Arzneimittel und Therapie

Multiple Sklerose: Betaferon kann Ausbruch verzögern

hel | Eine frühzeitige Behandlung mit Interferon-beta-1b (Betaferon®) nach einem ersten klinischen auf multiple Sklerose (MS) hinweisenden Ereignis kann das Risiko für eine klinisch gesicherte MS um 50 Prozent verringern. Das zeigen die Ergebnisse der BENEFIT-Studie (Betaferon®/Betaseron® in Newly Emerging MS For Initial Treatment), welche die Schering AG jetzt bekannt gab.

Die Ergebnisse der Studie wurden nach einer Information der Firma Schering im September auf dem ECTRIMS/ACTRIMS-Kongress (21. Kongress des European Committee for the Treatment and Research in Multiple Sclerosis /10. Jahrestreffen des Americas Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis) Ende September in Thessaloniki, Griechenland vorgestellt.

Halb so großes Risiko

Nach diesen Studienergebnissen kann eine frühzeitige Behandlung mit Interferon-beta-1b (Betaferon®) nach einem ersten klinischen, auf multiple Sklerose (MS) hinweisenden Ereignis das Risiko der Entstehung einer klinisch gesicherten MS um 50 Prozent verringern. Zudem belegen die Ergebnisse, dass Patienten, die mit Betaferon® behandelt wurden, gemäß den McDonald-Diagnosekriterien doppelt so gut vor der Entstehung einer MS geschützt sind wie Patienten, die mit einem Scheinmedikament (Placebo) behandelt wurden. Das Kriterium "klinisch gesicherte MS" basiert allein auf klinischer Symptomatik; das McDonalds-Kriterium schließt zusätzlich mit Magnetresonanztomographie (MRI) gewonnene Erkenntnisse über die Entzündungsaktivität im Hirn ein.

Die Hälfte der Teilnehmer aus der Placebogruppe mit einem ersten klinischen, auf MS hinweisenden Ereignis erkrankte innerhalb der ersten sechs Monate an multipler Sklerose. Innerhalb von zwei Jahren wurde bei 85 Prozent der Patienten in der Placebogruppe eine klinisch manifeste MS diagnostiziert. Diese Daten zeigen, wie wichtig es ist, früh mit der Behandlung zu beginnen, um die Progression zu einer klinisch gesicherten multiplen Sklerose schnell zu verhindern.

Gut etablierte Therapie

Betaferon®/Betaseron® ist als krankheitsbeeinflussende Therapie zur Behandlung der multiplen Sklerose mittlerweile weltweit gut etabliert. Betaferon® ist in den USA, in Europa und Japan für alle schubförmig verlaufenden Formen von MS zugelassen.

Bis jetzt ist Betaferon® zur Behandlung von Patienten mit schubweise verlaufender multipler Sklerose indiziert, die in den letzten zwei Jahren zwei oder mehr Schübe durchgemacht haben. Betaferon® ist außerdem indiziert zur Behandlung von Patienten mit sekundär progredient verlaufender multipler Sklerose, die sich in einem akuten Krankheitsstadium befinden, das heißt klinische Schübe erfahren.

Durch die Therapie mit Betaferon® lassen sich die Zahl der MS-Schübe um ein Drittel und die Häufigkeit mittelschwerer bis schwerer Episoden um bis zu 50 Prozent verringern. Die Langzeitbeobachtung über 16 Jahre von mit Betaferon® behandelten Personen zeigte ein sehr gutes Nebenwirkungsprofil sowie gute Verträglichkeit.

Foto: Fraunhofer IGB
Interferon Beta kann bei rechtzeitigem Einsatz das Fortschreiten der multiplen Sklerose verlangsamen. Die Abbildung zeigt die Oberflächen von herkömmlichem Interferon beta-1b (links) und einer besser wasserlöslichen Variante (rechts), die sich in der Entwicklung befindet.

Insgesamt 487 Patienten

Die multizentrische, doppelblinde, randomisierte Phase-III-Studie unter dem Titel BENEFIT wurde in 98 Zentren in 20 Ländern durchgeführt und umfasste insgesamt 487 Patienten, die ein erstes klinisches Ereignis mit Verdacht auf MS zeigten. Die maximale Studiendauer betrug 24 Monate. Über diesen Zeitraum lag das Risiko für das Entstehen einer klinisch gesicherten MS (CDMS) bei 
45 Prozent in der Placebo-Gruppe im Vergleich zu 28 Prozent in der Betaferon®-Gruppe (p < 0,0001). Das Risiko, eine MS gemäß klinischen Kriterien zu entwickeln, wurde somit halbiert. Eine vergleichbare Risikoreduktion von 46 Prozent konnte bei der Progression zu MS gemäß den MS-Kriterien nach McDonald beobachtet werden (p < 0,00001).

