Arzneimittel und Therapie

Mammakarzinom: Prognostische und prädiktive Faktoren

Prognostische und prädiktive Faktoren gewinnen bei der individualisierten Therapie des Mammakarzinoms zunehmend an Bedeutung. Prognostische Faktoren geben Auskünfte über den zu erwartenden individuellen Krankheitsverlauf; prädiktive Faktoren weisen auf geeignete therapeutische Maßnahmen hin.

Prognosefaktoren mit gesicherter klinischer Relevanz sind die Tumorgröße, der axilläre Lymphknotenstatus, das Grading, der histologische Tumortyp, der Hormonrezeptorstatus und das Alter der Patientin. Seit der Konsensuskonferenz von St. Gallen 2005 werden der HER-2-neu-Status und die Gefäßinvasion ebenfalls zu den gesicherten Prognosefaktoren gezählt.

Risikoklassifikation nach dem Nodalstatus Der wichtigste Prognosefaktor im Hinblick auf Rezidiv und Überleben einer Brustkrebspatientin ist der axilläre Lymphknotenstatus, der so genannte Nodalstatus. Frauen mit nodalpositiven Tumoren gehören zur Patientinnengruppe mit erhöhtem Risiko.

Das Risiko eines Rezidivs bzw. das Gesamtüberleben korreliert direkt mit der Anzahl befallener Lymphknoten (siehe Abbildung 1). Zwischen der Größe des Primärtumors und dem axillären Lymphknotenbefall besteht ebenfalls eine positive Korrelation; die Größe des Primärtumors und die Überlebenszeit einer Brustkrebspatientin verhalten sich umgekehrt proportional. Ferner besteht eine Beziehung zwischen dem histologischen Grading und dem rezidivfreien Überleben. So liegt die Überlebensrate bei Grad-1-Tumoren bei über 80%, bei Grad-2-Tumoren bei knapp 60% und bei Grad-3-Tumoren nur noch bei rund 45%. Invasionen in benachbarte Blut- und Lymphgefäße sind mit einem erhöhten Rezidivrisiko assoziiert und gehen seit St. Gallen 2005 in die Risikoklassifizierung nodalnegativer Patientinnen mit ein, das heißt Patientinnen, die keine nachweisbar befallenen Lymphknoten haben.

Neue Prognosefaktoren Neben diesen etablierten Prognosefaktoren werden weit über 100 morphologische, biochemische, zellkinetische und genetische Aspekte diskutiert, die den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Es gibt indes nur wenige neue Prognosefaktoren, deren klinischer Nutzen nachgewiesen wurde. Dazu gehören tumorassoziierte Proteolysefaktoren, der Knochenmarkstatus und die Bestimmung des HER-2-neu-Status. Weitere Prognosefaktoren sind derzeit noch Gegenstand der Forschung und spielen nur im Rahmen von Studien eine Rolle, da sich aus dem Ergebnis ihrer Bestimmung keine klinischen Konsequenzen ableiten lassen.

Estrogen- und Progesteronrezeptorstatus Der Hormonrezeptorstatus kann als prognostischer und prädiktiver Parameter eingestuft werden, wobei seine prognostische Aussagekraft im Lauf der Erkrankung an Bedeutung verliert. Ein positiver Estrogenrezeptorstatus signalisiert vor allem für die ersten postoperativen Jahre eine günstige Prognose, für die Beurteilung des Langzeitüberlebens ist er weniger geeignet. Der Nachweis von Progesteronrezeptoren geht wesentlich enger mit einer günstigen Prognose einher. Beide Rezeptoren besitzen eine prädiktive Bedeutung für den Erfolg einer endokrinen Therapie, da ein hoher Rezeptorstatus eine höhere Ansprechwahrscheinlichkeit auf Hormone bedeutet. Sind beide Rezeptoren positiv, liegt die Ansprechrate bei rund 70 bis 80%. Patientinnen mit einem rezeptornegativen Status scheinen besser auf eine primäre Chemotherapie anzusprechen als Frauen mit einem positiven Status.

