Aus der Hochschule

Universität Freiburg: Das allergene Potenzial von Arnika

Die Arnika gehört vor allem wegen ihrer entzündungshemmen–den Wirkung zu den altbewährten Arzneipflanzen. Zugleich gilt sie als allergen, was ihre Anwendung bei empfindlichen Perso–nen einschränkt. Neuesten Forschungen zufolge ist das allergene Potenzial jedoch sehr viel geringer als bisher angenommen. Für diese Forschungen erhielt Priv.-Doz. Dr. Stefan Martin, Universität Freiburg, am 3. November den Sebastian-Kneipp-Preis.

Es gehört zum Standardwissen der Allergologie, dass Arnika auf der Haut allergische Reaktionen vom Typ IV (Kontaktdermatitis mit verzögerter Reaktion) hervorrufen kann. Beobachtet wurde dieses Phänomen vor allem bei Arnikapflückerinnen, und seine pharmakologische Bestätigung fand es im Meerschweinchen-Erythem-Test, in dem Arnika stark kontaktallergen wirkt. Die Kommission E beim ehemaligen Bundesgesund–heitsamt hat deshalb in der 1984 veröffentlichten Arnika-Monographie darauf hingewiesen, dass bei längerer Anwendung Ekzeme auftreten können, und bis jetzt wurde diese Aussage nicht revidiert. So findet sich in der Packungsbeilage von zugelassenen Arnikapräparaten auch ein entsprechender Hinweis in der Rubrik "Nebenwirkungen". In der Klinik treten Arnikaallergien jedoch sehr selten auf. Dieser Widerspruch hat Dr. Stefan Martin zu seinen Forschungen veranlasst.

Wie eine Typ-IV-Allergie entsteht Eine Kontaktdermatitis entsteht dadurch, dass ein Allergen die Hornschicht durchdringt, in der Epidermis an ein körpereigenes Protein bindet und mit ihm zu einer Langerhans-Zelle der Epidermis oder einer dendritischen Zelle in der darunter liegenden Dermis gelangt, die das Allergen in einen Lymphknoten transportieren und dort den T-Lymphozyten (kurz: T-Zellen) als Antigen präsentieren. Dabei werden die T-Zellen so programmiert, dass sie bei einem wiederholten Auftreten des Allergens aus der Blutbahn in die Haut penetrieren und dort die allergische Reaktion auslösen. Somit ist das Immunsystem gegen das Allergen sensibilisiert.

Derzeit sind mehr als 3000 Kontaktallergene bekannt; es sind teils Metallionen (insbesondere Nickel), teils niedermolekulare reaktive Substanzen, die aufgrund der Tatsache, dass sie an körpereigene Proteine binden, als Haptene bezeichnet werden. Einige Berufsgruppen wie Frisöre und Maler sind gegenüber solchen Substanzen besonders stark exponiert, weshalb bestimmte Allergien bei ihnen als Berufskrankheiten anerkannt sind.

Arnika hemmt die –Entzündungsreaktion Arnikablüten sind wegen ihrer enormen entzündungshemmen–den Wirkung eine altbewährte Arzneidroge. Die Wirkung des ethanolischen Extraktes beruht auf den Sesquiterpenlactonen Helenalin und Dihydrohelenalin und ihren Derivaten, unter denen die Butyrate überwiegen. Diese Stoffe binden im Zytosol von Entzündungszellen und Keratinozyten an den Transkriptionsfaktor NFκB und hemmen dadurch die Synthese inflammatorischer Zytokine sowie der Cyclooxy–genase II und der induzierbaren NO-Synthase. Diese Mechanismen sind wesentlich durch den Arbeitskreis von Prof. Dr. Irmgard Merfort, Freiburg, in den 90er-Jahren aufgeklärt worden.

In einem interdisziplinären Projekt ist Dr. Stefan Martin, der sich 2003 für das Fach "Molekulare Immunologie" habilitiert hat und eine Arbeitsgruppe an der Universitäts-Hautklinik Freiburg leitet, der Frage nachgegangen, warum die entzündungshemmende Arnika zugleich Entzündungsreaktionen auslösen kann. Dabei hat er insbesondere mit dem Doktoranden Christian Lass aus dem Arbeitskreis Prof. Merfort und mit Marc Vocanson in Lyon zusammengearbeitet.

Zuerst haben Martin und Mitarbeiter in In-vitro-Versuchen untersucht, wie Helenalin auf die Ausschüttung inflammatorischer Zytokine wirkt. Sowohl bei Keratinozyten als auch bei dendritischen Zellen fanden sie dosis–abhängig eine Entzündungshemmung, die eigentlich ausreichen sollte, um eine Kontaktallergie zu verhindern. Dies überprüften sie in vivo an Mäusen mit dem lokalen Lymphknoten-Assay (LLNA), bei dem die Sensibilisierung mit einem starken Allergen an der Bauchhaut erfolgt und anschließend am Ohr, dessen Lymphknoten stark anschwellen kann, die allergische Reaktion auf eine Substanz gemessen wird. Die Ergebnisse: Bei Mäusen, die am Bauch mit Sesquiterpenlactonen sensibilisiert waren, verursachten verschiedene Arnikaextrakte am Ohr keine allergische Reaktion. Sie hemmten sogar die Reaktion nach Applikation des äußerst starken Allergens Trinitrochlorbenzol. Das heißt: Die entzündungshemmende Wirkung war viel stärker als die allergene.

Unterschiede zwischen mitteleuropäischer und spanischer Arnika In weiteren Versuchen fanden Martin und Mitarbeiter, dass bei der Kontaktdermatitis die zytotoxischen T-Zellen dominieren, indem sie die Keratinozyten durch Zytolyse vernichten. Regulatorische T-Zellen wirken diesem Mechanismus entgegen. Um den hemmenden Effekt zu quantifizieren, haben sie Versuche mit gentechnisch veränderten Mäusen, denen die regulatorischen T-Zellen fehlen, durchgeführt und dabei herausgefunden, dass bei ihnen die Extrakte der mitteleuropäischen Arnika in erheblichem Maße allergen wirken, die Extrakte der spanischen Arnika jedoch kaum. Es handelt sich um chemische Rassen derselben Pflanzenart (Arnica montana), die sich im Muster der Sesquiterpenlactone unterscheiden. Die mitteleuropäische Arnika enthält Helenaline, die spanische Arnika hingegen Dihydrohelenaline, die am Lactonring anstatt der Methylengruppe eine Methylgruppe aufweisen. Diese Methylengruppe scheint also der Schlüssel für die (geringe) Allergenität der Arnika zu sein.

Das Fazit der Forschungen –lautet: Die Arnika ist sehr viel weniger allergen als bisher behauptet; der Meerschweinchen-Erythem-Test ist hier nicht aussagekräftig, maßgeblich ist vielmehr der lokale Lymphknoten-Assay an der Maus. Innerhalb der Arnika unterscheiden sich die mitteleuropäische und spanische Rasse in ihrem allergenen Potenzial erheblich.

Martin und Mitarbeiter stießen bei ihren Forschungen noch auf ein interessantes Nebenergebnis: Sie entdeckten, dass Fragmente der Hyaluronsäure die dendritischen Zellen stimulieren und damit bei der Auslösung allergischer Reaktionen eine große Rolle spielen. Damit haben sie ein neues Forschungsfeld eröffnet.

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