Arzneibuch

8. Nachtrag zum Europäischen Arzneibuch

Aktuelle Änderungen im Überblick
Von Rainer Mohr

Am 1. Februar 2008 trat in Deutschland der 8. Nachtrag der 5. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur. 5.8) in Kraft. Er enthält 18 neue Texte (16 Monographien und zwei allgemeine Methoden), 44 revidierte Texte (43 Monographien und eine allgemeine Methode) und 14 korrigierte Monographien.

Der 8. Nachtrag der Ph. Eur. ergänzt und aktualisiert das Europäische Arzneibuch und ist im Zusammenhang mit dem Grundwerk und den ersten sieben Nachträgen zu sehen. Er enthält das Gesamtregister (Seiten 7239 bis 7303), das angibt, wo die jeweils aktuelle, das heißt gültige Fassung eines Textes der Ph. Eur. zu finden ist.

Bei den neuen Texten, die im 8. Nachtrag enthalten sind, handelt es sich um zwei allgemeine Methoden und 16 Monographien (s. Kasten). Die Übersicht der Änderungen findet sich auf den Seiten IX bis XI des 8. Nachtrags; daran schließt sich das hilfreiche, chronologische Verzeichnis aller Texte des Europäischen Arzneibuchs an.


Neue Texte im 8. Nachtrag zum Europäischen Arzneibuch

Allgemeiner Teil
2.4.32 Gesamtcholesterol in Omega-3-Säuren-reichen Ölen
5.1.7 Virussicherheit
Monographiegruppen
Allgemeine Monographien
Ätherische Öle
Einzelmonographien zu Impfstoffen für Tiere
Salmonella-Enteritidis-Impfstoff (inaktiviert) für Hühner
Salmonella-Typhimurium-Impfstoff (inaktiviert) für Hühner
Einzelmonographien zu Radioaktiven Arzneimitteln
Iobenguansulfat zur Herstellung von radioaktiven Arzneimitteln
Homöopathische Zubereitungen und Einzelmonographien zu Stoffen für homöopathische Zubereitungen
Vorschriften zur Herstellung homöopathischer konzentrierter Zubereitungen und zur Potenzierung
Monographien
Latschenkiefernöl
Metolazon
Mirtazapin
Moxifloxacinhydrochlorid
Paclitaxel
Poly(vinylacetat)-Dispersion 30%
Rizinusöl, Raffiniertes
Testosterondecanoat
Testosteronisocaproat
Triglyceroldiisostearat
Zitronenverbenenblätter

Seit Anfang Februar 2008 in Kraft Die amtliche deutsche Übersetzung des 8. Nachtrags des Europäischen Arzneibuchs.

Der 8. Nachtrag ist der letzte Ergänzungsband der 5. Ausgabe der Ph. Eur. Sie wird ab Herbst 2008 komplett durch die 6. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur. 6.0) abgelöst.

Ab der 6. Ausgabe wird es erstmals möglich sein, dass Bezieher entscheiden können, ob sie die Ph. Eur. weiterhin als Buch oder in der neuen, elektronischen Fassung als CD-ROM erhalten wollen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat bestätigt, dass es den Apotheken freisteht, eine solche elektronische Version zu benutzen.

Revisionen von Methoden und Monographien

Die revidierten Texte von einer allgemeinen Methode und 43 Monographien machen den größten Anteil am Nachtragsband aus. In ihnen sind die geänderten oder neu hinzugefügten Textstellen durch horizontale Linien, gestrichene Textpassagen durch kurze vertikale Balken am Textrand gekennzeichnet. Diese Markierungen dienen dem Anwender zur schnellen Orientierung, um zu erkennen, an welchen Stellen die jeweiligen Texte aktualisiert worden sind.

Nachfolgend wird an einigen Beispielen aufgezeigt, warum und inwiefern bestimmte Monographien und sonstige Texte revidiert wurden.

Allgemeine Monographien

  • Extrakte

Im Abschnitt Definition wurde die Angabe aufgenommen, dass bei der Arzneimittelherstellung verwendete Extrakte tierischer Herkunft den Anforderungen des neuen allgemeinen Textes "5.1.7 Virussicherheit" (8. Nachtrag) entsprechen müssen.

  • Substanzen zur pharmazeutischen Verwendung

Im Abschnitt Definition wurde der Hinweis aufgenommen, dass Substanzen zur pharmazeutischen Verwendung den Bestimmungen des allgemeinen Textes "5.1.7 Virussicherheit" genügen müssen, wenn zu ihrer Herstellung Material menschlicher oder tierischer Herkunft verwendet wurde.

