Berichte

Universität Freiburg: Sebastian Kneipp Preis für Irmgard Merfort

Am 13. November erhielt Prof. Dr. Irmgard Merfort, Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Freiburg, im Rahmen einer Feierstunde in Baden-Baden den Sebastian Kneipp Preis 1999. Mareile Leusser, Gesellschafterin der Kneipp-Werke, Würzburg, überreichte die von ihrer Firma gestiftete und mit 20000 DM dotierte Auszeichnung zum 25. Mal. Sie würdigte mit dem Preis die grundlegenden Untersuchungen von Frau Professor Merfort über die entzündungshemmende Wirkung von Inhaltsstoffen der Arnika und deren komplexes Zusammenwirken in phytotherapeutischen Zubereitungen.

Das Vermächtnis von Sebastian Kneipp

Fritz Boecker, Geschäftsführer der Kneipp-Werke, rief das Wirken und die Ziele des Priesters und erfolgreichen Laienheilers Sebastian Kneipp (1821-1897) in Erinnerung. Er schilderte ihn als einen Pionier der Selbstmedikation und der Präventivmedizin. Angesichts einer fehlenden gesetzlichen Krankenversicherung war es zu damaliger Zeit für viele Menschen selbstverständlich, dass sie sich möglichst ohne ärztlichen Beistand zu kurieren versuchten.

Kneipp machte aus der Not des einfachen Volkes gewissermaßen eine Tugend, und so zeichnet sich seine Lehre durch "verblüffende Einfachheit und überzeugende Wirksamkeit" aus, wie Boecker betonte. Durchaus modern sei der Gedanke der Prävention, den Kneipp schon verfocht ("So sollt ihr leben"). Das weit verbreitete Streben nach Fitness und Wellness weist darauf hin, dass eine gesunde Lebensführung Spaß machen kann. Viele Menschen suchen heute einen Kompromiss "zwischen Heilen und Hedonismus" oder gar eine Mischung aus Luxus und Askese, wie die Wortschöpfung "Luxese" zeigt.

Laudatio

Prof. Dr. Günter Willuhn, Universität Düsseldorf, hielt die Laudatio auf die Preisträgerin, die nach dem Pharmaziestudium in Münster bei ihm in Düsseldorf ihre Dissertation über lipophile Inhaltsstoffe der Schneebeere (Symphoricarpus) geschrieben hatte. Anschließend befasste sie sich mit den Flavonoiden der Arnika, um sich 1991 für Pharmazeutische Biologie zu habilitieren. 1995 nahm sie einen Ruf an die Universität Freiburg an und setzte dort die Erforschung der Arnika fort, wobei sie alle potenziellen Wirkstoffe einbezog. Diese Forschungen haben dazu geführt, dass die antiphlogistische Wirkung der Arnika heute besser verstanden wird.

Arzneipflanze Arnika

Dass Arnika eine traditionell sehr wichtige Heilpflanzen ist, erkenne man, so Willuhn, bereits daran, dass ihr lateinischer Name volkstümlich geworden und jedenfalls viel bekannter ist als ihr deutscher Name "Bergwohlverleih". Die traditionellen Anwendungen bei Verletzungs- und Unfallfolgen sowie verschiedenartigen Entzündungen hat die Kommission E des damaligen Bundesgesundheitsamtes 1984 bestätigt, indem sie positive Monographien für Arnikablüten und Arnikatinktur erstellte.

An Inhaltsstoffen in Arnika sind bisher 33 Flavonoide und 18 Sesquiterpenlactone identifiziert worden. Die letzteren sind größtenteils Helenaline und Dihydrohelenaline, die sich voneinander durch das Vorhandensein einer Methylengruppe bzw. einer Methylgruppe am Lactonring unterscheiden. Die große Anzahl ergibt sich aus den vielfältigen Veresterungen mit Fettsäuren. Da diese Substanzen amphiphil sind, sind sie sowohl im wässrigen Aufguß der Droge als auch im Auszug mit fettem Pflanzenöl enthalten.

