Rechtsprechung aktuell

Empfehlungen für DocMorrris bleiben für Otto tabu

Das Versandhandelsunternehmen Otto muss seine Werbeko–operation mit der holländischen Internetapotheke DocMorris weiterhin ruhen lassen. Das Landgericht Hamburg untersagte dem Versandhändler, über seine Internetseite und eine Katalogbeilage Werbung unter der Überschrift "Otto empfiehlt Doc–Morris" zu veröffentlichen. In dieser versprach DocMorris Otto-Kunden eine 100-prozentige Zuzahlungsersparnis bei der Erstbestellung rezeptpflichtiger Medikamente. Das Hamburger Unternehmen habe damit fremden Ų und überdies rechtswidrigen Ų Wettbewerb gefördert, urteilte das Gericht. Es bestätigte damit eine vorangegangene einstweilige Verfügung.

(Urteil des LG Hamburg vom 17. August 2006, Az.: 315 O 340/06)

Das Versandunternehmen Otto hatte Ende April 2006 sowohl im Internet als auch in einer Werbebeilage für DocMorris geworben und hierfür ein Entgelt bekommen. In der beanstandeten Werbung empfiehlt Otto den Einkauf bei DocMorris – die niederländische Apotheke verspricht Otto-Kunden im Gegenzug "Sparen auf Rezept": Gesetzlich Krankenversicherte, die – angeregt durch Otto – erstmals bei DocMorris bestellen, erhalten "für jedes Medikament ihres Kassenrezepts einen Sofort-Bonus in Höhe ihrer kompletten Zuzahlung". Bei jeder weiteren Bestellung beträgt der Bonus die Hälfte der gesetzlichen Zuzahlung. Wer von der Zuzahlung befreit ist, erhält einen entsprechenden Bonus gutgeschrieben. Auch Privatversicherten wird ein "Treue-Bonus" versprochen. Er liegt bei fünf Euro auf jedes Arzneimittel bei der Erstbestellung und bei drei Euro bei Folgebestellungen.

Eigene Wettbewerbshandlung von Otto Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) wandte sich gegen die Werbekooperation. Unter Berufung auf seine satzungsgemäße Aufgabe, den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen, erwirkte der LAV im Eilverfahren vor dem Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Otto. Diese hatte nun auch im Rechtsmittelverfahren Bestand. Das Gericht sah einen Unterlassungsanspruch als "überwiegend wahrscheinlich" an, was für eine Entscheidung im Eilverfahren ausreichend ist. Unproblematisch stellte es zunächst fest, dass Otto durch sein Vorgehen den Wettbewerb von DocMorris zu den LAV-Mitgliedern gefördert habe. Gegen Bezahlung habe das Unternehmen seine Werbung mit der der holländischen Apotheke gekoppelt und damit eine eigene Wettbewerbshandlung vorgenommen.

Abgehen von der AMPreisV Was den Inhalt der Werbung betrifft, so sahen die Richter durch das Angebot von Bonuszahlungen und Ersparnissen beim Bezug rezeptpflichtiger Arzneimittel den einheitlichen Apothekenabgabepreis unterlaufen. Dieser ist nach der aufgrund § 78 AMG (Arzneimittelgesetz) erlassenen Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) festgeschrieben. Ein wesentlicher Zweck der Regelung ist, bei verschreibungspflichtigen Medikamenten den Preiswettbewerb auf der letzten Handelsstufe auszuschließen. Nach Auffassung des LG sind die Vorschriften der AMPreisV auch dann verletzt, wenn zwar nicht vom eigentlichen Arzneimittelpreis abgegangen wird, dem Kunden aber Vorteile gewährt werden, die unmittelbar mit dem Erwerb des Mittels gekoppelt sind und die den Bezug somit günstiger erscheinen lassen. So könne auch über ein Bonus- oder Gutscheinsystem "ein für die Arzneimittelversorgung im Ergebnis bedenklicher Preiswettbewerb organisiert werden", heißt es im Urteil. Mit dem Verstoß gegen die Normen der AMPreisV sei der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) erfüllt, ein Unterlassungsanspruch mithin gegeben.

Teledienstgesetz nicht verletzt Die Richter führten zudem aus, dass die umstrittene Werbung des niederländischen Unternehmens nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Jede Arzneimittellieferung an Abnehmer in Deutschland unterliege auch den deutschen Preisbestimmungen. Zu einer Unanwendbarkeit der AMPreisV führe auch nicht das in § 4 Abs. 2 TDG (Teledienstgesetz) normierte Herkunftslandprinzip. Denn dieses beziehe sich nur auf Online-Geschäfte, die unmittelbar elektronisch und ohne so genannten "Medienbruch" ablaufen. Vorliegend sei ein solcher "Medienbruch" aber gerade gegeben, weil das Original-Rezept per Post eingeschickt werden müsse.

