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Rechtliche Schieflage bei den Filialapothekern

Filialapothekenleiter sollen "ihre" Apotheke nach den apothekenrechtlichen Vorschriften führen, die auch für "normale" Apothekenleiter gelten. Dazu gehört die persönliche Leitung, die eine Anwesenheit in der Apotheke voraussetzt. Legt man jedoch die wöchentlichen Arbeitszeiten und den Urlaubsanspruch eines nicht leitenden Angestellten zugrunde, ergeben sich hier offensichtliche Diskrepanzen. Dazu ein Interview mit Monika Paul, Amtsapothekerin der Stadt Köln und Fachapothekerin für das öffentliche Gesundheitswesen.

 

ADEXA:

Frau Paul, was sagen die rechtlichen Grundlagen über die Pflichten des Filialapothekers?

Paul:

Es ist wohl von allen unbestritten, dass nach den Vorschriften des Apothekengesetzes der Betriebserlaubnisinhaber auch für die Filialapotheke die Verantwortung eines ordnungsgemäßen Apothekenbetriebes hat. Er muss also auch für die erforderlichen personellen Ressourcen sorgen. Dies bedeutet zunächst, dass er einen Filialapothekenleiter anstellen muss. Dieser hat nun neben ihm selbst die gleichen apothekenrechtlichen Pflichten zu tragen: die Übernahme der Apothekenleitung unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit und der persönlichen Anwesenheit während der Betriebszeiten der Filialapotheke.

ADEXA:

Und wo liegt dabei das Problem?

Paul:

Die Schere geht auf, wenn die Betriebszeiten der Filialapotheke deutlich länger sind als die wöchentliche Arbeitszeit des Filialapothekers. Hier ein Rechenbeispiel: Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 8:00 bis 19:00 und Samstag von 8:00 bis 13:00. Das macht 60 Stunden; die Differenz zum üblichen Vollzeit-Arbeitsvertrag mit 39,5 Stunden beträgt 20,5 Stunden. Im Jahr sind das insgesamt 1066 Arbeitstunden (entsprechend 138 Arbeitstage oder 23 Arbeitswochen oder 5 Arbeitsmonate). Selbst wenn die Filialapotheke eine zweistündige Mittagspause hätte, bliebe immer noch eine Differenz von 10,5 Stunden pro Woche, die sich in einem Jahr auf 576 Arbeitstunden (entspr. 74,8 Arbeitstage oder 12,4 Arbeitswochen oder 2,75 Arbeitsmonate) summieren. Urlaub ist in beiden Beispielen noch gar nicht berücksichtigt. Dieser schlägt mit 36 Arbeitstagen bzw. ca. 1,5 Arbeitsmonaten zu Buche.

Daraus ergibt sich nach meiner Ansicht eine gesetzliche Schieflage: Dem Filialapothekenleiter sind die gleichen Pflichten auferlegt wie dem üblichen Apothekenleiter, d.h., er muss die Apotheke persönlich leiten. Wenn er dieser Pflicht nicht nachkommen kann, darf er sich nach § 2 Abs. 5 ApBetrO vertreten lassen. Die zulässige Vertretungszeit beträgt aber insgesamt nur drei Monate. Der Filialapotheker dürfte also im ersten Beispiel gar keinen Urlaub machen und stünde trotzdem außerhalb der apothekenrechtlichen Vorschriften. Im zweiten Fall verbliebe ihm eine Woche Urlaub.

ADEXA:

Welche Lösung kann es nach Ihrer Meinung geben?

Paul:

Ich plädiere für einen Filialapotheker, der als leitender Angestellter seine Wochenarbeitszeit nach Erfordernis ohne jegliche arbeitsrechtliche Einschränkungen gestalten kann. Dies müsste natürlich angemessen honoriert werden.

Vor diesem Hintergrund ist es für mich völlig unverständlich, dass die Apothekerkammern sogar die Leitung einer Filialapotheke mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit tolerieren (wollen).

Als alternative Lösung böte sich die Reduzierung der Betriebszeiten der Filialapotheken an. Dies stößt natürlich auf den erbitterten Widerstand der Apothekenleiter. Insoweit ist die Forderung nach zusätzlichem approbiertem Personal für die Filialapotheken das vergleichsweise mildere Mittel. Dass ein entsprechender Antrag auf dem Apothekertag in Köln abgelehnt wurde, halte ich für ein völlig falsches Signal.

ADEXA:

Welche Aufgabe haben hier die Kammern und Aufsichtsbehörden?

Paul:

Die Behörden haben den Auftrag, einen ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb durchzusetzen, und zwar gleich zu Betriebsbeginn einer Filialapotheke. Zwar lässt sich der entsprechende Personalstand nicht mit der Betriebserlaubniserteilung fordern, denn da geht es nur um Räume und persönliche Voraussetzungen. Er kann aber unmittelbar nach der Inbetriebnahme durchgesetzt werden, wenn sich ein entsprechendes Missverhältnis zeigt. Behörden, die in solchen Fällen nicht reagieren, machen ihre Aufgabe nicht.

Offensichtlich besteht weithin kein entsprechendes Problembewusstsein, wie die Ablehnung des Antrags von Forum Leipzig und ADEXA auf dem Apothekertag zeigt.

ADEXA:

Was kann getan werden, um die schwierige Situation für die betroffenen Filialleiter zu entspannen?

Paul:

Auf der einen Seite müssen diejenigen, die als Filialapotheker arbeiten oder arbeiten wollen, immer wieder über die Rechtslage informiert werden. Es ist wichtig, sie in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, damit sie ihre Rechte auch einfordern.

Auf der anderen Seite sollten ihre Interessenvertreter den Dialog mit den Behörden und Kammern suchen, um eine eindeutige Regelung zu erreichen. Wenn es zur Regel wird, dass Filialapothekenleiter nicht als leitende Angestellte tätig sind und damit nicht die Funktion eines "echten" Apothekenleiters haben, würde letztlich eine Gesetzesänderung nötig. Das wäre aber die schlechtere Lösung, denn damit würde das Fremdbesitzverbot ausgehöhlt.

ADEXA:

Frau Paul, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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