Arzneimittel und Therapie

Erfahrungen aus dem Pharmakovigilanzzentrum der Niederlande

Wenn Patienten Nebenwirkungen direkt an das nationale Pharmakovigilanzzentrum melden können, ist dies eine sinnvolle Ergänzung der traditionellen Meldewege. So das Fazit einer Arbeitsgruppe aus dem niederländischen Pharmakovigilanzzentrum Lareb in s’Hertogenbosch nach drei Jahren Erfahrung mit "Patient Reporting" [1].

Seit 2003 können holländische Patienten Nebenwirkungen von Arzneimitteln direkt im Pharmakovigilanzzentrum der Niederlande, Lareb, melden (www.lareb.nl). Das ausschließlich Web-basierte Online-Verfahren stellt sicher, dass nur Meldungen angenommen werden, die ein Mindestmaß an notwendigen Informationen enthalten.

Patienten melden UAW

Man entschied sich in den Niederlanden in den vergangenen Jahren für die Einführung des auch als "Consumer Reporting" von der WHO [2] propagierten Systems, weil einerseits ein Wissenszuwachs der Patienten über Krankheiten beobachtet worden war. Andererseits lässt sich feststellen, dass Rechte der Patienten in heutiger Zeit ernster genommen sowie Informationen und Teilhabe an Therapieentscheidungen und an Entscheidungen im Gesundheitswesen eingefordert werden. Insofern wuchs das Bestreben, auch über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) berichten zu können. Auf der Grundlage von 2522 Berichten mit insgesamt 5401 gemeldeten unerwünschten Arzneimittelwirkungen konnten jetzt erste aussagekräftige Ergebnisse über Vor- und Nachteile des "Patient Reporting" gemacht werden. Demnach waren die Meldungen von Patienten qualitativ und quantitativ vergleichbar mit denen der Heilberufler. Während Patienten etwas häufiger lebensbedrohliche und zu signifikanten Behinderungen führende unerwünschte Arzneimittelwirkungen meldeten, war der Anteil an Meldungen über tödliche und zu Krankenhauseinweisungen führende UAW geringer als bei Heilberuflern. Patienten gaben zudem häufiger an, sich von den Folgen der UAW (noch) nicht erholt zu haben. Dies kann nach Aussage der Autoren daran liegen, dass Heilberufler eher geschult sind, Laborparameter zur Bewertung von Gesundheitszuständen heranzuziehen, während für Patienten das Wohlbefinden eine höhere Priorität hat. Gerade dies sei aber als ein positiver Hinweis zu werten, welchen besonderen Nutzen die Patientenperspektive durch Berücksichtigung der Beeinträchtigungen des täglichen Lebens der Menschen habe.

Ergänzung des traditionellen Meldesystems

Das Meldesystem gibt den Patienten die Möglichkeit, anonym zu melden. Außerdem können Arzneimittel der Selbstmedikation oder andere Arzneimittel, deren Einnahme man dem Arzt nicht unbedingt mitteilen möchte, durch das Online-Verfahren anonym berücksichtigt werden. Gleiches gilt für unerwünschte Arzneimittelwirkungen, deren Besprechung beim Arzt dem Patienten peinlich sein könnte (z. B. UAW mit Auswirkungen auf die Sexualität). Allerdings ist es nach Angaben der Autoren oft sinnvoll, um Erlaubnis des Patienten für eine Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt zu bitten, um weitere Informationen zu erhalten. Die Autoren bewerten das neue Meldesystem als eine wichtige Ergänzung zum traditionellen Meldesystem. Schon in der Vergangenheit seien wesentliche Erkenntnisse z. B. zu Diethylstilbestrol, Benzodiazepinen, Antidepressiva und zu Hormonen im Rahmen der Hormonersatztherapie erst durch Patientenberichte und -befragungen bekannt geworden.

An einzelnen Beispielen des neuen niederländischen Berichtssystems können die Wissenschaftler nachweisen, dass wichtige bislang unbekannte UAW zunächst durch das "Patient Reporting" bekannt wurden und entsprechende Meldungen der Heilberufe erst zeitlich später erfolgten. Insofern könne man auch behaupten, dass Patientenberichte durchaus zur Signaldetektion geeignet seien. Für die Autoren steht daher fest: Patientenberichte leisten in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht einen substanziellen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit im Bereich der Pharmakovigilanz. Mit diesem Angebot von Lareb an die niederländische Bevölkerung würde zudem die Glaubwürdigkeit des Pharmakovigilanzsystems gestärkt.

 

Quelle

[1] De Langen, J.; et al.: Adverse Drug Reaction Reporting by Patients in the Netherlands. Three Years of Experience. In: Drug Safety 2008; 31 (6): 515-524.

[2] http://82.77.46.154/gsdldata/collect/whodruginfo/index/assoc/s2201e/s2201e.pdf#search=%22consumer%22

 

 


 

Dr. Udo Puteanus
Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW - Zentrum für Öffentliche Gesundheit 
Von-Stauffenberg-Str. 36
48151 Münster
udo.puteanus@liga.nrw.de 
www.liga.nrw.de

 

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.