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Ernährungsbericht: Deutsche essen zu viel, zu süß und zu fett

BERLIN (ks). Im Verhältnis zu ihren körperlichen Aktivitäten essen die Deutschen nach wie vor zu energiereich. Zwar steht Obst und Gemüse mittlerweile häufiger auf dem Speiseplan – die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Mengen werden jedoch nicht erreicht. Dies ist eine der Botschaften des "Ernährungsbericht 2004", den die DGE im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft erarbeitet hat. Neben der Ernährungssituation behandelt der Bericht auf seinen 480 Seiten unter anderem toxikologische und mikrobiologische Aspekte der Ernährung.
VERBRAUCHERSCHÜTZERIN Renate Künast macht sich Gedanken über die Auswirkungen von Functional Food und Nahrungsergänzungsmitteln.

"Der Ernährungsbericht belegt erneut, dass unser Ernährungsverhalten und unser Lebensstil nicht zusammen passen" erklärte Verbraucherschutzministerin Renate Künast anlässlich der Übergabe des Berichts am 9. Dezember in Berlin. Um die Balance zwischen Ernährung und Bewegung wieder herzustellen, brauche es viele gesellschaftliche Initiativen und Aktivitäten. Der letzte Ernährungsbericht 2000 habe bereits die wissenschaftliche Grundlage für die von der Regierung eingeleiteten Kampagnen gebildet. Dazu zählen etwa die Aktionen "5 am Tag" oder "Kinder Leicht".

Die Ministerin will mit diesen Aktivitäten nicht zuletzt den ernährungsmitbedingten Erkrankungen entgegentreten – hierzu zählen insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bösartige Tumore. Über zwei Drittel der Todesfälle in Deutschland sind auf diese Krankheiten zurückzuführen. Künast warnte: "Was da an chronischen Krankheiten auf uns zu kommt, kann mit keiner Gesundheitsreform finanziert werden".

Es ist noch viel zu tun

Der neue Bericht, so die Ministerin, biete eine Reihe von Ansatzpunkten für weitere Aktionen. So reiche es etwa nicht, wenn festgestellt wird, dass zwei Drittel des einheimischen Gemüses keine bestimmbaren Rückstände aufweisen – beim einheimischen Obst ist es gar nur bei etwas mehr als ein Drittel, das als rückstandsfrei gelten kann. Noch höher sind die Belastungen bei ausländischer Frischkost. Betroffen sind vor allem Paprika und Weintrauben. Künast betonte, dass hier weitere Reduktionsprogramme nötig sind – auch innerhalb der Europäischen Union.

Als positives Studienergebnis stellte die Ministerin heraus, dass die Belastung von Frauenmilch sehr stark zurückgegangen ist. Sie stelle keinesfalls ein Stillhindernis dar. "Aufhorchen" lässt Künast das Kapitel über die Anreicherung von Lebensmitteln und neue Produktkonzeptionen wie Nahrungsergänzungsmittel und Functional Food. Hier müsse man sich die Frage stellen, was der Körper macht, wenn er über das Angebot der Natur hinaus an Vitaminen, Mineralstoffen u. ä. versorgt wird. Und vor allem: "Wie wirkt all das mit Medikamenten zusammen?" Die Ministerin ist sicher: "Ein großes Feld tut sich auf".

Trotz angereicherter Lebensmittel keine optimale Nährstoffzufuhr

DGE-Präsident Prof. Helmut Erbersdobler gab einen Überblick über die Schwerpunkte des Ernährungsberichts, der in diesem Jahr in seiner zehnten Ausgabe erschienen ist. Ein "beruhigendes Kapitel" sei etwa der Abschnitt über den Vitamin- und Mineralstoffgehalt pflanzlicher Lebensmittel. Vielfach propagieren insbesondere Hersteller angereicherter Lebensmittel unsere Nahrungsmittel seien "verarmt". Diese Behauptung wiederlegt der Bericht. Zwar sei durch vermehrte Be- und Verarbeitung eine Verdünnung möglich, erläuterte Erbesdobler. Doch unser Obst und Gemüse hat in den letzten Jahren weder Vitamine noch Mineralstoffe eingebüßt.

Auch der DGE-Präsident äußerte sich kritisch darüber, dass es mittlerweile schon Standard geworden ist, Lebensmittel mit Vitaminen und Mineralstoffen anzureichern: "Vieles ist unnötig, meist aber nur für den Geldbeutel schädlich". Während der Ernährungsbericht die Vitaminzufuhr allgemein als zufriedenstellend bewertet (Ausnahme: Vitamin D, insbesondere in der Wachstumsphase), sind aller Zusätze zum Trotz weiterhin Versorgungsdefizite festzustellen: So nehmen vor allem Jugendliche nicht ausreichend Calcium, Eisen oder Jod zu sich.

Auch die Zufuhr von Folsäure bei Personen unter 25 Jahren gilt als unzureichend. Allerdings weist der Ernährungsbericht auch darauf hin, dass weitere Daten nötig sind, um zuverlässige Erkenntnisse zu gewinnen. Diese sollen eine derzeit im Auftrag des Verbraucherministeriums durchgeführte Verzehrstudie sowie der Kinder- und Jugend-Survey des Robert Koch-Instituts liefern.

Mit Obst und Gemüse das Krebsrisiko senken

Weiterhin befasst sich die Studie mit hemmenden und fördernden Ernährungsfaktoren für die Tumorbildung. Ein täglicher Obst- und Gemüseverzehr von 650 Gramm, wie ihn die DGE empfiehlt, könne das Krebsrisiko von Männern um 30 Prozent, bei Frauen um 20 Prozent verringern, heißt es im Bericht. Derzeit liegt der durchschnittliche Verzehr bei lediglich 150 Gramm pro Tag. Weitere Themen des Ernährungsberichts sind die Beeinflussung der Darmflora durch Pro- und Prebiotika sowie der Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit. Der Darstellung und Wirkung der Ernährung im Fernsehen ist ebenfalls ein Kapitel gewidmet. Die DGE empfiehlt, dieses Medium stärker zur Aufklärung zu nutzen.

 

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