Arzneibuch

1. Nachtrag zum Europäischen Arzneibuch

Am 1. Februar 2009 trat in Deutschland der 1. Nachtrag der 6. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur. 6.1) in Kraft. Er enthält 22 neue Texte, 58 revidierte Texte (56 Monographien und 2 allgemeine Texte) und 31 korrigierte Monographien sowie das Gesamtregister (Seiten 4743 bis 4808), das angibt, wo die jeweils aktuelle, das heißt gültige Fassung eines Textes der Ph. Eur. zu finden ist.
Seit Anfang Februar 2009 in Kraft Die amtliche deutschsprachige Ausgabe des 1. Nachtrags der 6. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs.

Bei den neuen Texten, die im 1. Nachtrag enthalten sind, handelt es sich um eine allgemeine Methode, einen allgemeinen Text und 20 Monographien (s. Kasten auf Seite 60). Die Übersicht der Änderungen findet sich auf den Seiten IX bis XI des 1. Nachtrags; daran schließt sich das hilfreiche, chronologische Verzeichnis aller Texte des Europäischen Arzneibuchs an.

Neue Texte

  • 2.2.60 Schmelztemperatur – Instrumentelle Methode

Diese zusätzliche allgemeine Methode zur Bestimmung der Schmelztemperatur wurde neu in die Ph. Eur. aufgenommen, sie wird üblicherweise in der Industrie verwendet. In neuen Monographien kann darauf Bezug genommen werden, oder sie kann im Zuge der Revision von Monographien die bisher existierenden Methoden ersetzen. Die Eignung der neuen Methode für die zu bestimmende Substanz muss mit Referenzmaterialien verifiziert werden.

  • 5.15 Funktionalitätsbezogene Eigenschaften von Hilfsstoffen

Da der Abschnitt "Funktionalitätsbezogene Eigenschaften" zunehmend in Hilfsstoffmonographien eingeführt wird (z. B. bei Hypromellose, Hypromellosephthalat, Lactose, Magnesiumstearat, Poly(vinylacetat)-Dispersion 30%), wurde nun der allgemeine Text 5.15 neu aufgenommen. Er erklärt den Status, Sinn und die Bedeutung der Angaben dieses Abschnitts.

Unter den neuen Monographien des 1. Nachtrags befinden sich fünf Monographien von Drogen bzw. Drogenzubereitungen, die für die öffentliche Apotheke Bedeutung haben können: Boldoblättertrockenextrakt, Quantifizierter, raffinierter Ginkgotrockenextrakt, Süßholzwurzeltrockenextrakt als Geschmackskorrigens, Weidenrindentrockenextrakt und Großer-Wiesenknopf-Wurzel.

Neue Texte im 1. Nachtrag zur Ph. Eur.


Allgemeiner Teil
2.2.60 Schmelztemperatur – Instrumentelle Methode
5.15 Funktionalitätsbezogene Eigenschaften von Hilfsstoffen
Monographien
Acemetacin
Bisoprololfumarat
Boldoblättertrockenextrakt
Clopamid
Desfluran
Ginkgotrockenextrakt, Quantifizierter, raffinierter
Magnesiumgluconat
Mangangluconat
Marbofloxacin für Tiere
Molsidomin
Natriumphenylbutyrat
Nifluminsäure
Pantoprazol-Natrium-Sesquihydrat
Saccharosemonopalmitat
Saccharosestearat
Selamectin für Tiere
Sertralinhydrochlorid
Süßholzwurzeltrockenextrakt als Geschmackskorrigens
Weidenrindentrockenextrakt
Wiesenknopf-Wurzel, Großer-

Revisionen von Methoden und Monographien

Die revidierten Texte machen den größten Anteil am Nachtragsband aus. In ihnen sind die geänderten oder neu hinzugefügten Textstellen durch horizontale Linien, gestrichene Textpassagen durch kurze vertikale Balken am Textrand gekennzeichnet. Diese Markierungen dienen dem Anwender zur schnellen Orientierung, um zu erkennen, an welchen Stellen die jeweiligen Texte aktualisiert worden sind.

Nachfolgend wird an einigen Beispielen aufgezeigt, warum und inwiefern bestimmte Monographien und sonstige Texte revidiert wurden.

Allgemeine Methoden

  • 2.9.40 Gleichförmigkeit einzeldosierter Arzneiformen

Der Text wurde geändert, um ihn für die Anwender verständlicher zu machen. Insbesondere wurde die für die Berechnung des Akzeptanzwerts verwendete Variable T detaillierter beschrieben.

