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Karlsruhe kippt inkonsequente Rauchverbote

BERLIN (ks). Die Regelungen der Länder zum Nichtraucherschutz müssen weitgehend überarbeitet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat am 30. Juli die in Berlin und Baden-Württemberg bestehenden Ausnahmebestimmungen für verfassungswidrig erklärt und den Landesgesetzgebern aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2009 für Neuregelungen zu sorgen. Bis dahin darf in den Eckkneipen Berlins und Baden-Württembergs unter bestimmten Voraussetzungen wieder geraucht werden.

Kritikpunkt ist nicht das Rauchverbot schlechthin – vielmehr wäre der Gesetzgeber nicht gehindert, ein striktes, ausnahmsloses Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen, so die Karlsruher Richter. Entscheide er sich aber für eine Konzeption, bei der mit Rücksicht auf die beruflichen Interessen der Gastwirte Ausnahmen vom Rauchverbot zugelassen werden, so müssten diese Ausnahmen auch die durch das Rauchverbot wirtschaftlich besonders stark belastete getränkegeprägte Kleingastronomie ("Eckkneipen") miterfassen. Die Länder haben kurz gesagt zwei Möglichkeiten, den Nichtraucherschutz verfassungskonform auszugestalten: Entweder erlassen sie ein strenges Rauchverbot ohne jegliche Ausnahme, oder sie lassen Ausnahmen zu, die dann allerdings besondere Belastungen einzelner Bereiche des Gaststättengewerbes berücksichtigen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein müssen.

Gericht gibt Voraussetzungen für Ausnahmen vor

Wegen der hohen Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens bleiben die angegriffenen Bestimmungen jedoch bis zu einer Neuregelung anwendbar. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die in den betroffenen Nichtraucherschutzgesetzen vorgesehenen Ausnahmen zugunsten der getränkegeprägten Kleingastronomie erweitert – so sollen für die Betreiber kleinerer Gaststätten existentielle Nachteile vermieden werden. Voraussetzung für diese Ausnahme ist, dass die betroffene Gaststätte keine zubereiteten Speisen anbietet, eine Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern hat, nicht über einen abgetrennten Nebenraum verfügt und Personen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist. Zudem muss sie im Eingangsbereich als Rauchergaststätte, zu der Personen unter 18 Jahren keinen Zutritt haben, gekennzeichnet sein. Lässt ein Nichtraucherschutzgesetz die Einrichtung von Raucherräumen in Gaststätten zu, ist ferner der generelle Ausschluss der Diskotheken von dieser Begünstigung nicht gerechtfertigt. Bis zu einer Neuregelung gilt die Vorschrift mit der Maßgabe fort, dass in Diskotheken, zu denen nur Personen ab 18 Jahren Zutritt haben, ein Raucherraum – ohne Tanzfläche – eingerichtet werden darf.

Drogenbeauftragte für striktes Rauchverbot

Aus Sicht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), bestätigt die Entscheidung der Verfassungsrichter, dass die Bundesregierung mit den Nichtraucherschutzgesetzen auf dem richtigen Weg sei. Es handle sich um "ein Urteil gegen die Ausnahmeregelungen und nicht gegen den Nichtraucherschutz", betonte Bätzing. Jetzt seien die Länder gefordert, Regelungen für einen konsequenten Nichtraucherschutz ohne Ausnahmen vorzulegen. Auch die Drogenbeauftragte der Unionsfraktion, Maria Eichhorn (CSU), appellierte an die Länder, die Chance zur Schaffung einer einheitlichen Gesetzeslage zu ergreifen: "Nur so kann Rechtssicherheit und Klarheit geschaffen werden." Jede Ausnahmeregelung führe zu einer unübersichtlichen Rechtslage und zur Benachteiligung betroffener Gruppen, so Eichhorn. Sie verwies zudem auf Umfragen denen zufolge es bei der Bevölkerung eine große Zustimmung für einen umfassenden Nichtraucherschutz gibt.

FDP pocht auf Wahlfreiheit

Auch in den Fraktionen der Linken und der Grünen hält man eine einheitliche strikte Regelung für besser als einen Flickenteppich aus verschiedenen Länderregelungen. Aus ihrer Sicht hätten viele Streitigkeiten vermieden werden können, wenn sich die Bundesregierung von vornherein zu einer bundeseinheitlichen Lösung über das Arbeitsschutzgesetz durchgerungen hätte. "Wir werden dafür sorgen, dass im Bundestag über den wirksamen Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern abgestimmt wird", kündigte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, an. Der sucht- und drogenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Detlef Parr steht dem strikten Rauchverbot hingegen kritisch gegenüber: "Mit einem solchen radikalen Rauchverbot würde die nächste Verfassungsklage sofort ins Haus stehen." Für die FDP zeigt das Karlsruher Urteil vielmehr, dass jetzt "Wahlfreiheit statt absoluter Verbote" angesagt seien. Parr forderte die zuständigen Gesetzgeber auf, "endlich Ausnahmeregelungen für kleinere Kneipen zu schaffen, so wie es in einigen Bundesländern bereits geschehen ist".

Ministerpräsidenten wollen beratschlagen

Wie die neuen Länderregelungen Ende nächsten Jahres aussehen werden, bleibt abzuwarten. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, kündigte in der "Bild am Sonntag" an, er werde "diese Problematik auf die Tagesordnung der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz" im Oktober in Dresden setzen. Vorbereitende Gespräche würden in den kommenden Wochen aufgenommen. Aus Kochs Sicht sei es vernünftig, dass die Länder beim Nichtraucherschutz "einen bundesweiten Flickenteppich vermeiden".

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