AMPreisV gilt auch für grenzüberschreitenden Versand Die Hamburger Richter sahen ebenfalls keinen Grund, die AMPreisV für den grenzüberschreitenden Arzneimittel-Versandhandel auszuschließen. Sie finde "nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und vor allem nach ihrem Schutzzweck" Anwendung: So ordne § 73 Abs. 1 Nr. 1 a AMG für den Versand von Arzneimitteln an Endverbraucher durch versandberechtigte ausländische Apotheken die Beachtung der deutschen Vorschriften zum Versandhandel an. Zu diesen Vorschriften zähle auch § 11 a ApoG (Apothekengesetz), wonach der Versand aus der öffentlichen Apotheke "nach den dafür geltenden Vorschriften" zu erfolgen habe. Aus Sicht des LG müssen somit auch die deutschen Festpreise beachtet werden. Es führt zudem aus, dass auch die Gesetzesbegründung zum GKV-Modernisierungsgesetz – mit dem 2004 der Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland zugelassen wurde – keinen anderen Schluss zulasse. Ausdrücklich habe der Gesetzgeber einen fairen Wettbewerb zwischen Versand- und Präsenzapotheken gewünscht. Würden nur inländische Apotheken einer Preisbindung unterworfen, so werde dieser Wunsch "geradezu konterkariert". Auch der Schutzzweck der AMPreisV ist für die Richter klar und nachvollziehbar. Neben der Senkung des Arzneimittelpreisniveaus sei es Ziel der einheitlichen Apothekenverkaufspreise, dass ein ruinöser Preiswettbewerb unter den Apotheken verhindert wird und damit eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sichergestellt ist.

EU-Warenverkehrsfreiheit nicht tangiert Ob das deutsche Preissystem für rezeptpflichtige Arzneimittel den europäischen Grundsatz des freien Warenverkehrs (Art. 28 EG) verletzt, kann dem Gericht zufolge dahingestellt bleiben. Denn nach der "überzeugenden Argumentation" des LAV sei es mit der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit nach Art. 30 EG gerechtfertigt. Die AMPreisV sei ein "integraler Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens". Sie diene der Gesundheit von Menschen und verfolge ein gesundheitspolitisches Ziel. Der Gesetzgeber habe auf Grundlage seiner Einschätzung und Prognose eine abstrakte Gefährdung gesehen, sollte für verschreibungspflichtige Arzneimittel keine Preisbindung bestehen. An diese Einschätzung sieht sich die Kammer gebunden (Einschätzungs- und Prognosevorrang des Gesetzgebers) – zumal sie nicht nur schlüssig, sondern auch geeignet und erforderlich sei, der Gefahr entgegenzuwirken. Das Gericht führt dazu aus, dass die Verdrängung gerade Ziel des Preiswettbewerb sei. So biete auch der ausländische Arzneimittelversand seine Bonusverträge nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit an, sondern, weil er andere Apotheken im Markt verdrängen wolle. Im Urteil heißt es: "Dass die Verdrängung bislang (noch) nicht zu einem Apothekensterben geführt hat, lässt die Gefahreinschätzung des deutschen Gesetzgebers nicht unvernünftig erscheinen, sondern mag seine Ursache darin haben, dass ein aggressiver und ruinöser Preiswettbewerb erst noch bevor- steht". Insgesamt – so die Richter – diene die Preisbindung in einem komplexen Gesamtgefüge der Kostenkontrolle und -steuerung sowie einer hohen Apothekendichte auch in ländlichen Gebieten. Sie schaffe damit eine zeit- und ortsnahe und damit ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Die Einheitlichkeit der Abgabepreise diene damit vor allem auch als Ersatz für die in Deutschland verfassungsrechtlich unzulässige – in zahlreichen anderen EU-Staaten jedoch praktizierte – behördliche Niederlassungsregulierung. Mildere Mittel zum Schutz dieses Gefüges seien weder vorgebracht noch erkennbar.

Die kommende Gesundheitsreform bringt Neues Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist mit diesem Urteil noch nicht gefallen. Im Zuge der anstehenden Gesundheitsreform wird die Werbung mit Zuzahlungsbefreiungen in Zukunft wohl anders zu betrachten sein. Der Gesetzgeber will nun von den Festpreisen der AMPreisV abrücken und auf ein Höchstpreissystem umstellen. Zudem soll es ab April nächsten Jahres jeder Apotheke erlaubt sein, ganz oder teilweise auf die gesetzliche Zuzahlung zu verzichten.

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