DAZ aktuell

DocMorris unterliegt deutscher Preisbindung

HAMBURG (ks). Erneut hat ein Oberlandesgericht (OLG) entschieden, dass auch eine ausländische Apotheke, die Medikamente an Besteller aus Deutschland versendet – hier DocMorris –, an die deutschen Preisvorschriften für Arzneimittel gebunden ist. Das Hanseatische OLG wendet sich in einem aktuellen Urteil ausdrücklich gegen die 2004 ergangene Entscheidung des OLG Hamm, derzufolge eine solche Preisbindung nicht besteht. Damit mehren sich die Urteile, die die Anwendbarkeit der Arzneimittelpreisverordnung für ausländische Versandapotheken bejahen. Ein höchstrichterliches Urteil steht allerdings nach wie vor aus.

(Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 19. Februar 2009, Az.: 3 U 225/06)
Bonus für das Rezept? Auf seiner Homepage wirbt DocMorris mit einem Bonus von bis zu fünf Euro für jedes rezeptpflichtige Rezept. Folgt man den Begründungen zum aktuellen OLG-Urteil, sind derartige Boni rechtswidrig.

Die Anzahl der Urteile, die sich mit den Bonus-Modellen von DocMorris oder der Europa Apotheek Venlo beschäftigen, wächst beständig. Dabei geht es im Kern stets um die Frage, ob die ausländischen Apotheken ihren deutschen Kunden Zuzahlungserlasse und Boni für das Einreichen von Rezepten versprechen und gewähren dürfen. Nachdem das OLG Frankfurt a. M. im November 2007 die Preisbindung auch für ausländische Versandapotheken bejaht hat (siehe AZ Nr. 18/2008), zogen eine Reihe von Landgerichten nach. Die im Jahr 2004 vom OLG Hamm vertretene gegenteilige Auffassung (siehe DAZ Nr. 40/2004, S. 91) wurde im Juli 2008 vom Bundessozialgericht (BSG) noch einmal aufgegriffen. Mit diesem Urteil wurde DocMorris verwehrt, gegenüber Arzneimittelherstellern Ansprüche auf Erstattung des Herstellerabschlages geltend zu machen. Dazu führte das BSG unter anderem aus, dass der Herstellerrabatt nur für Medikamente gelte, deren Apothekenabgabepreise durch die deutschen Preisvorschriften bestimmt sind. Dies sei bei den von DocMorris nach Deutschland versandten Arzneimitteln nicht der Fall (siehe DAZ Nr. 31/2008).

Bonus-Versprechen für "Otto"-Kunden

Ausgangspunkt des nunmehr vorliegenden Hamburger Urteils war eine Werbekooperation des Versandhandelsunternehmens "Otto" mit DocMorris. Das Landgericht Hamburg hatte "Otto" bereits mit Urteil vom 17. August 2006 untersagt, die Werbung für eine "100-prozentige Zuzahlungsersparnis" bei DocMorris fortzusetzen (siehe auch DAZ Nr. 43/2006, S. 87). Die von dem Hamburger Versandhändler eingelegte Berufung blieb nun ebenfalls ohne Erfolg. Ausführlich legt das Hanseatische OLG in seinem 25-seitigen Urteil dar, warum auch DocMorris die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zu beachten hat. Dabei geht es explizit auf die Urteile des OLG Hamm und des BSG ein.

Verstoß gegen AMPreisV

Die Richter sehen den Unterlassungsanspruch als nach den §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 S. 2 AMG und §§ 1, 3 AMPreisV als begründet an. Die auf dem Arzneimittelgesetz gründenden Bestimmungen zur Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel würden auch dann verletzt, wenn für ein preisgebundenes Medikament zwar der korrekte Preis angesetzt, dem Kunden aber unmittelbar gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Boni gewährt würden, sei es in Form reduzierter Zuzahlungen oder in Form von überwiesenen oder ausgezahlten Geldbeträgen. "Durch die Arzneimittelpreisverordnung sollen alle wirtschaftlichen Vorteile, die ein Patient dadurch erzielen könnte, dass er ein Rezept bei einer bestimmten Apotheke einlöst, vermieden werden, da auch solche Boni jedenfalls mittelbar einen Preiswettbewerb unter den Apotheken auslösen würden, der aber gerade durch die Festpreisbindung verhindert werden soll", heißt es im Urteil. Denn die festen Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel sollen sicherstellen, dass die flächendeckende, zeit- und ortsnahe sowie qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sichergestellt ist. Dass DocMorris an die deutschen Preisbindungsregelungen gebunden ist, ist für das Hanseatische OLG zwingend. In diesem Punkt setzen sie sich eingehend mit dem Urteil des OLG Hamm auseinander und machen dabei auch deutlich, warum sie auch der Entscheidung des BSG nicht folgen. Aus Sicht der Hamburger Richter spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber ausländische Versandapotheken nicht von der AMPreisV ausnehmen wollte.

Keine europarechtlichen Bedenken

Darüber hinaus legt das OLG dar, dass die Anwendung der AMPreisV auch mit dem EU-Recht vereinbar ist, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 ff. EG-Vertrag. Aus ihrer Sicht ist die Anwendung der AMPreisV auf den grenzüberschreitenden Versandhandel aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Nicht zuletzt sieht das OLG den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch auch in Verbindung mit § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) als begründet an. So sind nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG Zuwendungen, die in einem auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden, unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des AMG gelten.

Das letzte Wort hat der BGH

Die Frage, ob auch ausländische Versandapotheken, die nach Deutschland versenden, den hiesigen Regelungen der Preisbindung unterliegen, ist auch nach diesem Urteil nicht abschließend geklärt. Dem Bundesgerichtshof liegt hierzu jedoch bereits ein Revisionsverfahren vor, dessen Ausgang mit Spannung entgegengesehen werden kann.

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