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Nichtraucherschutz – heute so, morgen so

Als Bund und Länder in Deutschland um ein einheitliches Nichtraucherschutzgesetz rangen, verkündete Edmund Stoiber, damals noch Ministerpräsident in Bayern, stolz, dass es im Freistaat in allen öffentlichen Räumen und Restaurants Rauchverbote geben werde, im Interesse der Gesundheit (in welchem auch sonst?). Leider erwies sich das in Bayern als strengstes zum Schutz der Nichtraucher gepriesene und verabschiedete Gesetz als für die Gesundheit der CSU gar nicht förderlich, und so erlebte sie bei der Landtagswahl am 28. September ein Debakel. Führende Christsoziale sahen als Grund für die massiven Stimmenverluste dann auch nicht das eigene Versagen, sondern das Rauchverbot in Gaststätten.

Nach der Wahl waren sich CSU und FDP, die in Zukunft miteinander auskommen müssen, daher rasch darin einig, dass das ungeliebte Gesetz – Gesundheit hin, Gesundheit her – schleunigst wieder abgeschafft und die rigorosen Regeln im Freistaat wieder gelockert werden müssen. Während die Liberalen den Rauchern damit zeigen wollen, dass sie niemanden bevormunden (es lebe der Liberalismus!), sehen sich die Christsozialen mit der Aktion als Retter der bayerischen Wirtshauskultur (Du aber, glückliches Bayern, saufe und rauche!). Damit ist das strengste Nichtraucherschutzgesetz, auf das die CSU so stolz war, ein knappes Jahr später schon wieder Makulatur. Letztlich aber steckt hinter dem jämmerlichen Kompromiss, auf den sich Leutheusser-Schnarrenberger und Seehofer verständigt haben, nichts anderes als der Wunsch, an die Macht zu kommen beziehungsweise an der Macht zu bleiben. Und darüber sollten die Wähler einmal nachdenken, auch die, die wegen eines Rauchverbots in Gaststätten glaubten, die Partei wechseln zu müssen.

Seehofer, der auch einmal Gesundheitsminister gewesen ist, war übrigens im Sommer 2006 in seiner Eigenschaft als Verbraucherschutzminister der erste, der großmundig ein bundesweites Rauchverbot in allen öffentlichen Einrichtungen gefordert hatte. Nun, als CSU-Vorsitzender und designierter bayerischer Ministerpräsident versucht er, uns seine ypsilantische Kehrtwendung als "optimale Verbindung zwischen Gesundheitsschutz und Praktikabilität" zu verkaufen, während uns Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die einmal Justizministerin war, die Neuregelung als "Vertrauensbildung in eine Rechtsordnung" erklärt.

Die beiden flexiblen Parteiführer einigten sich bei ihren Koalitionsverhandlungen nun darauf, dass in Einraumkneipen, Nebenräumen von Gaststätten und Diskotheken künftig wieder geraucht werden darf, dass also eigentlich nur noch ein Platz – der Hauptraum einer Speisegaststätte – vor Qualm geschützt bleibt. Damit ist der Gesundheitsschutz auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Gaststätten auf die Idee kommen, von dem einzigen großen Hauptraum einen kleinen Nebenraum für Raucher abzuzweigen. Allerdings fragt sich, ob CSU und FDP mit dieser Minimalversion des Nichtraucherschutzes nicht doch noch Probleme bekommen werden. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte den Bayern erst im August ausdrücklich bestätigt, ihr Gesetz habe deshalb vor Gericht Bestand, weil es eben keine Ausnahmen zulässt. Damit war auch erklärt, warum eine Woche zuvor Berlin und Baden-Württemberg in Karlsruhe mit ziemlich genau der gleichen Variante eines Raucherschutzgesetzes, die CSU und FDP jetzt in Bayern vorschwebt, gescheitert waren.

Es ist zu vermuten, dass Herrn Seehofer diese Situation wohl bewusst und von ihm auch einkalkuliert ist. Denn bis die neue Gesetzesvariante vom Verfassungsgericht geprüft wird, vergeht erst einmal Zeit, und die braucht er, um die verlorengegangenen Wähler-Schäfchen vor den nächsten Wahlen wieder einzufangen. Und sollte Karlsruhe das Gesetz am Ende doch noch kippen, dann war eben das böse Gericht schuld, und nicht die brave bayerische Staatsregierung.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass Seehofer und Leutheusser-Schnarrenberger so ungeniert flexibel mit der Risikoabwehr des Rauchens – unserer wichtigsten einzelnen Krankheits- und Todesursache – umgehen. Und noch erstaunlicher ist es, dass sie offensichtlich gar nicht wissen, dass es individuelle (freiwillige) und allgemeine (unfreiwillige) Risiken gibt, und dass zur Abwehr letzterer die Organe des Staates verpflichtet sind, zu denen auch sie gehören.

Klaus Heilmann

Prof. Dr. med. Klaus Heilmann beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Risikoforschung, Krisenmanagement und Technikkommunikation. In der DAZ-Rubrik "Außenansicht" greift Heilmann Themen aus Pharmazie, Medizin und Gesellschaft aus Sicht eines Nicht-Pharmazeuten vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen auf.

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