Recht

Dement – aber keine Patientenverfügung: spezielle Regelung

Auch die Angehörigen haben ein Wörtchen mitzureden

(bü). Klara W. betreut seit Jahren ihren schwer kranken Ehemann. Beide dachten nicht, für den Fall der Fälle eine Patientenverfügung mit anhängender Vorsorgevollmacht zu schreiben.

Was also tun, nachdem ihr Mann, inzwischen dement, nicht mehr in der Lage ist, eine solche Verfügung zu schreiben? Kann es passieren, dass in absehbarer Zeit ein Arzt darüber befindet, ob der Patient an Schläuche angeschlossen wird, um sein Leben zu erhalten – welches vielleicht kaum noch eines ist? Und das, obwohl er früher oft gesagt hatte, dass er keinesfalls "lebenserhaltende Maßnahmen" wünsche, wenn sicher sei, dass er nicht mehr selbst über seine Belange entscheiden könne?

Fakt ist: Patientenverfügungen, in denen aufgelistet ist, welche Behandlungen man untersagen will, wenn es nicht mehr möglich ist, selbst die Einwilligung in medizinische Behandlungen zu geben, müssen schriftlich abgefasst sein. Und dies "bei klarem Verstand".

Und eine solche Verfügung hat Ehemann W. nicht geschrieben. Er wird sie auch nicht mehr schreiben können. Seine Frau braucht dennoch nicht zu befürchten, für den Fall, dass das Leben ihres Gatten künstlich verlängert werden soll, den Ärzten allein gegenüber zu stehen. Denn für diesen Fall sieht das Gesetz über Patientenverfügungen, das seit September 2009 gilt, eine eigene Regelung vor.

Der mutmaßliche Wille

Im neuen § 1901a des Bürgerlichen Gesetzbuchs heißt es sinngemäß: Liegt keine Patientenverfügung vor, so hat der Betreuer oder die vom Kranken bevollmächtigte Person die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine vom Arzt vorgeschlagene Maßnahme, die das Leben des Betreuten verlängern soll, einwilligt.

Und weiter: "Der mutmaßliche Wille" ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln: Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen der betreuten Person.

Praktisch läuft das so ab: Der behandelnde Arzt prüft, welche medizinische Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose der Patienten angezeigt ist. Er und der Betreuer (beziehungsweise die bevollmächtigte Person, beispielsweise sein Ehepartner oder Kind) erörtert diese Maßnahme "unter Berücksichtigung des Patientenwillens" als Grundlage für seine Entscheidung. In jedem Fall soll bei der Feststellung des Patientenwillens "nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden".

Und in diesen Gesprächen kann der Wille des Patienten durchaus konkret festgestellt werden. So ist es möglich, schriftliche Äußerungen des Kranken aus früherer Zeit, die etwa aus einem Brief an einen Freund stammen, als Argumentationshilfe heranzuziehen. Auch mündlich getroffene Aussagen zählen – wenn es auch in diesem Fall schon etwas schwerer sein dürfte, dafür den Beweis anzutreten. Erinnern sich aber gleich mehrere Familienangehörige an entsprechende Äußerungen der pflegebedürftigen Person, so kommt das ihrer schriftlichen Ausführung schon ziemlich nahe.

Auch ein Gericht kann entscheiden

Liegen solche Erkenntnisse nicht vor, gibt es also weder frühere schriftliche noch mündliche Äußerungen, auf die zurückgegriffen werden könnte, dann bleibt nur noch eines: den "mutmaßlichen Willen" des Patienten zu erkunden. Es liegt auf der Hand, dass dann die Aussagen der Angehörigen oder anderen nahestehenden Personen ein stärkeres Gewicht haben als etwa die des Arztes oder auch des amtlichen Betreuers. (Wenn auch der Arzt naturgemäß "dem Leben verpflichtet" ist, also im Zweifel lebensverlängernde Maßnahmen vorschlagen wird.) Letztlich entscheidet das Betreuungsgericht (früher: Vormundschaftsgericht), wenn solche Überlegungen kein Ergebnis bringen, das von allen getragen werden kann.

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