DAZ aktuell

Gesundheitsreform 2003: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt stellt sich gegen AGS

MÜNCHEN (hvj). Auf der Veranstaltung der Bayerischen AGS (Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD) am 29. April 2003 in München widersprach Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in wichtigen Punkten deren Positionspapier (siehe DAZ Nr. 18, Seite 26). Während die AGS sich für die bewährte Arzneimittelversorgung über die 21 000 öffentlichen Apotheken ausspricht, fordert die Gesundheitsministerin neben einem Abbau der "aus dem letzten Jahrhundert stammenden Privilegien für Apotheker" weiterhin die Liberalisierung der Arzneimittelversorgung (u. a. Versandhandel). Ihrer Meinung nach können so nach wie vor erhebliche Kosten bei den gesetzlichen Krankenkassen eingespart werden. Indirekte Unterstützung erhielt in diesem Zusammenhang die Gesundheitsministerin von dem Vorsitzenden der Bayerischen AOK, Dr. Helmut Platzer, der nach wie vor die Meinung vertrat, dass "der Naturschutzpark der wettbewerbsfreien Zonen für Leistungsanbieter im Gesundheitswesen" geschlossen werden müsse, da sonst die gesetzlichen Krankenkassen in Zukunft ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten.

In ihrem Eröffnungsreferat mahnte Gesundheitsministerin Schmidt an, dass das deutsche Gesundheitssystem reformiert werden müsse. Insbesondere bemängelte sie, dass zum jetzigen Zeitpunkt zu wenig Vorbeugung bei den Patienten, zu wenig Abstimmung unter den Leistungsanbietern und zu viele Ausgaben für Leistungen mit geringem Nutzen – unter anderem auch Arzneimittel – vorhanden seien. Zwar räumte Ulla Schmidt auch ein, dass die gesetzlichen Krankenkassen zur Zeit ein Einnahmeproblem hätten, doch müssten jetzt auch Einschnitte und Maßnahmen bei den Ausgaben getroffen werden.

Einsparpotenzial noch nicht ausgeschöpft

Ulla Schmidt betonte erneut, dass nach wie vor das Einsparpotenzial im Arzneimittelbereich noch nicht ausgeschöpft ist. Deutschland habe die dritthöchsten Arzneimittel/Kopf Ausgaben der Welt und es würde u. a. nach wie vor viel zu viel Geld für Arzneimittel mit geringem Nutzen ausgegeben.

Auch zeigte sich die Ministerin entschlossen das Vertragsmonopol der kassenärztlichen Vereinigung zu brechen und durchzusetzen, dass Einzelverträge zwischen Leistungsanbietern und Krankenkassen geschlossen werden können. Ob solche Einzelverträge für die Arzneimittelversorgung vorgesehen sind, war von Gesundheitsministerin Schmidt nicht zu erfahren.

Konkret sieht Ulla Schmidt in drei Bereichen Einsparpotenziale: 1. Strukturen verbessern: Laut Gesundheitsministerin Schmidt können bis zu 25 % der jetzigen Verwaltungskosten eingespart werden, insbesondere wenn Leistungen besser auf einander abgestimmt und Einzelverträge geschlossen werden können. "Man kann hier durch mehr Wettbewerb mehr Qualität bei der Versorgung der Bevölkerung erreichen", so Gesundheitsministerin Schmidt, "und die Patienten müssten sich besser informieren können. Genauso wie man sich seinen Pkw nach dem jeweiligen Verbrauch aussuchen kann, müsste man auch innerhalb des Gesundheitssystems sich den passenden Leistungsanbieter raussuchen können", so Ulla Schmidt weiter.

2. Kostenbewusstsein schaffen: Des Weiteren möchte das Gesundheitsministerium mit der Gesundheitsreform 2003 Anreize schaffen, die Kosten- und Gesundheitsbewusstsein fördern. So sollen die Patienten bei der Zuzahlung von Medikamenten entlastet werden, wenn sich dieser "gesundheitsbewusst" verhält und eine mögliche Praxisgebühr solle dann entfallen, wenn zuerst der Hausarzt besucht wird.

