Vor dem Rausschmiss erst mal drohen

(bü). In Begründungen von Urteilen der Arbeitsgerichte steht es häufig: Die Kündigung ist unwirksam, weil der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung hätte aussprechen müssen. In der Praxis ist das leichter gesagt als getan – und verlangt auf beiden Seiten Wachsamkeit.
Was bei einer Abmahnung beachtet werden sollte

Mit einer Abmahnung kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer "ermahnen", wenn dieser (seiner Meinung nach) eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt hat. Eine Abmahnung besteht aus drei Teilen:

  • Das vertragswidrige Verhalten wird beschrieben und gerügt. Beispiel: "Sie sind in den letzten drei Wochen zweimal zu spät zur Arbeit erschienen (nämlich am ... um ... Uhr und am ... um ... Uhr, statt um ... Uhr), ohne dafür einen Grund nachweisen zu können."
  • "Sie werden aufgefordert, in Zukunft Ihre Pflichten zu erfüllen."
  • "Für den Fall, dass dies nicht geschieht, drohen wir hiermit arbeitsvertragliche Folgen bis hin zur Kündigung an."

Eine Abmahnung hat also Warn- und Ankündigungsfunktion. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeits-gerichts muss der Arbeitnehmer vor einer "verhaltensbedingten" Kündigung – zum Beispiel wegen mangelhafter Leistung oder weil er häufig zu spät kommt oder das betriebliche Rauchverbot nicht einhält – abgemahnt werden. Auf die "gelbe Karte" kann jedoch verzichtet werden, wenn

  • der Verstoß des Arbeitnehmers so schwerwiegend ist, dass er nicht damit rechnen kann, der Arbeitgeber werde sein Verhalten tolerieren (Beispiele: sexuelle Belästigung gegenüber Kolleginnen; Beleidigung der Ehefrau des Arbeitgebers; Diebstahl im Betrieb),
  • der Vertrauensbereich erheblich gestört ist, etwa durch eine Unterschlagung.

Dem Arbeitgeber ins Stammbuch: (Zu) häufige Abmahnungen "nutzen sich ab" – vor allem, wenn sie in der-selben Angelegenheit ausgesprochen werden. Das Bundesarbeitsgericht hat sogar eine Kündigung für unwirksam erklärt, die an sich berechtigt war, aber wegen vorausgegangener mehrfacher Abmahnung in derselben Sache ohne Kündigungsandrohung das Drohpulver verschossen war. Der Mitarbeiter habe die Briefe seines Chefs schließlich nicht mehr ernst genommen …

Wie kann der Arbeitnehmer auf eine Abmahnung reagieren?

1. Er kann eine "Gegendarstellung" zu seiner Personalakte geben.

2. Er kann die Rücknahme einer (seiner Meinung nach) zu Unrecht ausgesprochenen Abmahnung und deren Entfernung aus der Personalakte verlangen. Das gilt auch, wenn verschiedene Vergehen gerügt werden, aber nur ein Teil davon nicht zutrifft.

3. Weigert sich der Arbeitgeber, so kann der Mitarbeiter sowohl die Löschung in der Personalakte als auch die Aufnahme seiner Gegendarstellung durch Klage vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen versuchen.

Auch wenn eine Abmahnung rechtmäßig ausgesprochen wurde, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sie aus der Personalakte herausgenommen wird, wenn sie durch Zeitablauf ihre Bedeutung verloren hat. Dies ist etwa der Fall, wenn sich der Arbeitnehmer nach der Abmahnung längere Zeit vertragsgetreu verhalten hat oder wenn die Vorwürfe nicht schwerwiegend waren. Es kommt auf den Einzelfall an; spezielle Fristen gibt es nicht. Arbeitsgerichte haben entschieden, dass sich Arbeitgeber nach zwei Jahren für eine Kündigung nicht mehr in derselben Angelegenheit auf eine frühere Abmahnung berufen dürfen.

Natürlich kann auch der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber "abmahnen", wenn dieser seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht erfüllt. Wegen der unterschiedlichen Kräfteverteilung ist dies jedoch die Ausnahme. Ein Beispiel für eine Arbeitnehmer-Abmahnung wäre ein häufig verspätet gezahltes Gehalt, was für ihn Anlass sein könnte, die Kündigung anzudrohen.

Wichtig: Abmahnungen sind nicht mitbestimmungspflichtig. Das heißt: Der Betriebsrat braucht vom Arbeitgeber nicht eingeschaltet zu werden (während es umgekehrt durchaus zur "Mithilfe" des Betriebsrats kommen kann).

Übrigens: All dies gilt nicht für Kleinbetriebe, für die das Kündigungsschutzgesetz nicht anzuwenden ist. Da sie grundsätzlich keinen "Grund" für eine Kündigung anzugeben brauchen, müssen sie eine mögliche Entlassung auch nicht "androhen" ....

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