Estrogen- und Progesteronrezeptoren werden immunhistochemisch oder biochemisch bestimmt. Prämenopausal weisen ungefähr 50 bis 60%, postmenopausal 70 bis 80% aller Mammakarzinome Estrogenrezeptoren auf. Nicht selten wird ein Wechsel von positivem Rezeptornachweis am Primärtumor zum Rezeptorverlust in der metastasierenden Phase beobachtet, der dann mit einer Resistenz auf eine endokrine Therapie einhergeht. Eine mögliche Ursache könnte die Selektion rezeptornegativer Zellklone aus dem Tumorverband sein.

Proteolysefaktoren Tumorassoziierte Proteolysefaktoren wie der Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp (uPA) und sein Inhibitor PAI-1 (Plasminogenaktivator-Inhibitor Typ 1) sind am Abbau des Tumorstromas und der Basalmembran beteiligt und tragen so zur Invasions- und Metastasierungsfähigkeit der Tumorzellen bei. Gemeinsam mit dem uPA-Rezeptor ermöglichen sie die gerichtete Invasion der Krebszellen und spielen eine wichtige Rolle bei Adhäsion und Migration von Tumorzellen. Hohe Konzentrationen von uPA und/oder PAI-1 im Primärtumor gehen mit einem erhöhten Metastasierungsrisiko und einem kürzeren Gesamtüberleben einher. Umgekehrt haben nodalnegative Patientinnen mit niedrigem uPA und PAI-1 eine gute Prognose, so dass bei ihnen wahrscheinlich auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden kann. Brustkrebspatientinnen mit einem hohen uPA- und hohem PAI-1-Wert haben einen signifikant höheren Nutzen von einer adjuvanten Chemotherapie als Patientinnen mit niedrigem uPA und PAI-1. Die Bestimmung von uPA und PAI-1 erfolgt aus dem Tumorgewebeextrakt mittels eines standardisierten Testverfahrens (ELISA).

Knochenmarkstatus Der immunzytochemische Nachweis disseminierter epithelialer Tumorzellen im Knochenmark wird in der TNM-Klassifikation erfasst. In der weltweit anerkannten Stadieneinteilung maligner Tumore beschreibt T für Tumor die Ausdehnung des Primärtumors, N für Nodulus das Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen bzw. M (Metastase) das Vorhandensein von Fernmetastasen. In mehreren Studien konnte eine Korrelation disseminierter Tumorzellen im Knochenmark mit einer schlechteren Prognose nachgewiesen werden. Insbesondere bei Patientinnen mit axillärem Lymphknotenbefall weist das Vorhandensein disseminierter Tumorzellen im Knochenmark nach adjuvanter Chemotherapie auf ein Therapieversagen bzw. auf ein hohes Rezidivrisiko hin. Eine generelle Therapieempfehlung lässt sich aus dem Knochenmarkbefund derzeit noch nicht ableiten. Im Rahmen von Studien werden die im Knochenmark nachgewiesenen Tumorzellen charakterisiert sowie das Monitoring systemischer Chemotherapien mittels wiederholter Knochenmarkpunktion untersucht.

HER-2-neu-Status Auch der HER-2-neu-Status kann als prognostischer und prädiktiver Faktor eingestuft werden. Eine Amplifikation des HER-2-neu-Gens und die damit verbundene Überexpression des HER-2-neu-Proteins wird bei 20 bis 30% aller Mammatumoren nachgewiesen und ist mit einer ungünstigen Prognose assoziiert. Ein positiver HER-2-neu-Status ist voraussagend für das Ansprechen auf eine Therapie mit dem humanisierten Antikörper Trastuzumab (Herceptin®). Der HER-2-neu-Status scheint auch ein prädiktiver Marker für die Resistenz oder Sensitivität im Hinblick auf eine konventionelle Chemotherapie zu sein. Retrospektive Analysen weisen darauf hin, dass eine HER-2-neu-Überexpression mit einer Tamoxifenresistenz einhergeht. Prospektive Studien oder Metaanalysen zur Validierung der prädiktiven Bedeutung von HER-2-neu im Hinblick auf konventionelle adjuvante Therapien stehen noch aus. Jedoch scheinen bei einer HER-2-neu-Überexpression anthrazyklinhaltige Therapien wirksamer zu sein als CMF-Therapien, bestehend aus Cyclophosphamid, Methotrexat und Fluorouracil.

