Pharmakologie

Ibuprofen und Paracetamol im Wechsel geben?

In der Behandlung von Fieber bei Kindern scheint sich eine neue Strategie durchzusetzen. Die in der Pädiatrie in der Regel als Monotherapie verwendeten Antipyretika Ibuprofen und Paracetamol sollen, in Kombination oder alternierend gegeben, schneller und anhaltender das Fieber senken können. Dieses Vorgehen lehnen der Pharmakologe Prof. Dr. Dr. Kay Brune und Prof. Dr. Hannsjörg Seyberth, Vorsitzender der Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ), ab.

In eine soeben veröffentlichte britische Studie wurden 156 Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und sechs Jahren aufgenommen, die akut mit Fieber zwischen 37,8 und 41 °C erkrankt waren und zu Hause behandelt wurden. Die Kinder erhielten zur Fiebersenkung randomisiert entweder Paracetamol (15 mg/kg KG) oder Ibuprofen (10 mg /kg KG) oder eine Kombination beider Substanzen. Primäres Studienziel war die fieberfreie Zeit in den ersten fünf Stunden nach der ersten Medikation. Am schnellsten wurde das Ziel unter Ibuprofen erreicht: nach 42,2 Minuten waren die Kinder fieberfrei. Unter der Kombinationsbehandlung dauerte es geringfügig länger: Eine Temperatur von 37,2 °C wurde nach 45,5 Minuten gemessen, währendes unter der Paracetamol-Monotherapie 71 Minuten benötigt wurden.

Als Schlussfolgerung aus diesen Ergebnissen raten die Autoren, wenn eine schnelle Fiebersenkung erwünscht ist, zunächst zu Ibuprofen zu greifen. Im weiteren Verlauf scheint die Wirkung von Ibuprofen nachzulassen, denn in der Studie waren die Kinder unter der Kombination von Paracetamol und Ibuprofen in den ersten 24 Stunden um durchschnittlich 2,5 Stunden länger fieberfrei als unter der Ibuprofen-Therapie. Im Vergleich zur Paracetamol-Monotherapie waren sie unter der Kombination 4,4 Stunden länger ohne Fieber.

Die Autoren empfehlen daher, zunächst Ibuprofen zu geben, wenn dann keine Fieberfreiheit erreicht wird, sollen Ibuprofen und Paracetamol nicht – wie in der Studie untersucht – in Kombination, sondern im Wechsel verabreicht werden. Dabei sei es zur Vermeidung von Überdosierungen wichtig, dass die Eltern sorgfältig notieren, wann sie welches Medikament in welcher Dosierung gegeben haben (aktuelle Empfehlungen s. Tabellen).

Das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) empfiehlt dagegen nach wie vor eine Monotherapie entweder mit Ibuprofen oder Paracetamol.

"Studie nur grenzwertig relevant!"

Der Kinder- und Jugendmediziner und pädiatrische Pharmakologe Prof. Dr. Hannsjörg Seyberth, Berlin, steht sowohl der britischen Studie als auch der alternierenden Gabe von Ibuprofen und Paracetamol skeptisch gegenüber. Seiner Meinung nach wurden in der Studie die Ausschlusskriterien zu weit gefasst, nur ein "idealer" Patient sei eingeschlossen worden. Die Realität sehe häufig anders aus. So seien fiebernde Kinder beispielsweise häufig auch mehr oder weniger dehydriert. Kritik übt er auch an der Methode, mit der das Fieber in der Studie ermittelt worden ist. Gemessen wurde in der Axelhöhle, ein Vorgehen, das Seyberth zu ungenau ist. Bei Säuglingen und Kleinkindern sollte wegen der wesentlichen besseren Genauigkeit die Körpertemperatur rektal gemessen werden. Hiergegen gebe es aber eine angelsächsische Aversion. Die initial schnellere Fiebersenkung durch Ibuprofen erscheint Seyberth nur sehr grenzwertig klinisch relevant. Sollte in Deutschland wirklich einmal eine sehr schnelle Fiebersenkung notwendig sein, hätte man das sehr viel potentere Metamizol (Novalgin®) zur Hand, das in allen kindgerechten Darreichungsformen nach wie vor verfügbar ist. Auch werde Paracetamol in den Kliniken und bei den Anästhesisten zur Fieber- und Schmerzbehandlung bei der ersten Gabe gerne doppelt so hoch dosiert, d. h. mit 30 mg/kg KG gegeben. Neuere klinisch-pharmakologische Studien hätten dieses Vorgehen gerechtfertigt. Die Zulassung hierfür stehe aber noch aus. Von dem kombinierten und alternierenden Einsatz von Ibuprofen und Paracetamol sollte man nur in Ausnahmen (z. B. in der Klinik) Gebrauch machen. Eine nebenwirkungsärmere Therapie verspricht sich Seyberth davon nicht. Im Gegenteil: Die so ausgelöste Verwirrung im Hinblick auf Dosierung und Dosierungsintervall könne schnell zu Überdosierungen der beiden Analgetika führen und sollte in jedem Fall vermieden werden. In der britischen Studie wurden an die Eltern intellektuelle Anforderungen gestellt, die in der Praxis nicht immer gegeben seien.