Da die Ph. Eur.-Kommission mittlerweile entschieden hat, dass prinzipiell auch bei Zubereitungen zur kutanen Anwendung gefordert werden kann, dass sie die Gleichförmigkeit einzeldosierter Arzneiformen erfüllen müssen, wurde es als sinnvoll erachtet, diejenigen kutanen Zubereitung aufzuführen, für die diese Anforderungen üblicherweise nicht gelten. Daher wurde im einleitenden Teil des Texts 2.9.40 nun präzisiert, welche Zubereitungen zur kutanen Anwendung von den Anforderungen ausgenommen sind (Suspensionen, Emulsionen oder Gele in Einzeldosisbehältnissen zur kutanen Anwendung.). Auch Zubereitungen mit mehreren Vitaminen und/oder Spurenelementen sind von den Anforderungen 2.9.40 ausgenommen.

Allgemeine Monographien

  • Extrakte

Neben Änderungen, die Anforderungen zur Bestimmung des Lösungsmittelgehalts in halbfesten und festen Extrakten betreffend, wurden in dieser allgemeinen Monographie die zu den halbfesten Extrakten zählenden "Ölharze" neu aufgenommen. Zurzeit soll damit ein im angelsächsischen Raum auf dem Markt befindlicher Capsicum-Extrakt abgedeckt werden.

Monographien

  • Arnikablüten
  • Hamamelisblätter
  • Kanadische Gelbwurz
  • Mäusedornwurzelstock

Prüfung auf Identität B: Zeichnerische Darstellungen der Pulverdrogen wurden ergänzt und damit die Bedeutung der mikroskopischen Identitätsprüfung hervorgehoben.

  • Atropin

Prüfung auf Identität durch IR: Der bisher vorgeschriebene Vergleich gegen das Atropin-Referenzspektrum der Ph. Eur. wurde durch den Vergleich eines mittels CRS selbst aufgenommenen Referenzspektrums ersetzt.

Verwandte Substanzen: Die bisher bei dem Verfahren vorgeschriebene HPLC-Säule ist auf dem Markt nicht mehr in geeigneter Qualität zu erhalten, daher wurde ein neues, gleichzeitig verbessertes Verfahren entwickelt und in die Monographie aufgenommen.

  • Atropinsulfat

Verwandte Substanzen: Die bisherige DC-Prüfung auf "Fremde Alkaloide und Zersetzungsprodukte" wurde durch das HPLC-Verfahren "Verwandte Substanzen" der Monographie Atropin ersetzt. Dadurch wurde auch die bisherige Grenzprüfung auf Apoatropin (Absorptionsmessung) – das mit dem HPLC-Verfahren ebenfalls erfasst wird – überflüssig.

  • Bärentraubenblätter

Das flüssigchromatographische Gehaltsbestimmungsverfahren wurde modifiziert und damit verbessert, indem nun die chemische Referenzsubstanz Arbutin CRS verwendet wird und eine Referenzlösung b ergänzt wurde, die zur Verifizierung der Systemeignung dient.

  • Coffein
  • Dihydroergotaminmesilat

Verwandte Substanzen: Die bisherige DC-Prüfung wurde durch eine HPLC-Prüfung ersetzt, die eine verbesserte Kontrolle der Verunreinigungen ermöglicht. In der Transparenz-Angabe konnten weitere Verunreinigungen ergänzt (Coffein) bzw. erstmals eine Transparenz-Angabe aufgenommen werden (Dihydroergotaminmesilat).

  • Codein

Prüfung auf Identität durch IR: Der bisher vorgeschriebene Vergleich gegen das Codein-Referenzspektrum der Ph. Eur. wurde durch den Vergleich eines mittels CRS selbst aufgenommenen Referenzspektrums ersetzt.

  • Diethylphthalat

Bei der Prüfung Wasser wurde die Substanzeinwaage von 5,0 auf 10,0 g erhöht, um die titrimetrische Bestimmung (Karl-Fischer-Methode) mit ausreichender Genauigkeit durchführen zu können.

  • Glutathion

Verwandte Substanzen: Auf der Basis der Ergebnisse von Chargenprüfungen wurde der Grenzwert für Verunreinigung C [Bis(L-γ-glutamyl-L-cysteinylglycin)disulfid (Oxiglutation)] von bisher 1,0 auf 1,5 Prozent angehoben.

