazeptiva abgegeben hatte, zu einer Geldstrafe in Höhe von 10.000 DM verurteilt. Außerdem stellte das Gericht fest, dass der Apotheker unwürdig sei, seinen Beruf auszuüben (DAZ 1990, S. 1182).

Über einen vergleichbaren Fall aus Bayern berichtete die Pharmazeutische Zeitung (PZ 1995, Nr. 28, S. 68). Ein selbstständiger Apotheker wurde wegen eines fortgesetzten Vergehens der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel ohne Verschreibung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten mit Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 60.000 DM verurteilt. Da sich der Apotheker als unzuverlässig erwiesen hatte, folgte als zusätzliche Strafe der Entzug seiner Approbation.

Im Fall einer über mehrere Jahre fortgesetzten illegalen Abgabe verschreibungspflichtiger Psychopharmaka an eine medikamentensüchtige Patientin stellte ein bayerisches Amtsgericht nicht nur einen Straftatbestand nach dem Arzneimittelgesetz fest, sondern auch eine fahrlässige Körperverletzung. Durch sein rechtswidriges Verhalten habe der verantwortliche Apotheker eine Verschlimmerung der bestehenden Sucht in Kauf genommen, was sich strafverschärfend auswirkte. (AG Erding, Urteil vom 21. 04. 1980, Az.: Js 78 Js 23522/79)

Tücken des Notstandes

Für Kopfschütteln in den Fachkreisen sorgte ein Berliner Urteil gegen einen Apotheker, der einem Patienten, der sich mit einem Asthmaanfall in die Apotheke geschleppt und um eine Packung des ihm schon lange verordneten rezeptpflichtigen Asthmasprays gebeten hatte, die Medikation ohne Vorlage eines Rezeptes ausgehändigt hatte. Seiner Argumentation, er habe sich nicht dem Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung (siehe Textkasten "Blick ins Strafgesetzbuch (StGB)) aussetzen wollen, folgte das Gericht nicht. Er hätte sofort einen Notarzt rufen müssen und keine eigenen Behandlungsversuche starten dürfen (DAZ 1983, S. 1442).

Im krassen Gegensatz hierzu stehen die Erfahrungen eines französischen Kollegen, über den die Deutsche Apotheker Zeitung im Mai 1997 berichtete (DAZ 1997, Nr. 20, S. 12). Ein Passant hatte einen italienischen Touristen mit akutem Asthmaanfall in die Apotheke geschleppt. Der Apotheker verweigerte die Herausgabe des verlangten rezeptpflichtigen Asthmamittels ohne Rezept. Die herbeigerufene Feuerwehr konnte nur noch den Tod des Schwerkranken feststellen. Der Apotheker wurde wegen unterlassener Hilfeleistung in Haft genommen.

Deutlich differenzierter fiel die Entscheidung eines Stuttgarter Gerichts aus: "Ein Apotheker kann befugt sein, ein schon öfter verschriebenes Arzneimittel an einen bestimmten Kunden auch ohne Verschreibung abzugeben, wenn Alter, starke Schmerzen, Nichterreichbarkeit eines Arztes vorliegen, die Inanspruchnahme eines Krankenhauses unvermeidbar gewesen wäre und die abgegebene Menge vertretbar ist und sich an dem mutmaßlichen Bedarf der nächsten Tage orientiert." (DAZ 1979, S. 1323)

Das Dilemma der Dauermedikation

Aus dem Jahr 1979 datiert ein interessantes pharmarechtliches Lehrstück: Eine ältere Dame bat, zitternd und erkennbar unter Schmerzen, ihren Apotheker um ein Codein-Barbiturat-Präparat, das ihr seit langer Zeit in einer Menge von wöchentlich 20 Tabletten verordnet wurde. Eine Rücksprache mit dem verordnenden Arzt kam nicht (mehr) infrage, denn dieser war am selben Tag gestorben und ein Vertreter nicht verfügbar. Da ihm die Kundin und ihre Medikation seit Jahren bekannt waren und um eine Krankenhauseinweisung zu vermeiden, gab der Apotheker das Arzneimittel ab und hielt den Vorgang in einem Protokoll fest, das er sich von der Patientin unterschreiben ließ. Unglücklicherweise hatte ein Pharmazierat diese Aktion beobachtet und angezeigt. In erster Instanz verneinte das Gericht das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstandes, in zweiter Instanz gewann der Apotheker und wurde freigesprochen (DAZ 1979, Nr. 33, S. 1322).

