Arzneimittel und Therapie

Multiple Sklerose: Hochdosierte Behandlung mit Betaferon

Die klinischen Studien mit Interferon beta-1b (Betaferon®) umfassen inzwischen mehr als 4500 Patienten-Behandlungsjahre. Wie wichtig solch eine breite Datenbasis ist, wurde auf einem Symposium am 21. Juni 2001 anlässlich des World Congress of Neurology (WCN) in London deutlich, wie Schering mitteilte. Die Wirksamkeit der hochdosierten Betaferon-Therapie hat zur weltweiten Zulassung dieses Medikaments in der Indikation "schubförmige MS" geführt, außerdem zur Zulassung für sekundär-progrediente MS in Europa, Kanada und Australien sowie für alle Formen der MS in Japan.

Betaferon wurde vor kurzem in Japan als "Orphan Drug" zur Behandlung des gesamten Spektrums der Multiplen Sklerose zugelassen. Die Zulassung basiert auf der ersten Dosis-Vergleichsstudie mit einem Interferon in der japanischen Population, und auf der europäischen Studie bei sekundär-progredienter MS. Die Ergebnisse der japanischen Studie, vorgetragen von Professor Takahiko Saida vom Utano National Hospital in Kyoto, bestätigen die Resultate der zulassungsrelevanten Studie mit Betaferon bei schubförmiger MS.

Die hohe Dosis Betaferon, 8 Millionen internationale Einheiten (MIU) jeden zweiten Tag, zeigte sich auch in der japanischen Studie statistisch signifikant besser wirksam als die niedrige Dosis von 1,6 MIU jeden zweiten Tag (5,6 MIU pro Woche). Im Vergleich zu der niedrigdosierten Gruppe verminderte sich die Schubrate noch einmal um 29%, und die Dauer der Schübe war signifikant kürzer mit 7,1 Tagen pro Jahr verglichen mit 16,4 Tagen pro Jahr in der Gruppe mit 1,6 MIU. Auch bei der Untersuchung der MS-Läsionen im Zentralnervensystem (Reduktion um 16,8% in der hochdosierten, aber nur 1,7% in der niedrigdosierten Gruppe) bestätigte sich die Überlegenheit der hohen Dosierung.

Therapeutischer Nutzen bei sehr früher MS

Noch im Laufe dieses Jahres wird die sogenannte BENEFIT-Studie (BEtaferon In Newly Emerging MS For Initial Treatment) beginnen, eine Studie mit Betaferon bei Patienten, die eine erste auf MS hindeutende Episode hinter sich haben, bei denen jedoch noch keine klinisch gesicherte Diagnose "Multiple Sklerose" gestellt wurde. Diese Patienten sollen Betaferon in der hohen Dosierung von 8 MIU alle zwei Tage erhalten; dies lässt sich durch pharmakologische Studien und die Ergebnisse der ersten direkten randomisierten Vergleichsstudie zwischen Betaferon und Avonex (Interferon beta-1a) begründen.

Diese erste Vergleichsstudie (INdependent COMparison of INterferon, INCOMIN) wurde von der MS-Gesellschaft und dem Gesundheitsministerium in Italien unterstützt und verglich die Wirksamkeit von Betaferon in der Standard-Dosierung von 8 MIU jeden zweiten Tag (subkutan gespritzt) mit der von Interferon beta-1a (Avonex®), ebenfalls in der empfohlenen Dosierung von 6 MIU pro Woche (intramuskulär).

Nach einem Jahr Behandlung zeigte die vorläufige Auswertung der Daten, dass Betaferon bei Patienten mit schubförmiger MS die Anzeichen der Krankheit in den ersten sechs bis zwölf Monaten nach Behandlungsbeginn effektiver vermindert als Avonex. Dies bestätigt die Erwartungen der Fachwelt – auch aufgrund des indirekten Vergleichs, wenn man die Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studien betrachtet.

Laut Professor Xavier Montalban vom Hosptial Vall d'Hebron in Barcelona wird die kontrollierte BENEFIT-Studie sich nun mit der optimalen Dosierung für die Erstbehandlung der frühen MS mit Interferonen beschäftigen. Außerdem erhoffen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse über die langfristige Prognose einer sehr frühen Interferonbehandlung und die Möglichkeit, die neuen diagnostischen Kriterien für MS gründlich zu prüfen.

Gute Chancen für Patienten mit ausgeprägter entzündlicher Aktivität

Professor Henry McFarland von den National Institutes of Health in Bethesda, USA, eröffnete neue Blickwinkel auf zwei große plazebokontrollierte Studien mit Betaferon bei sekundär-progredienter MS (SPMS). Er betrachtete die durchgehend positiven Ergebnisse der europäischen SPMS-Studie und nutzte, ausgehend von der Hypothese, dass in die amerikanische Studie Patienten mit weniger aktivem Krankheitsverlauf einbezogen worden waren, die gewaltige Datenbasis von 1650 Patienten aus den beiden SPMS-Studien für weitere Analysen. Verglichen wurden Untergruppen von Patienten mit verschieden ausgeprägter Krankheitsaktivität hinsichtlich ihres Behandlungserfolgs.

Professor McFarlands Team fand heraus, dass Patienten, die in den zwei Jahren vor Beginn der Studie eine stärkere Krankheitsaktivität gezeigt hatten – erkennbar durch MS-Schübe oder deutliche Verschlechterung des Behinderungsgrads auf der Expanded Disability Status Scale (EDSS) – die besten Chancen hatten, von der Behandlung mit Betaferon zu profitieren. Diese Befunde bestätigen die Hypothese, dass Patienten mit "aktiverer" Erkrankung, mit einer ausgeprägt entzündlichen Komponente, besser auf die Behandlung mit dem Immunmodulator Betaferon reagieren. Schering hat diese zusätzlichen Analysen der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA zur Begutachtung eingereicht.

Weiterentwicklung der MS-Therapie

Schering hat derzeit drei oral anzuwendende Medikamente für die MS-Behandlung in der klinischen Prüfung. Die drei Substanzen – CCR 1-Antagonist, PDE IV-Inhibitor (Mesopram) und Cytokin-Antagonist – greifen an verschiedenen, aber teilweise überlappenden immunologischen Vogängen an, die bei der Pathophysiologie der MS eine Rolle spielen.

Der CCR 1-Antagonist befindet sich derzeit in der Phase I der klinischen Entwicklung, der PDE IV-Inhibitor (Mesopram) und der Cytokin-Antagonist sind bereits in der Phase II angekommen.

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