  • Hibiscusblüten

Bei der dünnschichtchromatographischen Prüfung auf Identität C wurde eine zweite Referenzsubstanz (Sulfanblau R neben dem bisherigen Chinaldinrot R) aufgenommen, um die Trennung und den Abstand der Zonen genauer festlegen (vorgeben) zu können. Ein neues, dezidierteres Beispielchromatogramm illustriert dies.

  • Hopfenzapfen

Prüfung auf Identität B: Die zeichnerische Darstellung der pulverisierten Droge wurde ergänzt. Die mikroskopische Beschreibung wurde durch folgende Aussage über die Drüsenhaare präzisiert: "normalerweise frei vorliegende Drüsenhaare mit 2-zelligem, 2-reihigem Stiel und einem aus 8 kleinen Zellen zusammengesetzten Köpfchen".

  • Hypromellosephthalat

Bisher waren im Abschnitt "Definition der Monographie" eine Gehaltsspezifikation (Prozentgehalt Phthaloyl-Gruppen) und im Abschnitt "Gehaltsbestimmung" ein zugehöriges Bestimmungsverfahren (alkalimetrische Titration) angegeben.

Diese Angaben wurden nun in den nichtverbindlichen Monographie-Teil "Funktionalitätsbezogene Eigenschaften" verschoben, weil der Gehalt an Phthaloyl-Gruppen für die technologischen Eigenschaften der Substanz von Bedeutung ist.

Im Abschnitt "Funktionalitätsbezogene Eigenschaften" wurde als Charakteristikum auch die Unlöslichkeit der Substanz in 0,1 M Salzsäure aufgenommen, weil dies die grundlegende Eigenschaft für ihren Einsatz als magensaftresistentes Überzugsmittel ist.

  • Ibuprofen

Wegen der hohen Reinheit der Chargen des Marktes wurden die Grenzwerte der Verunreinigungen (Verwandte Substanzen) viel enger gefasst: Einzelne spezifizierte Verunreinigungen wurden von ehemals 0,3 auf 0,15 Prozent begrenzt. Aufgrund der hohen Tagesmaximaldosis (> 2 g/d) wurde auch der Grenzwert für nichtspezifizierte Verunreinigungen auf 0,05 Prozent erniedrigt. Die Reinheitsanforderungen der Substanz wurden damit stark angehoben.

  • Lidocain

Prüfung auf Identität: Aus der ersten Identifikationsreihe (instrumentell) wurde die Bestimmung des Schmelzpunkts gestrichen, da das IR-Spektrum alleine aussagekräftig ist.

Die zweite, in der Apotheke durchführbare Identifikationsreihe wurde vereinfacht, um die Verwendung von toxischen Reagenzien (Pikrinsäure und Co(II)-nitrat) zu vermeiden.

Die Prüfungen Aussehen der Lösung und Schwermetalle wurden gestrichen, weil die Substanz nicht für die parenterale Anwendung vorgesehen ist.

Verwandte Substanzen: Die DC-Prüfung auf 2,6-Dimethylanilin (Verunreinigung A) wurde durch ein HPLC-Verfahren ersetzt, das zusätzlich in der Lage ist, andere verwandte Substanzen zu erfassen. Konsequenterweise wurde eine Liste von Verunreinigungen (Transparenz-Angabe) in die Monographie aufgenommen.

  • Morphinhydrochlorid
  • Morphinsulfat

Verwandte Substanzen: Das bisherige HPLC-Verfahren wurde verändert, um eine bessere Trennung der Verunreinigungen zu erhalten. Morphinon (Verunreinigung E) wurde in einer Konzentration von 0,2 Prozent als unbedenklich anerkannt und zählt nun zu den spezifizierten Verunreinigungen.

  • Natriummonohydrogenphosphat-Dodecahydrat

Wasser: Bisher war die Prüfung (Karl-Fischer-Methode) mit Formamid R als Bestandteil des Lösungsmittels vorgeschrieben. Dessen möglicher eigener Wassergehalt beeinträchtigte die Genauigkeit der Bestimmung. Daher wird nun Formamid R 1 als Bestandteil eingesetzt, bei dem der Wassergehalt auf höchstens 0,1 Prozent begrenzt ist.