"Ich möchte, dass in Zukunft die hausärztliche Versorgung gestärkt wird", so Ulla Schmidt. Weiterhin soll auch die Zuzahlung für Großpackungen bei Medikamenten erheblich verteuert werden. "Es kann doch nicht sein, dass bei den Patienten die Meinung vorherrscht, da nehme ich doch mal lieber die Großpackung, die ist für mich ja nur ein Euro teurer und die Hälfte dieser Packung verfällt dann daheim im Medikamentenschrank", so die Gesundheitsministerin.

Auch möchte Sie in diesem Zusammenhang die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung öffnen und hier eine engere Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung erreichen.

3. Arzneimittelversorgung liberalisieren: "Wir müssen endlich an dieses Strukturproblem herangehen", so die Gesundheitsministerin, "da zu viel Geld für die Arzneimittelversorgung ausgegeben wird, muss hier eine Kosten-/Nutzen-Bewertung für Arzneimittel eingeführt werden". Konkret strebt Gesundheitsministerin Schmidt folgende Reformen im Arzneimittelsektor an:

  • Liberalisierung bei der Arzneimittelversorgung.
  • Ein Honorarmodell, was eventuell mit einer Fixpreiskomponente kombiniert wird.
  • Leistungen bei der Arzneimittelversorgung müssten herausgenommen werden, was bedeutet, dass bestimmte Arzneimittelgruppen von der Kasse nicht mehr bezahlt werden würden.

Ulla Schmidt versprach zwar, dass sie zum Ziel habe, niemanden von medizinischen Innovationen auszuschließen, doch räumte sie selbst ein "man muss jetzt erst mal gucken, was finanziert werden kann".

Unbedingt Versandhandel

Gerade beim wichtigen Thema Arzneimittel distanzierte sich Ulla Schmidt klar von den Positionen der AGS. Während diese nach Abwägung aller Argumente den alleinigen Vertriebsweg über die 21 000 öffentlichen Apotheker und keine Freigabe der OTC-Preise fordert, möchte Ulla Schmidt parallel zur wohnortnahen Versorgung über die öffentlichen Apotheken unbedingt den Versandhandel einführen.

Auf konkrete Nachfragen, warum die "gut verdienende Pharmaindustrie" nicht stärker in die Gesundheitsreform eingebunden werde, erwiderte die Gesundheitsministerin, dass diese genau wie jetzt beim Vorschaltgesetz ausreichend belastet werde. Da sich aber die Herstellerabgabepreise über den Weg Großhandel-Apotheker bis zur Abgabe der Medikamente ja doch verdoppeln (!) würden, könne weiterhin auch noch bei der Distribution gespart werden.

Natürlich sei es auch der Ministerin ein "Dorn im Auge", dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern höhere Herstellerabgabepreise habe, doch kann hier nach ihrer Meinung nur über eine Liberalisierung – sprich über Importe bzw. Versandhandel günstiger Arzneimittel aus dem Ausland – eine Veränderung erreicht werden. Auch seien die Generikapreise in Deutschland – im Vergleich zu den Originalpräparaten – wesentlich höher (40 %) als im Ausland (15 %).

Mehr tun für die Prävention

Der ebenfalls anwesende Vorsitzende der Bayerischen AOK, Dr. Helmut Platzer, fordert eine Freigabe der OTC-Preise. Im Gegensatz zur AGS sieht er in einem Preiswettbewerb ein hohes Einsparpozential und seiner Meinung nach sollten OTC-Präparate gar nicht mehr von den Krankenkassen gezahlt werden müssen.

Bei allen Referenten und Anwesenden herrschte Übereinstimmung, dass die vierte Säule der Gesundheitsreform – nämlich die Prävention – mehr gefördert werden müsse. Um die Volksgesundheit weiter zu sichern, müsse hier noch viel getan werden. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt versprach diesen Bereich in Zukunft besonders zu fördern.

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