Arzneimittel und Therapie

Nutzen einer Chemotherapie bei rezeptornegativen Tumoren

Bei einem hormonrezeptornegativen Mammakarzinom senkt eine Polychemotherapie langfristig die Rezidivrate und verringert die Brustkrebs- und Gesamtmortalitätsrate. Da dieser Benefit mit Hilfe älterer Zytostatika erzielt wurde, ist anzunehmen, dass der Einsatz neuerer Substanzen und die stärkere Berücksichtigung der Tumorbiologie zu noch besseren Ergebnissen führen.

Die Therapie eines Mammakarzinoms hängt unter anderem vom Hormonrezeptorstatus ab. So werden hormonrezeptornegative Tumore vorwiegend chemotherapeutisch, hormonrezeptorpositive Tumore antihormonell (und bei Bedarf zusätzlich zytotoxisch) behandelt. Doch wie groß ist der langfristige Nutzen einer Chemotherapie, welche Altersgruppe profitiert am meisten und wird der Therapieerfolg durch Tamoxifen beeinflusst? Mit diesen Fragen befasste sich eine Meta-Analyse der EBCTC-Gruppe (EBCTCG = Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group). Zur Auswertung kamen 46 randomisierte Studien mit rund 6000 Patientinnen, in denen Polychemotherapien einer chemotherapiefreien Behandlung gegenüber gestellt wurden. Da die Studien zwischen 1975 und 1996 durchgeführt wurden, kamen vorwiegend ältere Chemotherapieregime (CMF = Cyclophosphamid, Methotrexat, Fluorouracil oder FAC = Fluorouracil, Doxorubicin, Cyclophosphamid bzw. FEC = Fluorouracil, Epirubicin, Cyclophosphamid) zum Einsatz. Für neuere, taxanhaltige Protokolle (Docetaxel oder Paclitaxel) liegen noch keine Daten vor. Ferner wurden 50 Studien mit annähernd 14.000 rezeptornegativen Frauen analysiert, in denen im Zeitraum von 1972 –1993 die Gabe von Tamoxifen versus keine Tamoxifeneinnahme (bei teilweise zusätzlicher Polychemotherapie) miteinander verglichen wurde. Studienendpunkte waren die Rezidivrate nach zehn Jahren, die Brustkrebsmortalitätsrate sowie die Gesamtmortalitätsrate (letztere wurde bestimmt, um die langfristige Sicherheit der Polychemotherapie beurteilen zu können).

Höhere Überlebensrate

Eine Polychemotherapie verringerte bei rezeptornegativen Tumoren das erneute Auftreten der Erkrankung und reduzierte die Brustkrebssterblichkeit sowie die Gesamtmortalitätsrate. Dieser Benefit wurde in allen untersuchten Altersgruppen festgestellt (s. Tabelle; für über 70jährige Patientinnen liegen zu wenige Daten vor, um zuverlässige Ergebnisse zu ermitteln). Die zytotoxische Behandlung reduzierte die Zehn-Jahres-Brustkrebssterblichkeit bei nodalnegativen und nodalpositven Patientinnen um 6 bis 8%. Die Einnahme von Tamoxifen beeinflusste bei hormonrezeptornegativen Patientinnen das erneute Auftreten der Erkrankung und die Mortalitätsraten nur gering und übte keinen signifikanten Einfluss auf die Effekte einer Polychemotherapie aus. Anmerkung: Heute wird Tamoxifen nicht mehr bei rezeptornegativen Tumoren eingesetzt.