Die HER-2-neu-Bestimmung sollte gleichzeitig mit der immunhistochemischen Bestimmung des Steroidhormon-Rezeptorstatus am Primärtumor durchgeführt werden. Der HER-2-neu-Nachweis erfolgt routinemäßig über eine immunhistologische Bestimmung. Dabei wird eine Überexpression des HER-2-neu-Rezeptors auf der Zellmembran nachgewiesen. Die Überexpression wird mit einem semi-quantitativen Score (0,1+,2+,3+) bewertet. Bei einem 2+-Ergebnis wird ergänzend die FISH-Methode (Fluoreszenz in situ Hybridisierung) angewandt, mit der im Genom die Amplifikation des HER-2-neu–Locus nachgewiesen wird.

Prognostische und prädiktive Faktoren gewinnen bei der individualisierten Therapie des Mammakarzinoms zunehmend an Bedeutung. Prognostische Faktoren geben Auskunft über den zu erwartenden individuellen Krankheitsverlauf; prädiktive Faktoren weisen auf geeignete therapeutische Maßnahmen hin. Prognosefaktoren mit gesicherter klinischer Relevanz sind die Tumorgröße, der axilläre Lymphknotenstatus und das Alter der Patientin. Der Hormonrezeptorstatus kann als prognostischer und prädiktiver Parameter eingestuft werden.

Prognosefaktoren

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Klassische Prognosefaktoren

  • axillärer Lymphknotenstatus
  • primäre Tumorgröße
  • Grading
  • Estrogen- und Progesteron–rezeptorstatus
  • HER-2-neu-Status
  • Alter der Patientin bzw. Menopausenstatus
  • Gefäßinvasion

Neue Prognosefaktoren

  • tumorassoziierte Proteolysefaktoren uPA und PAI-1
  • Knochenmarkstatus (KM)

Prädiktive Faktoren

  • Rezeptorstatus
  • Menopausenstatus
  • HER-2-neu-Status

Die Zukunft: Genexpressionsprofile

Das Genexpressionsprofil eines Tumors kann mit einem DNA-Chip gemessen werden. Anhand dieser biologischen Signatur ist es möglich, die individuelle Prognose einer Patientin besser einzuschätzen. Beim diesjährigen Brustkrebskongress in San Antonio wurden zwei Studien vorgestellt, in denen das Rezidivrisiko mittels Gentest bestimmt wurde. Der Oncotype DX-Test ist auf der Basis von 21 Genen aufgebaut, ein weiterer auf der Grundlage von 76 Genen. Der 21-Gen-Recurrence-Score-Assay misst die Aktivität von 16 Onkogenen sowie von fünf Referenzgenen des Primärtumors. Die gemessenen Onkogene betreffen Zellproliferation, Estrogenrezeptor, Tumorinvasion, Her-2-neu-Status und prognostische Faktoren. Aus den Werten der Analyse wird ein Score ermittelt, der das Rezidivrisiko einschätzt. Ein weiterer Test, der das Risiko der Fernmetastasierung bei Lymphknoten-negativen Brustkrebspatientinnen einschätzen soll, basiert auf 76 Genen. Zur Zeit werden diese Tests noch nicht routinemäßig eingesetzt. Neben den hohen Kosten fehlt eine Standardisierung der gemessenen Werte und die Relevanz der vorliegenden Genexpression kann noch nicht exakt beurteilt werden.

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