Expertentipp

Dehydrierung vermeiden!

Steigt bei Kindern das Fieber über 39 °C, dann kann entweder mit Paracetamol oder Ibuprofen das Fieber gesenkt werden. Der Abstand zwischen den einzelnen Antipyretika-Gaben sollte mindestens zwei Stunden betragen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kinder viel trinken. Kinder, so berichtet Prof. Dr. Hannsjörg Seyberth, Berlin, würden bei hohem Fieber sehr schnell dehydrieren. Wenn das Fieber nicht sinkt, könne es sich auch um ein sogenanntes Durstfieber handeln, das schon durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu senken ist. Auch im Hinblick auf Nebenwirkungen der Antipyretika sei es wichtig, eine Dehydrierung der Kinder zu vermeiden oder schnellstmöglich zu beheben. Denn wenn dehydrierte Kinder mit Ibuprofen behandelt werden, bestehe ganz schnell die Gefahr von Nierenfunktionsstörungen.

"Vorbeimogeln an Höchstgrenzen"

Auch Prof. Dr. Dr. Kay Brune, Erlangen, sieht in einer solchen alternierenden Therapie eine Überforderung der Eltern. Auch pharmakologisch macht die Kombination von Paracetamol und Ibuprofen seiner Ansicht nach keinen Sinn. Beide Arzneistoffe greifen in das Cyclooxygenase-System ein. Nach neuesten Erkenntnissen wirkt Paracetamol nicht nur auf zentraler Ebene. Es hemmt ähnlich wie Ibuprofen die Cyclooxygenase 2. Das haben Versuche bei männlichen Probanden gezeigt, bei denen ex vivo die COX-2 von Monocyten nach Endotoxinexposition im Vollblut gemessen wurde. Sollte sich dieser interessante Befund bei Kindern mit fieberhaften Entzündungserkrankungen und unter zu Hilfenahme der In-vivo-Erfassung des Prostanoidprofils im Spontan-Urin bestätigen, kann möglicherweise kein anderer Wirkungsmechanismus durch die zusätzliche Ibuprofen-Gabe genutzt werden.

Die alternierende Gabe dient nach Ansicht Brunes lediglich dazu, sich an den jeweiligen Dosierungshöchstgrenzen vorbei zu mogeln. Dabei bestehe prinzipiell die Gefahr, dass die gastrointestinale Toxizität von Ibuprofen durch Paracetamol erhöht werde. Allerdings seien diese Risiken bei Kindern eher gering. Sie hätten sich diesbezüglich in der Vergangenheit als sehr robust erwiesen.

Brune bevorzugt klar die Gabe von Ibuprofen, wenn es darum geht, Fieber und Schmerzen bei Kindern zu behandeln. Es gebe keine Schmerzsituation, in der Paracetamol Ibuprofen vorzuziehen sei. Bei Fieber sei Paracetamol eher schlechter wirksam. Wenn es darum gehe, die Wirkung von Ibuprofen zu verlängern, wäre Naproxen eine rationale Alternative. Naproxen ist allerdings erst ab zwölf Jahren zugelassen.

Empfehlungen werdenaktualisiert

Die Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin wird sich nach Auskunft Ihres Vorsitzenden Seyberths in nächster Zeit mit diesem Thema befassen. Vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse und Diskussionen wird sie entsprechende Empfehlungen zur Schmerz- und Fieberbehandlung bei banalen Erkrankungen im Kindesalter aktualisieren.


Quelle

Hay A et al.: Paracetamol plus ibuprofen for the treatment of fever in children (PITCH): randomised controlled trial. Br Med J 2008; 337; a1 302. Doi: 10.1136/bmj.a1302

Doris Uhl

Paracetamol-Dosierungsempfehlungen

Ibuprofen-Dosierungsempfehlungen bei Schmerzen und Fieber

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