Keine milden Richter fand ein Apotheker in einem jüngeren Verfahren (Mai 2008). Er hatte einem ihm bekannten Patienten jeweils N3-Packungsgrößen der rezeptpflichtigen Medikamente Marcumar® , Enalapril, Furosemid und Novodigal® ausgehändigt und den Patienten um nachträgliche Vorlage eines Rezeptes für diese Dauermedikation gebeten. Der behandelnde Arzt zeigte den Apotheker deswegen an und sagte in dem Gerichtsverfahren aus, der Apotheker hätte durch eine Rückfrage von ihm erfahren können, dass Marcumar® abzusetzen war. Durch die unkontrollierte Marcumar®-Einnahme war es bei dem Patienten zu lebensbedrohlich herabgesetzten Blutgerinnungswerten gekommen, die eine Einweisung ins Krankenhaus zur Folge gehabt hatten. Das Gericht verhängte gegen den Apotheker eine Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen, was einem Monatsgehalt entspricht (www.lak-bw.de, 20.05.2008).

Vergessene "Pille"

Ein angestellter Apotheker, dem nachgewiesen wurde, dass er in zwei Fällen orale Kontrazeptiva ohne Vorlage einer ärztlichen Verordnung abgegeben hatte, wurde von einem baden-württembergischen Gericht zu einer Geldstrafe von 3000 DM verurteilt. Es wurde nicht strafmildernd berücksichtigt, dass der Apotheker keine finanziellen Vorteile verfolgte, ihm die Patientinnen namentlich bekannt waren und dass lediglich der Bedarf für einen Monat aus einer 6-Monats-Packung ausgefüllt wurde – unter Zurücklegung der restlichen Tabletten. Angesichts dieser recht drastischen strafrechtlichen Ahndung beschränkte sich das Stuttgarter Berufsgericht im sich anschließenden berufsrechtlichen Verfahren auf die Erteilung einer Verwarnung (Beschluss vom 11. 03. 1993, Az.: S 272/92).

Anweisung per Telefon?

Ein angestellter Apotheker landete vor dem Berliner Landgericht, weil er einer schwer heroin- und medikamentenabhängigen Kundin, die mehrfach mit starken Entzugserscheinungen (u. a. Zittern, Schweißausbrüche, epileptische Anfälle) in die Apotheke gekommen war und Rohypnol® ohne Rezept verlangte, das verschreibungspflichtige Benzodiazepin ausgehändigt hatte. Der Apotheker konnte allerdings belegen, dass er vor jeder Abgabe den behandelnden Arzt telefonisch konsultiert und dessen Zustimmung bekommen hatte. Der sehr formalistischen Auslegung des § 4 AMVV, dass der Arzt den Apotheker informieren muss und nicht der Apotheker den Arzt, folgte das Gericht nicht und sprach den Apotheker frei (DAZ 1997, Nr. 42, S. 129).

Das Bayerische Oberste Landesgericht kam im Urteil vom 12. Dezember 1995 (Az.: 4 St RR 259/95) in einem vergleichbaren Verfahren zum selben Ergebnis: Aufgrund der bereits vorliegenden bzw. zu erwartenden Entzugserscheinungen handelte es sich um dringende Fälle, in allen Fällen hatten telefonische Rücksprachen zwischen Apotheke und Arzt stattgefunden. Der von zwei Instanzen verurteilte Apotheker wurde am Ende des langjährigen Verfahrens freigesprochen.

