DAZ aktuell

"Pillenwarnung" der AOK-Hessen (Stellungnahme der DPhG)

Stellungnahme der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) zu einer Aussendung der AOK Hessen an ihre Versicherten zum Thema "Bestmögliche Behandlung":

Auch Mitglieder einer "Gesundheitskasse" können krank werden, und in einem aktuellen Brief an die Versicherten fragt die AOK Hessen nach der "bestmöglichen Behandlung". Sie stellt fest, dass man keinesfalls immer Tabletten brauche. Diese Aussage stimmt, und es ist an sich ein gutes Vorhaben, einer rational nicht begründeten Arzneimitteleinnahme entgegensteuern zu wollen. Aber die Art und Weise, wie die AOK Hessen die Versicherten über die Sache informiert, ist in ihrer entstellenden Verkürzung kontraproduktiv und potenziell patientenschädigend.

So erfahren die Leser des Schreibens, dass die Wirksamkeit von Medikamenten vielfach überschätzt werde. "Nicht selten profitieren nur 5% der Patienten von einem Medikament".

Die klein gedruckte Fußnote lässt Fachkreise erkennen, dass es hier um die medikamentöse Prophylaxe kardiovaskulärer Komplikationen bei Hypertonie und Hypercholesterinämie geht. Die meisten Leser aber werden durch eine solch niedrige Erfolgsquote zutiefst verunsichert sein, denn wer macht sich schon den Unterschied zwischen der Reduktion eines Komplikationsrisikos und der Therapie einer manifesten Erkrankung klar?

Und der AOK-Brief legt nach: "Pillen haben immer Nebenwirkungen" und "Viele Versicherte sagen uns immer wieder, dass sie weniger Chemie schlucken wollen". Man möchte den Experten der AOK Hessen zurufen, alle Materie ist Chemie! Warum dieses Niveau dumpfer Irrationalität?

Schließlich wird suggeriert, die hessische Ärzteschaft teile die Auffassungen der AOK-Hessen.

Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft hält solche "Patienteninformationen", die nicht das Ziel verfolgen, vernunftorientiert zu beraten und aufzuklären, sondern die auf polemische und missverständliche Art und Weise Patientenverhalten lenken sollen, für schädlich und gefährlich. Anstelle einer seriösen und angemessenen Aufklärung über Nutzen und Schaden von Arzneimitteln wird hier eine diffuse Angst vor diesen geschürt. Wie kann ein Krankenversicherer in derart verallgemeinernder Weise die Nützlichkeit von Arzneimitteln in Frage stellen? Wie viele Patienten werden nun ihre Arzneimitteltherapie aus Sorge vor geringer Erfolgsquote, den "immer" auftretenden Nebenwirkungen und dem gefährlichen "Schlucken von Chemie" eigenmächtig beenden?

Patienten sollten als ernsthaft interessierte, mündige Partner anerkannt und in vernünftiger Weise in die Lösung von Problemen der Arzneimittelanwendung eingebunden werden. Die "Pillen-Warnung" der AOK Hessen leistet hierzu keinen zweckdienlichen Beitrag und kann nur als inakzeptabel eingestuft werden.

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