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Und täglich grüßt das Murmeltier …

Der 2. Februar in Punxsutawny, einem kleinen Ort in Pennsylvania, ist ein besonderes Datum: der große "Murmeltiertag" steht vor der Tür. Der Legende nach kann man am Verhalten der Murmeltiere an diesem Tag erkennen, ob der Winter noch länger dauert oder ob es bald Frühling wird. Phil Connors ist der Wetterfrosch eines kleinen Lokalsenders und ist natürlich auch zum großen Ereignis angereist. Am Morgen des 2. Februar wacht er auf und macht sein Radio an …

Ein Tag später. Phil wacht wieder auf und macht das Radio wieder an. Es ist der 2. Februar, für den Ort Punxsutawny in Pennsylvania ein ganz besonderes Datum: Denn der große "Murmeltiertag" steht vor der Tür.

Nein, keine Angst, Sie sind nicht verrückt und ich auch nicht – wir sind hier nur mitten in der Story der Filmkomödie "Und täglich grüßt das Murmeltier". Die Hauptperson des Films, Phil Connors, steckt in einer Zeitschleife fest, er ist ein Gefangener der Zeit, der den 2. Februar immer und immer wieder erlebt. Er kann anstellen, was er will, sich sogar auf die verrücktesten Weisen das Leben nehmen – am nächsten Morgen wacht er wieder auf und alles beginnt von vorne. Da er jedoch der Einzige ist, dem das passiert, glaubt ihm keiner.

So oder ähnlich geht es mittlerweile vielen von uns in der täglichen Apothekenpraxis in Sachen Rabattverträge. Denn was sich seit April Tag für Tag hier abspielt, glaubt uns auch keiner. Jeden Tag wiederholen sich die Szenen mit den Kunden, wenn sie ihr früher vom Arzt verordnetes Arzneimittel nicht bekommen können, weil ihre Kasse mit einem anderen Hersteller Rabattverträge über andere Arzneimittel abgeschlossen hat und Rabattarzneimittel Vorrang vor allen anderen Abgabeverträgen haben. Hat der Arzt das Aut-idem-Kreuz nicht gesetzt, beginnt unsere "Zeitschleife": zuerst die Suche, welches Arzneimittel bei der Kasse des Patienten abgegeben werden darf, dann die Suche im Warenlager, ob gerade dieses Präparat vorrätig ist (ist es an Lager, ist es gerade nur defekt, ist es überhaupt zurzeit lieferbar?). Dann der zusätzliche Check, welche Darreichungsformen ausgetauscht werden dürfen und ob die Teilbarkeit gefordert wird und ob das neue Rabattarzneimittel denn auch geteilt werden darf, falls vom Arzt so angegeben. Dann der Moment der Übergabe an den Kunden. Wenn er nicht sein gewohntes Arzneimittel bekommt, gibt es in vielen Fällen Erklärungsbedarf. Sicher haben Sie – da Sie das schon seit April geübt haben – Ihre Standardsätze parat, um dem Kunden die neue Situation mit den Rabattverträgen und Einsparungen für die Kassen zu erklären – nicht immer trifft dies auf Verständnis beim Patienten. Schließlich verlässt so mancher Kunde ärgerlich über die Regierung, über Spargesetze, über unser Gesundheitswesen die Apotheke – und man könnte wetten, dass er sein "neues" Billigarzneimittel – Hauptsache Rabatt für die Krankenkasse – nur unregelmäßig oder vielleicht auch gar nicht mehr einnimmt.

Hoffen wir, dass uns das nicht an den Rand des Wahnsinns führt, wie es unserem Filmhelden passiert. Letztlich erkennt er den Ausweg: er muss es schaffen, an einem Tag ein besserer Mensch zu werden, und so lernt er täglich dazu. Da wir als Apothekerinnen und Apotheker fast nicht mehr besser werden können, bleibt uns nur die Möglichkeit, andere von diesem täglichen Wahnsinn zu überzeugen – zum Beispiel Politiker. Da es schon immer das Beste war, wenn man etwas persönlich erlebt, sollten Sie versuchen, die Rezeptbelieferung den Politikern vorzuführen – so, wie die neue Welt der Rabattverträge und des Auswahl-Wahnsinns es will. Wenden Sie sich an einen Landtagsabgeordneten in Ihrem Ort (übers Internet einfach zu recherchieren) und laden Sie ihn in Ihre Apotheke ein. Noch wirkungsvoller ist es, wenn Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen zusammentun. Besuchen Sie mit dem Politiker eine Apotheke aus Ihrer Kollegenschaft und setzen Sie sich danach zu einer Diskussionsrunde zusammen. Wenn Sie für diese Aktion noch Kunden finden, die über ihre Unzufriedenheit mitdiskutieren, und die örtliche Presse mobilisieren können, dann dürften Sie wirklich Überzeugungsarbeit geleistet haben: Die Rabattverträge sind in der heutigen Form und Ausgestaltung der Wahnsinn – sie verschlechtern die Arzneitherapie, die Beratung bleibt auf der Strecke, das Vertrauensverhältnis des Patienten zu seinem Arzt und Apotheker leidet.

Ende September endet die Friedenspflicht, dann wird das System richtig scharf gestellt, sprich: wenn eine Abgabe nicht den Rabattverträgen entspricht, dann hagelt es Retaxationen, d. h., die Apotheke bezahlt das Arzneimittel aus der eigenen Tasche zur Freude der Kasse.

Aber: Solche Verträge sind nicht in Stein gemeißelt. Wenn der Wahnsinn stärker in die Öffentlichkeit getragen wird, könnte dies vielleicht dazu anregen, die Zielpreisvereinbarungen zu forcieren und von den Rabattverträgen Abstand zu nehmen. Damit das Murmeltier nicht mehr täglich grüßt …

Peter Ditzel

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