  • Pflanzliche fette Öle

Die wichtigste Änderung in dieser Monographie ist eine Anforderung zur Begrenzung von Benzo[a]pyren. Das Auftreten solcher Polyaromaten in pflanzlichen Ölen hängt sehr stark mit den Trocknungsbedingungen der Pflanzensamen zusammen, weil dabei Verbrennungsgase mit den Samen in Kontakt kommen können.

Da Benzo[a]pyren seit dem 1. Mai 2005 laut EG-Verordnung begrenzt werden muss, wurde diese Anforderung in den Abschnitt Herstellung aufgenommen. Der Hersteller muss durch geeignete Maßnahmen, Prozessleitung und Analytik sicherstellen, dass der Grenzwert von Benzo[a]pyren im Endprodukt nicht überschritten wird. Der Bezieher/Anwender eines pflanzlichen fetten Öls kann dies am fertigen Produkt nicht mehr verifizieren bzw., die nötige Analytik dazu wäre zu aufwendig, sie dem Anwender aufzuerlegen.

Monographien zu Darreichungsformen

  • Tabletten

Im Abschnitt Definition wurde festgelegt, dass Tabletten neben dem Pressverfahren auch durch andere Verfahren wie Extrusion, Gießen oder Gefriertrocknung hergestellt werden können. Konsequenterweise wurde ein neues Unterkapitel "Lyophilisate zum Einnehmen” mit den Abschnitten Definition, Herstellung und Prüfung auf Reinheit in die Monographie Tabletten aufgenommen.

  • Homöopathische Zubereitungen

Hier wurde im Abschnitt Definition aktualisiert, dass Ausgangsstoffe tierischer oder menschlicher Herkunft für die Herstellung homöopathischer Zubereitungen auch die Anforderungen des Textes "5.1.7 Virussicherheit" erfüllen müssen.

Monographien

  • Ampicillin-Trihydrat

Definition: Die obere Gehaltsgrenze wurde auf 102,0 Prozent erhöht, um die dem Gehaltsbestimmungsverfahren per HPLC eigene Präzision zu berücksichtigen.

Gehaltsbestimmung: Einige Systemeignungskriterien, die in der individuellen Monographie nicht mehr benötigt werden, weil sie in der übergeordneten allgemeinen Methode "2.2.46 Chromatographische Trennmethoden" enthalten sind, wurden gestrichen.

Lagerung: Die bisher geforderte maximale Lagertemperatur (unterhalb von 30 °C) wurde gestrichen, da klar ist, dass die Substanz bei einer fehlenden Temperaturangabe, maximal bei Raumtemperatur gelagert werden soll.

Verunreinigungen: In der Transparenz-Angabe wurde die neue Verunreinigung N aufgenommen.

  • Wasserfreies Calciumlactat
  • Calciumlactat-Monohydrat
  • Calciumlactat-Pentahydrat
  • Calciumlactat-Trihydrat

Bei diesen Monographien wurde die bisher vorgeschriebene HPLC-Prüfung auf verwandte Substanzen (hier: niedere Carbonsäuren) und damit auch die Transparenz-Angabe komplett gestrichen. Die Europäische Arzneibuch-Kommission ist der Meinung, dass hier die allgemeine Politik für "anorganische Substanzen" gilt, nach der Reinheitsprüfungen auf den inaktiven Teil der Verbindung nicht als erforderlich angesehen werden. Bei wasserfreiem und hydratisiertem Calciumlactat wurde Calcium als der alleinige wirksame "anorganische Bestandteil" betrachtet.

  • Tricalciumphosphat

Die potentiometrische Grenzprüfung auf Fluorid unter Verwendung einer ionenselektiven Elektrode wird nun nach Methode II (mehrfacher Referenzzusatz), anstelle Methode I (direkte Kalibrierung) durchgeführt.

  • Cayennepfeffer

 

  • Quantifiziertes, raffiniertes Cayennepfefferölharz

 

  • Eingestellte Cayennepfeffertinktur

 

Die auf den unerlaubten Zusatz des synthetischen Pseudocapsaicins gerichtete Reinheitsprüfung "Nonivamid" und die Gehaltsbestimmung in der Monographie Cayennepfeffer wurden entsprechend den Monographien der beiden Cayennepfefferzubereitungen modifiziert (Einführung von Nonivamid- und Capsaicin CRS). Bei allen drei Monographien wurde in der Prüfung "Nonivamid" das Auflösungskriterium der Eignungsprüfung den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst (von mind. 3,0 auf mind. 1,5 erniedrigt).

  • Cilastatin-Natrium

Unter Eigenschaften wurde die Löslichkeitsangabe für Dimethylsulfoxid revidiert.

