Arzneimittel und Therapie

Arthrose

Keine Hilfe für schmerzende Knie Arthrosemittel, die mit Chondroitin einen natürlichen Baustein des menschlichen Knorpels enthalten, reduzierten den Gelenkschmerz nicht stärker als Placebo. Das ergab eine Meta-Analyse der klinischen Studien mit Chondroitin.

Keine Schmerzlinderung durch Chondroitin

Arzneimittel mit Chondroitin haben wahrscheinlich bei Arthrose keine schmerzlindernde Wirkung. Das haben Forscher der Universität Bern jetzt herausgefunden, nachdem sie alle weltweit vorhandenen klinischen Studien zu Chondroitin analysiert haben. In sorgfältig durchgeführten Studien reduzierte Chondroitin die Schmerzen nicht besser als Placebo.

Ein Team der Universität Bern um die klinischen Epidemiologen Stephan Reichenbach und Peter Jüni vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin und den Kliniken für Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie hat alle weltweit vorhandenen Studien zu Chondroitin einer Meta-Analyse unterzogen. Die Ergebnisse dieser Meta-Analyse wurden am 17. April in der medizinischen Fachzeitschrift Annals of Internal Medicine veröffentlicht.

Chondroitinsulfat kommt insbesondere im Knorpel von Tieren vor und sorgt für die Elastizität des Knorpelgewebes. Oral eingenommen soll Chrondroitinsulfat die Bindung von Wasser im Gelenkknorpel fördern. Der Knorpel- und Gelenkbaustein Glucosaminsulfat ist Baustein für wesentliche Bestandteile des Knorpels und der Gelenkflüssigkeit. Es soll bei oraler Zufuhr die Knorpelneubildung anregen. Zur medizinischen Anwendung wird Glucosaminsulfat aus Chitin von Krustentieren, Krabben und Insekten gewonnen.

Beide Faktoren sollen zu einem Schutz des hyalinen Gelenkknorpels beitragen und vor altersbedingtem Verschleiß der Gelenke schützen. Gemeinsam sollen sie zur Vorbeugung und Therapie der Arthrose wirksam sein und auch Schmerzen lindern, wie unzählige Hersteller dieser relativ teuren Präparate versprechen. Schon theoretisch ist eine Wirkung der beiden Substanzen aber fraglich. So werden die großen Makromoleküle nicht gut resorbiert. Chondroitin wird zum Beispiel nur zu 12 bis 13% intakt in den Blutstrom aufgenommen. Außerdem betrifft eine Arthrose das gesamte Gelenk und nicht nur den Knorpel. Da der Knorpel nicht innerviert ist, ist es unwahrscheinlich, dass eine Behandlung, die nur auf den Knorpel abzielt, Schmerzen lindern kann.

Glucosamin und Chondroitin wirkungslos?

Wegen der Popularität der Glucosamin-Chondroitin-Ergänzungen und der kleinen Menge von verlässlichen Informationen über ihre Wirkungen finanzierte das US-amerikanische National Institutes of Health eine Studie über die Wirkungen von Chondroitin und Glucosamin bei einer Kniearthrose, deren Ergebnisse im Jahr 2006 veröffentlicht wurden. In der sechs Monate dauernden, multizentrischen, placebokontrollierten Doppelblindstudie erhielten 1583 Patienten mit schmerzhafter Kniearthrose 24 Wochen lang entweder täglich 1500 mg Glucosamin, 1200 mg Chondroitinsulfat, die Kombination von beidem, 200 mg Celecoxib oder Placebo. In dieser Studie hatten Glucosamin und Chondroitin keinen statistisch signifikanten Effekt auf die Symptomatik einer Kniearthrose und linderten die Schmerzen nicht. In der Kontrollgruppe hingegen besserten sich die Symptome unter der Therapie mit Celecoxib statistisch signifikant.

Keine einheitliche Substanz

Wahrscheinlich wirkt Chondroitin auch nicht, wenn es allein eingesetzt wird. Das zeigt ein aktueller Vergleich klinischer Studien.

Die in klinischen Testreihen am Menschen eingesetzte Dosis liegt bei 800 bis 1200 mg Chondroitin oral pro Tag. Der Großteil des Chondroitins wird aus Knorpelgewebe von Kühen und Schweinen gewonnen, allerdings sind auch Hai-, Fisch- und Vogelknorpel als Quellen möglich. Da Chondroitin keine einheitliche Substanz ist und in der Natur in einer großen Vielfalt von Formen vorliegt, variiert die Zusammensetzung jedes Produkts.

In den USA ist Chondroitin als Nahrungsmittel eingestuft, und verbindliche Standards für die Zusammensetzung und Bezeichnung gibt es nicht.

Chondroitin allein wirkt nicht

In der neuen Meta-Analyse der Universität Bern konnte bei der Monotherapie mit Chondroitin zur Schmerzbehandlung von Arthrose gegenüber Placebo keine signifikante Wirkung des Verums festgestellt werden. In einer solchen Meta-Analyse werden Einzelstudien zusammengefasst und auf ihre Qualität geprüft. Nach einer ausgedehnten Literaturrecherche konnten 20 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 3846 Patienten, in denen die Wirkung von Chondroitin im Vergleich zu einer Nichtbehandlung oder zu Placebo untersucht worden war, in die Meta-Analyse eingeschlossen werden.

Bei diesen Studien verglichen die Forscher den schmerzlindernden Effekt sowie – falls vorhanden – den radiologisch ausgemessenen Gelenkspalt vor und nach der Therapie. Vor allem kleinere Studien zeigten eine mäßige bis starke schmerzlindernde Wirkung von Chondroitin. In den drei größten Studien jedoch, in denen über 40% aller in die Meta-Analyse einbezogenen Patienten untersucht wurden, konnte keine schmerzlindernde Wirkung von Chondroitin gefunden werden. Je sorgfältiger eine Studie durchgeführt wurde, desto weniger habe ein Effekt nachgewiesen werden können, so die Schweizer Forscher.

"Je länger und je gründlicher man nach einer Wirkung von Chondroitin suchte, umso weniger fand man sie", sagt Peter Jüni. Stephan Reichenbach fasst die Ergebnisse der Meta-Analyse zusammen: "Bei fortgeschrittener Arthrose nützen Chondroitin-Präparate wahrscheinlich nicht besser als ein Scheinmedikament."

Da in den neuesten Studien, in denen sich Chondroitin als nutzlos erwies, vermehrt Patienten mit fortgeschrittener Arthrose untersucht wurden, können die Forscher nicht ausschließen, dass Chondroitin bei leichter Arthrose eine gewisse Wirkung zeigt.

Keine unerwünschten Wirkungen

Auch wenn man Patienten und Kunden Präparate mit Glucosamin und Chondroitin nicht unbedingt empfehlen kann, so schaden sie zumindest nicht. In den analysierten Studien hatten Arzneimittel und Placebo ähnliche Nebenwirkungsraten. Und wenn Patienten von ihrem Nutzen überzeugt sind, können sie diese Präparate auch weiterhin einnehmen.

Quelle

Pressemitteilung des schweizerischen Nationalfonds.

Clegg, D. O.; et al.: Glucosamine, chondroitin sulfate, and the two in combination for painful knee osteoarthritis. N. Engl. J. Med. 354 , 795–808 (2006).

Reichenbach, S.; et al.: Meta-analysis: chondroitin for osteoarthritis of the knee or hip. Ann. Int. Med. 146, 580-90 (2007).

Felson, D. T.: Chondroitin for pain in osteoarthritis Ann. Int. Med. 146 , 611-12 (2007).

hel

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