LG Berlin: Arzneimittelpreisverordnung gilt auch für holländische Versandapoth

BERLIN (ks). Das Landgericht (LG) Berlin hat in einem jetzt schriftlich vorliegenden Urteil festgestellt, dass ausländische Versandapotheken beim grenzüberschreitenden Versandhandel nach Deutschland der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) unterworfen sind. Es bestätigte damit eine einstweilige Verfügung vom 15. März 2007, in der es einer niederländischen Versandapotheke untersagt hatte, Preisnachlässe auf rezeptpflichtige Arzneimittel zu gewähren und für diese zu werben. Mit dem Urteil widerspricht das LG ausdrücklich der Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm, das im September 2004 entschied, dass DocMorris die AMPreisV nicht zu beachten habe (siehe AZ Nr. 40, 2004).

Berliner Richter widersprechen OLG Hamm: Gesetzgeber wollte gleiche Bedingungen für alle

(Urteil LG Berlin vom 28. August 2007, Az.: 16 O 153/07, nicht rechtskräftig)

Die beklagte Versandapotheke hatte mit einem Flyer mit "Sofortboni" von drei bis zehn Euro für jedes rezeptpflichtige Arzneimittel geworben. Ein Berliner Apotheker hatte darin einen Verstoß gegen die gesetzliche Preisbindung für Arzneimittel gesehen und war zunächst im Eilverfahren gegen die niederländische Konkurrenz vorgegangen – mit Erfolg. Nun hat das Gericht die Entscheidung auch im Hauptsachverfahren bestätigt.

Das LG sieht in dem Vorgehen der Beklagten einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen die vorgeschriebene Preisbindung (§ 78 Abs. 2 Satz 2, 43 Arzneimittelgesetz – AMG – i. V. m. § 1 und 3 AMPreisV). Nach Auffassung der Richter sind diese Bestimmungen auf ausländische Versandapotheken ebenso anzuwenden wie auf inländische. Sie seien zwingende Normen im Sinne des Art. 34 EGBGB, die ohne Rücksicht auf das im Einzelfall vereinbarte Vertragsstatut auf Sachverhalte mit Auslandsbezug Anwendung finden, heißt es im Urteil. Das LG führt weiterhin aus, dass nach § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG – der für den internationalen Versandhandel zentralen Norm – zulassungspflichtige Arzneimittel ausschließlich nach den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel nach Deutschland verbracht werden dürfen. Dies gelte unterschiedslos für alle Apotheken – gleich ob sie eine Versandhandelserlaubnis nach § 11 a Apothekengesetz (ApoG) besitzen oder über eine nach ihrem Heimatrecht verfügen, soweit dieses ein vergleichbares Schutzniveau sicherstellt. Die Erstreckung der Preisbestimmungen auf ausländische Marktteilnehmer entspreche im Übrigen auch dem Regelungszweck des § 78 AMG, der im Interesse einer flächendeckenden Versorgung einen unter Umständen existenzbedrohenden Preiswettbewerb ausschließen solle.

Kein Grund für unterschiedliche Behandlung

Ausdrücklich wenden sich die Berliner Richter gegen die Auffassung des OLG Hamm, wonach § 78 AMG mit dem Begriff der "Verbringung" nur die Einfuhr von Arzneimitteln nach Deutschland regele. Die hier interessierende Frage der Preisvereinbarung betreffe dagegen die Modalitäten des vorangehenden Verpflichtungsgeschäfts, das vom Regelungsbereich des § 78 AMG nicht erfasst sei, so das OLG. Das LG meint jedoch, eine solche Auslegung führe zu einer unterschiedlichen Behandlung der ausländischen Versandapotheken untereinander, je nach dem, nach welchem Recht die erforderliche Versandhandelserlaubnis erteilt worden sei. Liege eine Versandhandelserlaubnis nach deutschem Recht vor, so unterliege die ausländische Versandapotheke über § 11a ApoG den deutschen Vorschriften – auch über die Preisbindung. Wenn demgegenüber ein Unternehmen eine fremde Versandhandelserlaubnis habe, die den deutschen Regelungen entspreche, wäre es von der Preisbeschränkung ausgenommen. Ein sachlicher Grund für eine solche unterschiedliche Behandlung sei nicht erkennbar.

Gefahr der Unterversorgung vermeiden

In seinem Urteil führt das LG zudem aus, dass auch die Historie des GKV-Modernisierungsgesetzes – mit dem 2004 der Arzneimittelversandhandel in Deutschland erlaubt wurde – keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Wille des Gesetzgebers anders auszulegen sei: Dass er die Frage, ob ausländische Versender der inländischen Preisbildung unterliegen, nicht ausdrücklich geregelt hat, könne darauf zurückzuführen sein, dass er sie bereits für ausreichend geklärt hielt. Dafür spreche auch, dass es das gesetzgeberische Ziel war, faire Bedingungen für den Wettbewerb zwischen öffentlichen und Versand-Apotheken zu schaffen – dabei habe man sicherlich nicht vor Augen gehabt, einer Inländerdiskriminierung Vorschub zu leisten, so die Richter. Sie betonen weiterhin, dass die flächendeckende, ortsnahe und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung über Präsenzapotheken gefährdet sei, wenn diese in Konkurrenz zu billigen ausländischen Arznei-Versendern treten müssten. Dass es zur Zeit noch kein "Apothekensterben" gibt, ist nach Ansicht der Kammer unerheblich, weil bereits die Gefahr einer Unterversorgung – insbesondere in ländlichen Räumen – genüge..

Das hier genannte Urteil können Sie neben anderen apotheken- und arzneimittelrechtlichen Entscheidungen im Wortlaut abrufen bei DAZonline unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de. Rubrik: Recht/Urteile, Benutzername: apotheke, Kennwort: daz.

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