Pharmazeutische Betreuung

P. JungmayrOnkologische Pharmazie – Sicherer U

Die Handhabung von Zytostatika erfordert in zweierlei Hinsicht besondere Aufmerksamkeit: Zum einen sind die meisten Zytostatika toxische Substanzen, von denen für den Zubereitenden ein Gefährdungspotenzial ausgeht. Zum andern gelangen Zytostatika zur parenteralen Anwendung, müssen also steril sein, was wiederum eine aseptische Arbeitstechnik voraussetzt. Um einen sicheren Umgang mit Zytostatika zu gewährleisten, werden an die Räumlichkeiten, die Sicherheitswerkbänke und das herstellende Personal hohe Anforderungen gestellt, die in zahlreichen Gesetzen, Vorschriften und Leitlinien festgehalten sind.

Gesetzliche Grundlagen und Leitlinien

Im Zusammenhang mit der Herstellung von Zytostatika und anderen CMR-Substanzen (cmr = karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch) kommen eine Vielzahl an Gesetzen, Vorschriften, Verordnungen und Richtlinien zum Tragen. Die wichtigsten sind:

  • TRSG 525 – Technische Regeln für Gefahrstoffe. Sie geben den derzeitigen Stand der Sicherheitstechnik wieder und zeigen die erforderlichen Schutzmaßnahmen auf. Das Merkblatt M 620 "Sichere Handhabung von Zytostatika" der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (2000) gibt im Wesentlichen Teile von TRSG 525 wieder und enthält praktische Hinweise zur Umsetzung der TRGS 525.
  • BRZ – Bundesrichtlinie zur Zytostatikaherstellung; auch als "Zytostatika-Richtlinie der Länder" oder als "Richtlinie zur Herstellung applikationsfertiger Zytostatikalösungen in Apotheken" bezeichnet; sie wurde als einheitliche Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) erarbeitet. In ihr werden die arbeitsschutz- und apothekenrechtlichen Bestimmun-gen für die Planung von Zytostatikalaboren, für die Herstellung von Zubereitungen und die Wartung der Anlagen zusammengestellt. Darüber hinaus befasst sie sich u.a. mit der Pflicht zur Plausibilitätskontrolle.
  • BAK(Bundesapothekerkammer)-Leitlinie zur Qualitätssicherung. Aseptische Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia mit toxischem Potenzial (2001). Mit dieser Leitlinie soll die Qualitätssicherung gewährleistet werden; sie besitzt keinen Gesetzescharakter.
  • QuapoS – Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service. Die QuapoS sind ebenfalls Leitlinien zur pharmazeutisch-onkologischen Qualitätssicherung und besitzen keinen Gesetzescharakter.

Räumlichkeiten mit hohem Standard

Die Herstellung der Zytostatika erfolgt in einem abgetrennten, deutlich gekennzeichneten Reinraum, der nur für befugte Mitarbeiter zugänglich ist. Das Zytostatikalabor sollte nach Möglichkeit durch eine Schleuse betreten werden, in der die entsprechenden Arbeitskleider aufbewahrt werden können. Ferner sollte ein weiterer Raum zur Vorbereitung und Dokumentation zur Verfügung stehen. Während der Zubereitung von CMR-Arzneimitteln dürfen die Türen zum Herstellungsraum nicht geöffnet werden; aus diesem Grund sollte ein Sichtkontakt (durch Fensterscheiben) bzw. eine Kommunikationsmöglichkeit über eine Gegensprechanlage gewährleistet sein.

In TRSG 525, in BRZ, BAK-Leitlinie und QuapoS finden sich weitere, teilweise sehr detaillierte Angaben zur Raumbeschaffenheit und Ausstattung des Sterillabors. Des Weiteren werden Vorgaben zur Reinheitsklasse der Räume aufgeführt. Welchen Anforderungen die Raumluftqualität zu entsprechen hat, wird unterschiedlich diskutiert; die strengsten Bedingungen stellt der EU-GMP-Leitfaden; die USP 1206 und die BAK-Leitlinie sind im Hinblick auf die Luftreinheit im Herstellungsraum etwas moderater. In der Werkbank muss auf jeden Fall die Luftqualität der Klasse A (weniger als 1 lebensfähiger Mikroorganismus/m³) herrschen.

Sicherheitswerkbank

Die Zubereitung der Zytostatika erfolgt ausschließlich in der Sicherheitswerkbank. Diese muss einer bestimmten Norm (DIN 12980 Typ H oder einem Modell gleichwertiger Sicherheit) entsprechen. Vor der ersten Inbetriebnahme, dann mindestens einmal jährlich, nach räumlichen Veränderungen und nach jedem Filterwechsel muss die Funktionsfähigkeit der Werkbank durch einen Sachverständigen überprüft werden. Sicherheitswerkbänke sollten vorzugsweise kontinuierlich in Betrieb sein. Ist dies nicht der Fall, muss eine ausreichende Vorlaufzeit gewährleistet sein, um die erforderlichen Reinheitsbedingungen zu erreichen. Reinigung und Desinfektion der Werkbank sollten nach einem schriftlich festgelegten Plan durchgeführt werden.