  • Dopexamindihydrochlorid

Bei der Prüfung auf Schwermetalle wurde die Grenzprüfung C (Veraschung mit MgSO4 + H2 SO4) durch Grenzprüfung A (Prüfung aus der Substanzlösung) ersetzt, um die Gefahr der Verflüchtigung von Schwermetallen während der Veraschung der Probe zu vermeiden.

Wasser: Wegen der bisherigen Schwierigkeiten, die Prüfung mit 2 g Substanz durchzuführen, wurde die Einwaage auf 1,00 g verringert.

Gehaltsbestimmung: Der bisherige, für die Titration mit Perchlorsäure in Acetanhydrid/wasserfreier Ameisensäure wichtige Sicherheitshinweis wurde noch um den Hinweis ergänzt, die Titration sofort nach der Herstellung der Prüflösung durchzuführen. Dies ist wegen der Möglichkeit der Acetylierung der Substanz und damit Verfälschung des Ergebnisses nötig.

  • Enalaprilat-Dihydrat

Verwandte Substanzen: Da die bisher verwendete Enalaprilat zur Peak-Identifizierung CRS (sie enthielt Verunreinigung G) nicht mehr in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellt werden kann, wurde sie durch Enalaprilat-Verunreinigung G CRS ersetzt und die Vorschrift entsprechend modifiziert.

  • Epinephrinhydrogentartrat

Die Prüfung auf Identität A (spezifische Drehung) wurde so verändert, dass bei der Gewinnung der Adrenalinbase kein Diethylether mehr verwendet wird. Zusätzlich wurde der niedrigere Grenzwert der spezifischen Drehung leicht geändert (von bisher –54 auf –53,5). Dies geschah im Hinblick auf ein Angleichen mit der zukünftigen, mit der USP und J. P. international harmonisierten Monographie.

Prüfung auf Identität B (IR-Spektroskopie): Die Prozedur zur Herstellung der Adrenalinbase aus der CRS wurde detaillierter beschrieben.

Im Abschnitt Prüfung auf Reinheit wurden die Prüfungen auf Adrenalon (Absorptionsmessung) und auf Norepinephrin (DC-Prüfung) durch eine HPLC-Prüfung auf Verwandte Substanzen ersetzt. Mit ihr werden alle bekannten Verunreinigungen erfasst. Dadurch konnte eine Liste der von den Prüfungen der Monographie detektierten Verunreinigungen (Transparenz-Angabe) aufgenommen werden.

  • Hypromellosephthalat

Die Monographie wurde im Rahmen der internationalen Harmonisierung der Arzneibücher (Ph. Eur., USP und J. P.) folgendermaßen revidiert:

Die Identifizierung erfolgt nur noch per IR-Spektroskopie, die zusätzliche Prüfung der filmbildenden Eigenschaften ist daneben nicht mehr erforderlich.

Freie Phthalsäure: Die bisher in der mobilen Phase verwendete Cyanessigsäure wurde durch Trifluoressigsäure ersetzt (die Basislinie ist dadurch stabiler).

Chlorid: Die Vorgehensweise zur Herstellung der Untersuchungslösung bevor Silbernitrat-Lösung zugesetzt wird, wurde modifiziert.

Wasser: Die bisher in der Monographie vorgeschriebene Menge an Methanol wurde weggelassen, weil die Prüfung auch nach der Vorschrift der revidierten Fassung der "2.5.12 Halbmikrobestimmung von Wasser – Karl-Fischer-Methode" (7. Nachtrag) funktioniert, die es dem Analytiker überlässt, die genauen Prüfbedingungen zu wählen und deren Eignung nachzuweisen.

Funktionalitätsbezogene Eigenschaften: Dieser, wie seine Einleitung angibt, nicht verbindliche Abschnitt, wurde neu aufgenommen. Er listet Prüfungen bzw. Eigenschaften auf, die für die galenische Verwendung dieses Hilfsstoffs relevant sind. Diese Eigenschaften und Kenngrößen sollen zwischen dem Hilfsstofflieferanten/-hersteller und dem Hersteller eines Produkts (Arzneiformhersteller) abgestimmt werden. In diesem speziellen Fall sind als relevante Eigenschaften für "Hypromellosephthalat, das als magensaftresistentes Überzugsmittel verwendet wird" die Viskosität und die Löslichkeit aufgeführt.

