Arzneimittel und Therapie

Individualisierte Insulintherapie beim Typ-2-Diabetes: Wenn schon spritzen, dann

Welche Form von Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes die beste ist, richtet sich nach der individuellen Stoffwechsellage des Patienten, seinen Begleiterkrankungen, seinem Lebensstil, aber auch seiner persönlicher Motivation und Schulung.

Die Stoffwechsellage

Der Typ-2-Diabetes ist gekennzeichnet durch einen unzureichenden Insulinausstoß zu den Mahlzeiten (Mangel an prandialem Insulin) bei erhaltener basaler Insulinsekretion. Die physiologische Therapie besteht also in erster Linie aus der Substitution des Mahlzeiten-Insulins. Lässt sich der Nüchternblutzucker mit einer rein mahlzeitenbezogenen Therapie nicht auf 110 mg/dl senken, ist zusätzlich Verzögerungsinsulin für die Nacht notwendig.

Der Lebensstil

  • Wer Nahrungsmenge und Essenszeitpunkte flexibel gestalten will, gewinnt am meisten Freiräume mit der prandialen (supplementären) Insulintherapie (SIT).
  • Bei eher starrer Lebensweise kann auch die einfache Zwei-Spritzen-Therapie mit Mischinsulin erfolgreich sein. "Bedtime"-Therapien mit und ohne orale Antidiabetika sind einfach durchzuführen, erreichen aber heutige Zielwerte (HbA1c < 6,5%) nicht.
  • Sportliche Betätigung wird durch Meiden von Langzeitinsulinen bzw. Übergang zu kurz wirksamen Insulinanaloga erleichtert, bei gleichzeitiger Minimierung des Hypoglykämierisikos. Auch bei Patienten mit hirnorganischen Einschränkungen minimieren Injektionen zu oder nach der Mahlzeit das Hypoglykämierisiko.

Die Begleiterkrankungen

Frühe diabetesbedingte Folgeschäden (Rethinopathie, Neuropathie etc.) sollten zu einer besonders strikten Stoffwechseleinstellung führen, die vorzugsweise mittels prandialer (supplementärer) Therapie zu erreichen ist. Bei eingeschränkter Nierenfunktion mit verminderter Insulinclearance und verlängerter Insulinwirkung empfiehlt sich ein möglichst geringer Anteil von Verzögerungsinsulin. An akute Begleiterkrankungen sowie insulinantagonistische Zusatzmedikationen (z. B. Steroide) lassen sich am besten intensivierte Therapieformen anpassen.

Die eigene Entscheidung der Betroffenen

Im persönlichen Gespräch mit dem Arzt ist eine Entscheidung zu fällen, die nicht allein die medizinischen Gegebenheiten berücksichtigt, sondern auch die persönliche Motivation, Befähigung/Schulung und Einstellung der Betroffenen zur (mehr oder weniger anspruchsvollen) Insulintherapie.

Welche Formen der Insulintherapie stehen

zur Wahl?

  • Prandiale (supplementäre) Insulintherapie: Eine prandiale Insulinsubstitution erfolgt vorzugsweise mit kurzwirksamen Analoga zu den Mahlzeiten. Zusätzlich NPH-Insulin zur Nacht, falls der Nüchternblutzucker 110 mg/dl überschreitet, tagsüber weder Verzögerungs- noch Langzeitinsulin.
  • Frühe Insulintherapie in Minidosierung: Insulintherapie von Diabetesmanifestation an, als rein prandiale Therapie in Minidosierungen. Diese Therapie ist für geschulte, motivierte und jüngere Patienten geeignet.
  • Reine Bedtime-NPH-Therapie: Einfache Durchführung und Anpassung, aber aktuelle Korrekturen nicht möglich. Keine optimale Stoffwechseleinstellung, ein HbA1c unter 7 ist nicht möglich.
  • Kombinationstherapien: – Kombination Bedtime-NPH mit Metformin oder Gliniden sinnvoll, nicht jedoch mit langwirkenden Sulfonylharnstoffen (z. B. Glibenclamid). Auch in der Kombination lässt die Wirkung der oralen Antidiabetika auf Dauer nach. - Metformin generell als Anorektikum (appetithemmendes Mittel) bei Insulintherapien sinnvoll, wenn vor Beginn der Insulintherapie bereits Übergewicht oder eine erhebliche Glucosurie (Zucker im Harn) besteht.
  • Zwei-Spritzen-Therapie mit Mischinsulin: Keine optimale Blutzuckereinstellung, aber einfache Durchführung. Eine aktuelle Anpassung des Insulinbedarfs an die Gegebenheiten ist nicht möglich. Das Mittagessen wird durch Langzeitinsulin abgedeckt, eine regelmäßige Nahrungsaufnahmen ist aber unabdingbar, um eine Unterzuckerung zu vermeiden. Der Verzögerungsinsulinanteil tagsüber begrenzt die Menge des Normalinsulins, das für die Kompensation der postprandialen Blutzuckerspitzen nötig ist.
  • Passagere Insulintherapie: Bei unbefriedigender Blutzuckereinstellung und der Zunahme der Insulinresistenz mit Abnahme der Insulinsekretion. Nach einigen Wochen Insulintherapie wird die Entscheidung getroffen, ob eine Rückkehr zu oralen Antidiabetika möglich ist.

Kasten NPH-Insulin (Neutral Protamin Hagedorn-Insulin)

Durch Verbindung von Insulin mit Protamin entstehen die so genannten NPH-Insuline, benannt nach ihrem dänischen Erfinder Hans Christian Hagedorn, mit einer verzögerten und verlängerten Wirkung. Sie sind die Standardinsuline zur Abdeckung des nahrungsunabhängigen Grundbedarfs an Insulin. Der Wirkeintritt von NPH-Insulinen beginnt etwa 2 Stunden nach der Injektion. Die maximale Wirkung wird nach ca. 4 bis 6 Stunden erreicht und die Wirkdauer beträgt 8 bis 12 Stunden.

NPH-Insuline sind auch zum Mischen mit Normal(Alt-)insulinen oder mit schnellwirksamen Insulinanaloga (Mischinsuline) geeignet. NPH-Insulin ist eine trübe Flüssigkeit, bei der sich nach längerer Liegezeit die Insulin-Eiweißverbindung am Boden des Insulinbehälters niederschlägt. Es muss daher vor Gebrauch vorsichtig hin und her bewegt (nicht geschüttelt) werden, um wieder eine gleichmäßig trübe Flüssigkeit zu erhalten.

Quelle

Priv.-Doz. H. J. Lüddeke, München, Symposion "Aktuelle Diabetologie: Tipps für Klinik und Praxis", Wiesbaden, 7. April 2002, veranstaltet von NovoNordisk Pharma GmbH, Mainz, auf dem 108. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.

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