DocMorris darf Ärzte nicht umwerben

SAARBRÜCKEN (ks). Dem Arzneimittelversandhändler DocMorris bleibt es untersagt, Ärzte aufzufordern, DocMorris-Patientenbroschüren zu bestellen, um sie in der Praxis auszulegen. Am 31. Januar bestätigte das Landgericht (LG) Saarbrücken eine einstweilige Verfügung, mit der dem holländischen Unternehmen eine derartige Werbung verboten wurde. Die Richter sind zudem überzeugt, dass das Ankündigen von Patienten-Boni wettbewerbswidrig ist. Auf diese Weise werde die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO) umgangen, an die sich auch DocMorris halten müsse. (Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 31. Januar 2006, Az.: 7I O 103/06 – nicht rechtskräftig)

Landgericht Saarbrücken bestätigt einstweilige Verfügung

Im September 2006 hatte das LG DocMorris verboten, Ärzte aufzufordern, Patientenbroschüren bei ihr anzufordern sowie in Ärzteanschreiben mit Boni für Patienten zu werben (siehe DAZ Nr. 41, 2006, S. 20). Diese Entscheidung bestätigte das Gericht nun. Es bleibt dabei, dass DocMorris Ärzte in wettbewerbswidriger Weise zu einem Verstoß gegen ihre Berufsordnung angestiftet hat. Nach § 34 Abs. 5 der Muster-Berufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) ist dem Arzt nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken zu verweisen. Da diese Vorschrift "auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln", ist ein Zuwiderhandeln nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter. Das gleiche gilt für die Anstiftung zu einem solchen Verhalten. DocMorris habe beabsichtigt, die Ärzte zu veranlassen, die Broschüren im Wartezimmer auszulegen oder den Patienten direkt zu überreichen. Um sie hierfür zu gewinnen, wurde ihnen eine Entlastung ihres Arzneimittelbudgets in Aussicht gestellt. Dies widerspreche dem Schutzzweck des § 34 Abs. 5 MBO-Ä, urteilte das LG. Die Vorschrift diene "sowohl dem Patientenschutz durch Wahrnehmung der ärztlichen Unabhängigkeit gegenüber Dritten als auch der Sicherung des Bestandes der Apotheken". Der Patient müsse darauf vertrauen können, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern nur von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt. Vorliegend bestünden aber weder medizinische noch wirtschaftliche Gründe, die eine DocMorris-Empfehlung rechtfertigen könnten. So gebe es auch andere Versandapotheken, die Arzneien günstig anbieten.

Die in der Patientenbroschüre versprochenen Boni bzw. Zuzahlungsermäßigungen hält das Gericht ebenfalls für wettbewerbswidrig. Zum einen liege ein Verstoß gegen das Verbot unangemessener und unsachlicher Einflussnahme (§ 4 Nr. 1 UWG) vor. Nach § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz ist das Anbieten, Ankündigen oder Gewähren von Zuwendungen oder sonstigen Werbegaben im Heilmittelbereich unzulässig. Diese gesetzgeberische Wertung sei bei der Auslegung von § 4 Nr. 1 UWG zugrunde zu legen. Daraus folge, dass jede Heilmittel-Werbung mit finanziellen Vorteilen als unangemessene, unsachliche Einflussnahme und damit als unlauter anzusehen ist – selbst wenn die versprochenen Vorteile gering sind.