Das Arzneibuch

Das amtliche Arzneibuch umfasst

  • das Deutsche Arzneibuch 2007 (DAB 2007), ein Loseblattwerk im Ringordner
  • die amtliche deutsche Ausgabe der 5. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur.), bestehend aus dem zweibändigen Grundwerk und nunmehr acht Nachtragsbänden
  • das Homöopathische Arzneibuch 2007 (HAB 2007), ein Loseblattwerk in zwei Ringordnern
  • myo-Inositol

Leitfähigkeit: Der Grenzwert wurde geringfügig angehoben (von 20 auf höchstens 30 μS · cm–1), um die Änderung der Messtemperatur bei der revidierten, allgemeinen Methode "2.2.38 Leitfähigkeit" (1. Nachtrag) und die Ergebnisse aktueller Substanzchargen zu berücksichtigen.

Blei: Da sich die Substanz unter den Bedingungen der allgemeinen Methode unter Umständen nicht vollständig löst, wurde eine individuelle Modifikation bei der Herstellung der Prüflösung in die Monographie aufgenommen.

Wasser: Die erforderliche Genauigkeit bei der Einwaage der Substanzmenge wurde verringert.

  • Poloxamere

Unter Eigenschaften wurden die bisher eher allgemeinen Angaben des Aussehens und der Löslichkeit genauer den unterschiedlichen Poloxamer-Typen zugeordnet.

  • Hydriertes Rizinusöl

Unter Eigenschaften wurden die Löslichkeitsangaben für Dichlormethan und Petroläther revidiert.

  • Raffiniertes Sesamöl

Identifizierung: Da die Prüfung des Brechungsindex unter Prüfung auf Reinheit gestrichen worden ist, wurde auch die bisherige Prüfung auf Identität A, die darauf Bezug nahm, gestrichen.

Die Anforderung an die Säurezahl wurde erhöht (von 0,6 auf höchsten 0,5 herabgesetzt).

Triglycerid-Zusammensetzung: Das LC-Verfahren, bei dem bisher ein Refraktometer als Detektor vorgeschrieben war, wurde nun auf einen Verdampfungsstreulichtdetektor umgestellt und in dem Zusammenhang komplett überarbeitet (z. B. nun Gradientenverfahren anstelle von isokratischem Verfahren). Das neue Verfahren erlaubt eine bessere Trennung und erfasst zusätzliche Triglyceride, die etwa 12 Prozent der gesamten Triglyceride ausmachen und bisher unerkannt blieben.

Als Ergebnis einer Studie, an der mehrere Labors beteiligt waren, wurden auch die bisherigen Grenzwerte der Triglyceride OOL und POL geändert.

  • Sulbactam-Natrium

pH-Wert: In der Monographie werden nun separate Grenzwerte für sterile und für nicht sterile Substanz angegeben. Auf der Basis aktueller Chargenprüfungen wurden die Grenzwerte für nicht sterile Substanz auf 4,5 bis 7,2 festgesetzt und damit im Vergleich zu den bisherigen Werten erweitert. Für sterile Substanz wurden die bisherigen Grenzwerte (5,2 bis 7,2) festgesetzt, in Übereinstimmung mit den Angaben im Japanischen Arzneibuch (J. P.).

  • Thioridazin

Die Monographie wurde folgendermaßen revidiert, um sie der Monographie Thioridazinhydrochlorid (4. Nachtrag) anzupassen:

Die Prüfung auf Identität erfolgt jetzt nur noch per IR-Spektroskopie.

Verwandte Substanzen: Die bisherige DC-Methode wurde durch eine Flüssigchromatographie ersetzt. Aufgrund der Ergebnisse von Chargenprüfungen mit der neuen Methode konnten die Grenzwerte für einzelne Verunreinigungen von 0,2 (nach DC) auf 0,1 Prozent (nach HPLC) heruntergesetzt und ein Grenzwert für die Summe aller Verunreinigungen festgesetzt werden. Eine Liste von Verunreinigungen (Transparenz-Angabe) wurde in die Monographie aufgenommen.

Außer den neuen und revidierten Texten enthält der 8. Nachtragsband des Europäischen Arzneibuchs auch 14 korrigierte (= berichtigte) Texte. In diesen Texten wurden kleinere Fehler beseitigt. Das Gesamtregister zum Europäischen Arzneibuch schließt den Band ab.

 

 

Literatur

Comments concerning some revised/corrected texts published in Supplement 5.8. Pharmeuropa 19, 13-17 (2007).

 


Anschrift des Verfassers:

Dr. Rainer Mohr
Verlagsgruppe Deutscher Apotheker Verlag,
Hauptstadtbüro, Palais am Festungsgraben,
Am Festungsgraben 1
10117 Berlin
rmohr@deutscher-apotheker-verlag.de

 

 

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