Bei Patienten mit einer monofokalen Manifestation der Erkrankung, bei denen also nur ein Erkrankungsherd klinisch sichtbar war, zeigte sich die Wirkung von Betaferon® noch deutlicher. Hier ging die Entwicklung zu einer klinischen MS um 58 Prozent zurück 
(p = 0,0004). Dies weist möglicherweise darauf hin, dass bei einem Patienten mit geringer ausgeprägter Krankheitsmanifestation eine deutlichere Wirkung erzielt werden kann als bei Patienten mit einem multifokalen Krankheitsbild.

Gute Akzeptanz

Betaferon® wurde sehr gut akzeptiert und war gut verträglich, was dazu führte, dass 93 Prozent der Patienten die zwei Jahre dauernde Studie abschlossen. Mehr als 95 Prozent aller Patienten, die die Studie beendeten, entschlossen sich, die Behandlung mit Betaferon® im Rahmen einer offenen Nachbeobachtungsstudie fortzusetzen. Die Verwendung eines Dosis-Titrierungsplanes bei Therapiebeginn, von Auto-Injektoren und einer analgetischen Begleitmedikation dürften zu der guten Akzeptanz durch die Patienten beigetragen haben.

Die BENEFIT-Studie

Patienten, bei denen erstmalig ein für eine MS verdächtiges demyelinisierendes Ereignis aufgetreten war und die typische MR-tomografische Befunde hatten, erhielten entweder jeden zweiten Tag acht Millionen Einheiten Interferon beta-1b (Betaferon®) oder Placebo als subkutane Injektion. Die Behandlung dauerte maximal 24 Monate, vorausgesetzt, der Patient erlitt keine zweite Episode, und es wurde keine klinisch gesicherte MS diagnostiziert.

Die beiden Hauptzielparameter zur Beurteilung der Wirksamkeit waren die Zeit bis zur Entwicklung einer klinisch manifesten MS, basierend auf einem zweiten klinischen Ereignis oder einer Progression im Expanded Disability Status Scale (EDSS) um mindestens 1,5 Punkte und die Zeit bis zur Entwicklung einer MS gemäß den McDonald-Kriterien.

Allen Studienteilnehmern, welche die doppelblinde Studie beendeten, wurde eine Teilnahme an einer separaten offenen Nachbeobachtungsstudie mit Betaferon® angeboten, in der die Wirkung einer frühzeitigen Behandlung mit Betaferon® auf den langfristigen Verlauf der Erkrankung über einen Zeitraum von insgesamt fünf Jahren prospektiv untersucht wird. In diesem Rahmen soll auch die Wirkung eines frühzeitigen Behandlungsbeginns auf die Entwicklung neuer MR-tomographisch nachweisbarer Läsionen im Gehirn untersucht werden.

In BENEFIT wurden Patienten aufgenommen, die ein erstes klinisches demyelinisierendes Ereignis entweder monofokal (das heißt klinischer Nachweis einer einzelnen Läsion) oder multifokal (das heißt klinischer Nachweis von mehr als einer Läsion) erlitten hatten. Der Einschluss beider Patientengruppen ist wichtig, da beides bei Patienten mit einer einzigen klinischen Episode vorkommen kann.

Anwendung im Frühstadium

Die BENEFIT-Studie zu Betaferon® ist die erste Studie mit Patienten im Frühstadium unter Anwendung eines hoch dosierten, häufig verabreichten Interferons. Jetzt sollen diese Daten den Behörden vorgelegt werden, um eine Erweiterung der Zulassung zu erreichen. Bisher waren alle Beta-Interferone (Interferon beta-1a und -1b) nur zur Behandlung einer klinisch manifesten multiplen Sklerose zugelassen, wenn in den vergangenen beiden Jahren mindestens zwei Schübe aufgetreten waren.

"Die Ergebnisse der Studie mit Betaferon® zeigen einen sehr deutlichen und statistisch aussagekräftigen Einfluss auf die Entstehung von MS bei Risikopatienten", sagte Ludwig Kappos, Professor für Neurologie und Klinische Neuroimmunologie an der Universität Basel, Schweiz und Studienleiter der BENEFIT-Studie. "Die Studie wurde streng kontrolliert und unterstützt Ärzte in ihrer Entscheidung für eine frühe Behandlung mit einer hoch dosierten, hochfrequenten Therapie nach nur einem einzigen klinischen Ereignis. Diese Daten zeigen: je früher mit einer wirkungsvollen Therapie begonnen wird, desto besser ist das Ergebnis."

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