Zehn-Jahres-Risiko für ein erneutes Auftreten der Brustkrebserkrankung sowie für die Mortalität nach einer Polychemotherapie (PCT) und nach einer chemotherapiefreien Behandlung         
 RezidivBrustkrebsmortalitätGesamtmortalität
AlterPCTkeine PCTratio für 10-Jahres-RisikoPCTkeine PCTratio für 10-Jahres-RisikoPCTkeine PCTratio für 10-Jahres-Risiko
< 5033%45%

0,73;

2p < 0,00001

24%32%0,73; 
2p = 0,0002
25%33%0,75
2p = 0,0003
50 bis 6942%52%0,82;
2p < 0,00001
36%42%0,86; 
2p = 0,0004
39%45%0,87; 
2p = 0,0009

Kommentar

Ein begleitender Kommentar vermutet, dass mit neuen Therapien und unter Berücksichtigung prädiktiver und prognostischer Faktoren bessere Ergebnisse erzielt werden könnten. In den ausgewerteten Studien wurde die Tumorbiologie nur rudimentär berücksichtigt. Heute ist bekannt, dass nicht nur der Hormonrezeptorstatus, sondern auch weitere Faktoren wie Her-2-Überexpression, BRCA-Mutationstyp, EGFR-Expression etc. bei der Auswahl entsprechender Therapien berücksichtigt werden müssen. Auch stehen neuere Zytostatika (Taxane wie Docetaxel und Paclitaxel sowie Trastuzumab) und Supportiva (wie etwa Wachstumsfaktoren) zur Verfügung, die effektivere Therapien ermöglichen. Wahrscheinlich kann der Nutzen einer Chemotherapie auch mit Hilfe von Genchips (Ermittlung bestimmter Gensignaturen) zuverlässig vorausgesagt werden, hierzu fehlen allerdings noch die Ergebnisse validierter Studien. Getestet werden derzeit Oncotype DX™ in der TAILORx-Studie (Trial Assigning Individualized Options for the Treatment Study) und MammaPrint® in der MINDACT-Studie (Microarray in Node-Negative Disease May Avoid Chemotherapy Study).

 

Quelle

Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group: Adjuvant chemotherapy in oestrogen-receptor-poor breast cancer: patient-level meta-analysis of randomised trials. Lancet 371, 29 – 40 (2008).

Yerushalmi R., et al.: Chemotherapy for oestrogen-receptor-negative breast-cancer. Lancet 371, 4 – 5 (2008).

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

Beim invasiven Mammakarzinom werden bereits in der Stanzbiopsie oder am entfernten Tumorgewebe der Estrogen- und der Progesteronrezeptorstatus ermittelt. Die Bestimmung erfolgt vorwiegend immunhistochemisch, wobei der Prozentsatz positiver Tumorzellkerne angegeben wird. Bei keinen positiven Tumorzellkernen gilt der Tumor als nicht hormonsensitiv; eine endokrine Therapie ist in diesem Fall nicht angezeigt. Bei 1 bis 9% positiver Tumorzellkerne gilt der Tumor als endokrin unsicher ansprechbar und bei >10% positiver Tumorzellkerne als endokrin ansprechbar. Prämenopausal weisen ungefähr 50 bis 60%, postmenopausal 70 bis 80% aller Mammakarzinome Estrogenrezeptoren auf.
Der Hormonrezeptorstatus gilt als prognostischer und prädiktiver Parameter, wobei seine prognostische Aussagekraft im Lauf der Erkrankung an Bedeutung verliert. Ein positiver Estrogenrezeptorstatus signalisiert vor allem für die ersten postoperativen Jahre eine günstige Prognose, für die Beurteilung des Langzeitüberlebens ist er weniger geeignet. Der Nachweis von Progesteronrezeptoren geht wesentlich enger mit einer günstigen Prognose einher. Beide Rezeptoren besitzen eine prädiktive Bedeutung für den Erfolg einer endokrinen Therapie, da ein hoher Rezeptorstatus eine höhere Ansprechwahrscheinlichkeit auf Hormone bedeutet. Sind beide Rezeptoren positiv, liegt die Ansprechrate bei rund 70 bis 80%. Patientinnen mit einem rezeptornegativen Status scheinen besser auf eine primäre Chemotherapie anzusprechen als Frauen mit einem positiven Status.

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