Gehaltsbestimmung: Bisher wurde bei der Gehaltsspezifikation auf die wasserfreie Substanz bezogen, und dementsprechend ging in Formel zur Berechnung des Gehalts der Wassergehalt der Karl-Karl-Fischer Bestimmung ein. Da aber bereits geringe Fehler bei der Bestimmung des Wassergehalts große Auswirkungen auf den ermittelten Gehalt der Substanz haben, wird der Wassergehalt bei der Gehaltsbestimmung der Substanz nicht mehr berücksichtigt. Die Gehaltsspezifikation in der Definition der Monographie bezieht sich nun auf das Dodecahydrat.

  • Povidon

Die Monographie ist das Ergebnis der internationalen Harmonisierung zwischen Ph. Eur., USP und J. P.

Prüfung auf Identität E (Löslichkeit in Wasser): Die bisherige Forderung, dass sich die Substanz in Wasser leicht löst, wurde verändert, da sich die üblichen Substanzchargen unter den angegebenen Bedingungen erst nach Schütteln in Wasser lösen.

In den Prüfungen "Viskosität, ausgedrückt als K‑Wert", "Aldehyde", "Peroxide", "Hydrazin", "Verunreinigung A 1 (Vinylpyrrolidin-2-on)", "Verunreinigung B (2-Pyrrolidon)" und "Gehaltsbestimmung" wurden kleinere Änderungen vorgenommen, und eine Prüfung auf Ameisensäure wurde neu aufgenommen.

  • Tetracainhydrochlorid

Die bisherige DC-Prüfung auf Verwandte Substanzen wurde durch eine HPLC-Prüfung ersetzt.

Der Lagerungshinweis "Vor Licht geschützt" wurde um die Angabe "Dicht verschlossen" ergänzt, weil die Substanz hygroskopisch ist.

  • Teufelskrallenwurzel

Prüfung auf Identität B: Bei der mikroskopischen Beschreibung der Pulverdroge wurden Präzisierungen vorgenommen.

Prüfung auf Identität C: Bei der DC-Identitätsprüfung wurden in der Referenzlösung Fructose als Vergleichsubstanz und schematische Darstellungen typischer Chromatogramme ergänzt.

Das Gehaltsbestimmungsverfahren (HPLC) wurde mit dem der Monographie Teufelskrallenwurzeltrockenextrakt harmonisiert.

  • Triglyceroldiisostearat

Der Grenzwert für Sulfatasche wurde von 0,1 auf 0,5 Prozent erhöht, weil die Substanz "Natrium-Reste" aus dem Herstellungsverfahren aufweisen kann.

  • Weidenrinde

Prüfung auf Identität B: Bei der mikroskopischen Beschreibung wurden bisherige Angaben gestrichen ("verdickte suberinhaltige Korkzellen", "verholzte Fasern und Gefäße aus dem Xylem").

Bei der dünnschichtchromatographischen Prüfung auf Identität C wurde eine zweite Referenzsubstanz (Chlorogensäure R neben dem bisherigen SalicinR) aufgenommen, um die Trennung und den Abstand der Zonen genauer festlegen (vorgeben) zu können. Ein dezidiertes Beispielchromatogramm illustriert dies.

Das Verfahren der flüssigchromatographischen Gehaltsbestimmung wurde dem der Monographie Weidenrindentrockenextrakt angepasst.

Außer den neuen und revidierten Texten enthält der 1. Nachtragsband des Europäischen Arzneibuchs auch 31 korrigierte (= berichtigte) Texte. In diesen Texten wurden kleinere Fehler beseitigt. Das Gesamtregister zum Europäischen Arzneibuch schließt den Band ab.

Literatur

Comments concerning some revised/corrected texts published in Supplement 6.1. Pharmeuropa 2007;19(4):569 – 574.

Autor

Dr. Rainer Mohr, Berlin

ramoki@yahoo.com

Das Arzneibuch


Das amtliche Arzneibuch umfasst
  • das Deutsche Arzneibuch 2008 (DAB 2008; Loseblattwerk im Ringordner; seit 01.11.2008 in Kraft)
  • die amtliche deutsche Ausgabe der 6. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur.), bestehend aus dem dreibändigen Grundwerk (seit 01.11.2008 in Kraft) und nunmehr einem Nachtragsband (seit 01.02.2009 in Kraft)
  • das Homöopathische Arzneibuch 2008 (HAB 2008; Loseblattwerk in 2 Ringordnern; seit 01.10.2008 in Kraft)

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