Die Helenaline besitzen mit ihren ungesättigten Bestandteilen zwei alkylierende Zentren, die insbesondere Thiole - wie z. B. die schwefelhaltige Aminosäure Cystein - durch Michael-Addition binden. Darauf beruhen letzten Endes viele physiologische Wirkungen der Arnikablüten, von denen Willuhn u. a. folgende nannte:

  • Hemmung der oxidativen Phosphorylierung (ATP-Synthese) in Neutrophilen,
  • Hemmung der Leukozyten-Chemotaxis,
  • Hemmung der Freisetzung und Aktivität lysosomaler Enzyme,
  • Hemmung der Freisetzung von Histamin aus Mastzellen,
  • Hemmung der Freisetzung von Serotonin aus Thrombozyten,
  • Hemmung der Thrombozyten-Aggregation.

Helenaline contra Genexpression

Frau Professor Merfort schloss an die Ausführungen von Professor Willuhn an und teilte insbesondere die in ihrem Arbeitskreis gefundenen neuen Erkenntnisse über den Wirkungsmechanismus von Arnikablüten mit, für den es bisher keine befriedigende Erklärung gab. Die oben genannten Sesquiterpenlactone greifen in die Genregulation des Zellkerns und damit in die Biosynthese derjenigen Proteine ein, die die Entzündungsreaktion hervorrufen. Hierzu zählen Zelladhäsionsmoleküle, Akute-Phase-Proteine, inflammatorische Zytokine wie Interleukine und Tumornekrosefaktorα, Cyclooxygenase II und induzierbare NO-Synthase. Dabei hat Helenalin eine absolute Hemmkonzentration (IC100) von nur 10 mM.

Unmittelbarer Angriffspunkt der Sesquiterpenlactone ist der Transkriptionsfaktor NFκB, der der DNA-Polymerase die Bindung an die jeweiligen Gene ermöglicht, die für die oben genannten Proteine codieren. Sie verhindern also die Genexpression. Der Transkriptionsfaktor NFkB ist ein dimeres Protein; die Sesquiterpenlactone inaktivieren es, indem sie mit zwei Cysteinen seiner p65-Untereinheit reagieren (bifunktionelle Alkylierung und Quervernetzung der Thiolgruppen).

Dieser Wirkmechanismus der (Dihydro-)Helenaline unterscheidet sich grundlegend von demjenigen der synthetischen nicht-steroidalen Antiphlogistika, denn dieser beruht auf einer Hemmung der Cyclooxygenase und greift somit in ein weiter fortgeschrittenes Stadium des Entzündungsgeschehens ein.

Die in Arnikablüten enthaltenen Flavonoide ergänzen die entzündungshemmende Wirkung der Sesquiterpenlactone, indem sie reaktive Sauerstoffspezies abfangen. Dieser Befund ist insofern interessant, als er die therapeutische Überlegenheit des natürlichen Stoffgemisches der Droge gegenüber isolierten Substanzen begründet und ein Argument für die Verwendung des Phytopharmakons ist.

Überlegenheit von Phytopharmaka gegenüber Reinsubstanzen

Abschließend berichtete Dr. Dr. Bernhard Uehleke, Würzburg, über die Geschichte des Sebastian Kneipp Preises, der seit 1971 verliehen wird. Bedingung für die Bewerbung ist eine abgeschlossene Forschungsarbeit, die sich mit den fünf Säulen der Kneipptherapie - Hydrotherapie, Phytotherapie, Ernährungstherapie, Bewegungstherapie, Ordnungstherapie - oder mit übergeordneten Themen wie Kneippkur, Rehabilitation und Prävention befasst.

Was die phytotherapeutischen Arbeiten betrifft, so müssen insbesondere die Synergismen der einzelnen Wirkstoffe aufgezeigt werden, weil nur so von Fall zu Fall die Überlegenheit der Phytopharmaka gegenüber Reinsubstanzen nachgewiesen wird. Weil Frau Professor Merfort diese Aufgabe bei ihrer Untersuchung der Arnikablüten gelungen ist, reiht sie sich würdig ein die Reihe der bisherigen Kneipp-Preisträger.

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