Verstoß gegen AMPreisVO

Zudem bejahen die Richter einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Durch das Gewähren von Boni habe die Beklagte die AMPreisV unzulässigerweise umgangen. Auch wenn die Medikamente zum vollen festgesetzten Preis abgegeben werden, bewirkten die Boni, dass dieser Preis letztlich nicht zu zahlen ist. Das LG zweifelt nicht, dass die AMPreisV auf die niederländische Beklagte anwendbar ist. Damit stellt es sich auf einen anderen Standpunkt als das Oberlandesgericht Hamm, das bereits rechtskräftig entschieden hat, dass die deutschen Preisvorschriften für DocMorris nicht bindend sind (siehe hierzu AZ 2004, Nr. 40 und DAZ 2007, Nr. 7, S. 20). Dagegen hatte das LG Hamburg im vergangenen Sommer in einem ähnlichen Fall anders entschieden (siehe DAZ 2006, Nr. 43, S. 87). Letzterer Rechtsauffassung schließen sich die Saarbrücker Richter an. Sie führen aus, dass für ausländische Versandapotheken nach § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz die deutschen Vorschriften zum Versandhandel gelten. Zu diesen gehöre auch § 11 a Apothekengesetz, der unter anderem die Anforderungen an die Durchführung des Versandes regelt. Nach dieser Norm muss der Versand aus einer öffentlichen Apotheke nach den dafür geltenden Vorschriften erfolgen. Dazu zählen dem LG zufolge auch die Regelungen über Arzneimittelpreise und den sozialrechtlichen Zuzahlungen.

EU-Recht nicht verletzt

Die Bestimmungen des EG-Vertrages zum freien Warenverkehr sehen die Richter durch die deutsche Preisbindung nicht verletzt. Das Preissystem sei als "integraler Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens" mit der für das Eilverfahren erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit zum Schutze der Gesundheit nach Art. 30 EG-Vertrag gerechtfertigt. Regelungszweck der Preisbindung sei unter anderem, einen ruinösen Preiswettbewerb unter Apotheken zu verhindern und damit die flächendeckende und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Insofern diene die AMPreisV auch der Bewahrung der Gesundheit von Menschen. Ein Preiswettbewerb habe aber gerade die Verdrängung zum Ziel. Das Gericht verweist darauf, dass die einheitlichen Preise vor allem ein Ersatz für die in Deutschland unzulässige, in zahlreichen anderen EU-Mitgliedstaaten aber praktizierte, behördliche Niederlassungsregelung sei. Zu beachten sei überdies, dass Apotheken gemeinwohlbezogene Verpflichtungen obliegen, z. B. die Notdienstbereitschaft und die Pflicht ein Vollsortiment zu führen. Diese dienten dem höchstrangigen Gemeinschaftsgut der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung und würden dadurch kompensiert, dass der Handel mit Arzneien grundsätzlich Apotheken vorbehalten ist und diese auch keinem Preiswettbewerb ausgesetzt sind. Versandapotheken könnten dagegen mit ihren langen Lieferzeiten und der fehlenden Dienstbereitschaft keinen Beitrag zur Sicherstellung der flächendeckenden und rechtzeitigen Versorgung leisten.

Irreführende Angaben

Darüber hinaus untersagt das Gericht dem beklagten Unternehmen, gegenüber Ärzten mit folgender Aussage zu werben: "DocMorris hat mit allen Krankenkassen günstige Abrechnungssätze vereinbart. Die Rabatte können bei Bezug über uns arztbezogen ermittelt werden und finden im Prüfverfahren automatisch Berücksichtigung. Wenn Ihre Patienten also Rezepte bei DocMorris einreichen, profitieren Sie von den günstigen Abrechnungspreisen – Ihr Budget wird entlastet." Diese Werbung sei irreführend im Sinne von § 3 UWG, da sie nicht in vollem Umfang den Tatsachen entspreche. Ausweislich einer eidesstattlichen Versicherung seines Vorstandes Ralf Däinghaus hat DocMorris mit der "weit überwiegenden Zahl" der gesetzlichen Krankenkassen Rabattverträge vereinbart. Dies zeige, dass die den Ärzten in Aussicht gestellten eigenen wirtschaftlichen Vorteile sowie die Vorteile der Krankenkassen nicht in dem in dem Werbeschreiben angegebenen Umfang bestehen.

DocMorris droht bei einer Zuwiderhandlung gegen die vom Gericht ausgesprochenen Verbote ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig..

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