Die Heilpraktiker-"Falle"

Dass Heilpraktiker zwar zur Ausübung der Heilkunde, nicht aber zum Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel befugt sind, musste eine Apotheke in Nordrhein-Westfalen lernen. Sie hatte über einen Zeitraum von drei Jahren in großem Umfang (250 Lieferungen mit über 800 Medikamenten) rezeptpflichtige Arzneimittel an einen Heilpraktiker geliefert. Der Argumentation des Apothekers, dass der Fehler im Unwissen seiner Mitarbeiter und in einem Fehler der Computersoftware liege, die nicht klar genug auf die Verschreibungspflicht hinweise, folgte das Gericht nicht. Es erinnerte den Pharmazeuten an seine Aufsichtspflicht und verhängte aufgrund des fahrlässigen Verstoßes eine Geldbuße in Höhe von 30.000 DM, die im weiteren Verfahren allerdings auf 1000 DM reduziert wurde (NJW 1996, Nr. 24, S. 1607).

Vorsicht, Testkauf!

Immer wieder führen Beauftragte von apothekenkritischen Medien, Tierärzten oder Standesorganisationen Testkäufe in Apotheken durch. Nach einem Bericht der FAZ Ende März 2009 gaben von 20 getesteten Apotheken fünf das Magenmittel Omeprazol in rezeptpflichtiger Dosierung ab, 14 das Schilddrüsenpräparat L-Thyroxin, zwölf ein orales Kontrazeptivum ("Pille") sowie alle ein Penicillinpräparat für einen angeblich in der Türkei lebenden Patienten. – Keine gute Bilanz für die Gesetzestreue in diesen Apotheken, die dem Ansehen aller deutschen Apotheken geschadet hat (DAZ 2009, Nr. 14, S. 22).

Dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt und auch manche Medizinprodukte der Verschreibungspflicht unterliegen, machte ein Verfahren des Berufsgerichts für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Meiningen im Januar 2006 deutlich. Ein Thüringer Apotheker hatte mangels Fortbildung nicht mitbekommen, dass quellende Sättigungskomprimate zur Behandlung von Übergewicht (hier: CM3 Kapseln) aufgrund beobachteter Risiken verschreibungspflichtig geworden waren. Ein durch seine Werbung ausgelöster Testkauf einer Konkurrenzapotheke führte zur Anzeige und zu einer Geldbuße in Höhe von 500 Euro (DAZ 2006, Nr. 17, S. 65).

Testkäufe zur Aufdeckung von Wettbewerbsverstößen sind rechtlich zulässig, können aber bei Vorliegen besonderer Umstände sittenwidrig sein. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen stellte mit Urteil vom 3. Februar 1993 (Az.: 2 ZA 10/88) fest, dass insbesondere Käufe, die den Bereich der Strafbarkeit erreichen, unzulässig sind. Konkret war im Verlauf eines Testkaufs eine Notlage vorgespielt worden, was als Verstoß gegen die Beachtung des standesrechtlichen Gebots der Kollegialität bewertet wurde und zu einer Verwarnung der als Testkäuferin auftretenden Apothekerin führte.

Welches Gericht ist zuständig?


Vor welchem Gericht das Fehlverhalten eines Apothekers verhandelt wird, richtet sich nach der Art und den Folgen des Fehlverhaltens.

Bei Verstößen gegen Gesetze, die die Berufsausübung regeln (z. B. Apothekengesetz, Arzneimittelgesetz), ist das Verwaltungsgericht zuständig.

Sind durch solche Verstöße Personen geschädigt worden, ist das Amtsgericht zuständig, das aufgrund des Strafgesetzbuchs entscheidet.

Zusätzlich folgt in beiden Fällen eine Verhandlung vorm Berufsgericht, weil Gesetzesverstöße und Straftaten automatisch Verstöße gegen die Berufsordnung darstellen.

Starker Kunde, schwacher Apotheker

Ein Apotheker aus dem Ruhrgebiet hatte mehr als zehn Jahre lang wider besseres Wissen rezeptpflichtige Arzneimittel ohne Rezept verkauft. Zwar habe er, so räumte er ein, mehrfach versucht, dieses Verhalten abzustellen, jedoch habe er immer wieder dem Verlangen der Kunden nachgegeben. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Beschluss vom 31. 08. 2007, Az.: 7 L 910/07) bietet ein solcher Apotheker nicht die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit. Der Entzug der Betriebserlaubnis war die Folge.

Dieselbe Strafe erhielt ein Apotheker aus Baden-Württemberg (Verwaltungsgerichtshof BW, Beschluss vom 20. 07. 1990, Az.: 9 S 1298/90) wegen der wiederholten illegalen Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel in einem Zeitraum von mindestens vier Jahren. Keine Entlastung brachte die Argumentation dieses unzuverlässigen Apothekers, die Arzneimittel nur bei akutem Bedarf und höchstwahrscheinlicher Rezeptnachreichung abgegeben zu haben. Auch die als Entschuldigung vorgebrachte Behauptung, die von ihm geübte Abgabepraxis sei in vielen Apotheken anzutreffen, fand kein Gehör.

Mitschuld des Personals?

Inwieweit machen sich eine PTA oder ein Pharmaziepraktikant strafbar, wenn an ihrem Arbeitsplatz die Vorschriften zur Verschreibungspflicht eher locker gesehen werden? Grundsätzlich müssen beide unter Aufsicht eines Apothekers arbeiten (§ 3 Absatz 5 Apothekenbetriebsordnung). Handeln sie auf Anordnung des sie beaufsichtigenden Apothekers gesetzeswidrig, so wird ihnen im Falle eines Gerichtsverfahrens keine Schuld gegeben. Möglicherweise müssen sie sich die Frage gefallen lassen, warum sie in der Apotheke offensichtliche Missstände beobachtet, aber nicht gemeldet haben.

Anders liegt der Fall bei angestellten Apothekerinnen und Apothekern. Da diese nicht unter Aufsicht arbeiten, sind sie für Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen voll verantwortlich. Höchstens strafmildernd mag die Aussage wirken, der Leiter habe die Rechtsverstöße angeordnet und für den Fall einer Verweigerung mit der Entlassung gedroht. Es ist zu erwarten, dass sich ein solcher Chef vor Gericht nicht mehr an derartige Anweisungen erinnern wird.

Ganz eindeutig ist die Verfahrensweise bei Leitern von Filialapotheken. Diese gelten nach dem Apothekengesetz (§ 2 Abs. 4 Nr. 2 ApoG) als Verantwortliche, die die Verpflichtungen zu erfüllen haben, wie sie im Apothekengesetz und in der Apothekenbetriebsordnung für Apothekenleiter festgelegt sind. Bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Verschreibungspflicht, die sich in einer Filialapotheke ergeben haben, wird der jeweilige Filialleiter zur Rechenschaft gezogen.

Fazit und Kommentar

Das von manchen Medienvertretern gepflegte und verbreitete Pauschalurteil, dass in deutschen Apotheken die gesetzlichen Vorschriften zur Rezeptpflicht nicht beachtet werden, hält einer kritischen Überprüfung nicht stand.

Die Einhaltung der im Interesse des gesundheitlichen Verbraucherschutzes erlassenen gesetzlichen Bestimmungen kann für Apothekerinnen und Apotheker eine schwierige Gratwanderung darstellen. Es bleibt eine rechtliche Grauzone, in der sie eine Entscheidung zwischen unterlassener Hilfeleistung und Verstoß gegen die AMVV zu treffen haben. Einige der hier vorgestellten Fälle machen deutlich, dass Richter bei vergleichbaren Sachverhalten zu unterschiedlichen Urteilen kommen können und dass den Apothekern sehr empfindliche Strafen drohen. Es kommt in derartigen Situationen darauf an, mit gesundem Menschenverstand die Problematik abzuwägen und sauber zu dokumentieren. Eine Patentlösung gibt es leider nicht.

Die zitierten Urteile wurden ausgewählt, weil sie typische Praxissituationen widerspiegeln. Sie erlauben keine Rückschlüsse auf die Häufigkeit und Schwere von Verstößen gegen die Rezeptpflicht in deutschen Apotheken.


Autor

Dr. Michael Schmidt,

Fachapotheker für Öffentliches Gesundheitswesen

Pfeiferstr. 15, 72108 Rottenburg

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