Kontrollierte Herstellung

Die Herstellung beginnt bereits bei der Plausibilitätskontrolle der vorliegenden Verschreibung. Dann folgt die Anfertigung des verordneten Zytostatikums nach einer schriftlich vorliegenden Herstellungsanweisung, anschließend wird die Zubereitung gekennzeichnet (etikettiert) und das Endprodukt nochmals kontrolliert. Diese Vorgänge werden dokumentiert.

Hinweise zur Herstellung und Dokumentation finden sich in der BRZ und der BAK-Leitlinie, wobei sich letztere besonders umfangreich mit der aseptischen Herstellung und der Dokumentation befasst. In wieweit vor allem die umfassende Dokumentation im Alltag umsetzbar und erforderlich ist, wird teilweise kontrovers diskutiert.

Kontrolle von Zytostatikaanforderungen

Über die Häufigkeit von Verordnungsirrtümern gibt es relativ wenig Untersuchungen. Aufsehen erregte 1994 der Betsy-Lehmann-Fall, bei dem Cyclophosphamid aufgrund eines Verordnungsfehlers zu hoch dosiert wurde (gemeint waren 1 g/m² Cyclophosphamid über 4 Tage, verabreicht wurden 4 Tage lang 4 g/m²), was letztendlich den Tod der Patientin verursachte. Um solchen Fehlern vorzubeugen, muss vor der Herstellung eines Zytostatikums eine Plausibilitätskontrolle durch den Apotheker erfolgen, der somit auch eine therapeutische Mitverantwortung trägt.

Bei der Plausibilitätsprüfung sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Name und Vorname des Patienten
  • Geschlecht und Geburtsdatum
  • Gewicht, Größe, Körperoberfläche
  • verordnete Wirkstoffe mit ausgeschriebenen Namen; keine Abkürzungen verwenden (z.B. kann die Abkürzung "Mito" für Mitomycin oder Mitoxantron stehen)
  • Therapieschema (Standardprotokoll, Studienprotokoll, palliative oder experimentelle Protokolle)
  • evtl. Dosismodifikation
  • Diagnose
  • Basisdosierung und Totaldosis
  • Applikationsart
  • Trägerlösung
  • Therapiebeginn, Behandlungszeitraum.

Beachten physikalisch-chemischer Parameter

Eine weitere Prüfung befasst sich mit der Stabilität und Kompatibilität der verordneten Zytostatika. Wichtig ist hier vor allem die chemisch-physikalische Haltbarkeit des Wirkstoffes, die wiederum von der Konzentration, dem Lösungsmittel, der Temperatur und dem pH-Wert abhängt.

Einige Zytostatika (z.B. Dacarbacin) sind extrem lichtempfindlich und müssen auch bei der Zubereitung vor Licht geschützt werden. Ein weiterer zu berücksichtigender Parameter ist die mikrobielle Stabilität. Da Zytostatika in der Regel parenteral verabreicht werden, sollten sie auch bei streng aseptischer Herstellungsweise möglichst rasch verbraucht werden. Des Weiteren muss die Kompatibilität zwischen Wirkstoff und Trägerlösung beziehungsweise mit dem Behältnismaterial überprüft werden, so darf z.B. Paclitaxel nur in PVC-freie Behältnisse gefüllt werden.

Stets schriftliche Anforderung

Bei der Überprüfung dieser Punkte dürften die meisten Verordnungsirrtümer detektiert werden. Treten unübliche Schemata oder Abweichungen auf, müssen diese vom verordnenden Arzt bestätigt werden. Zytostatikaanforderungen müssen immer schriftlich vorliegen. Von Vorteil sind hier die Verwendung standardisierter Vordrucke und Kenntnisse über spezielle hauseigene Therapieschemata, die oftmals im Rahmen klinischer Studien ausgearbeitet werden. Zusätzliche Sicherheit gewinnt man in der täglichen Routine und bei entsprechender Erfahrung; Rotationen bei der Zytostatikaherstellung erscheinen unter diesen Aspekten nicht sinnvoll.

Technik des aseptischen Arbeitens

Beim Arbeiten unter aseptischen Bedingungen müssen unsterile Gegenstände in einen sterilen Bereich, nämlich in die Zytostatikawerkbank, gebracht werden. Die Verpackungen der sterilen Einmalartikel werden außerhalb der Werkbank aufgerissen und die Einmalartikel in das Innere der Werkbank geworfen.

Problematischer ist das Vorgehen bei den Zytostatikabehältnissen: Bei einer Sprühdesinfektion außerhalb der Werkbank kann der Raum mit genotoxischen Substanzen kontaminiert werden, da die Behältnisse der Zytostatika häufig eine Außenkontamination aufweisen. Daher wird empfohlen, die Medikamentenfläschchen unsteril in die Werkbank einzubringen und dort wiederholt zu desinfizieren (Sprühdesinfektion). Eventuell anhaftende Substanz und Desinfektionsmittel werden von der saugkräftigen Unterlagen aufgefangen. Die sensiblen Bereiche (Anstichstellen) werden unmittelbar vor dem Anstechen nochmals desinfiziert.

Beim Arbeiten ist darauf zu achten, dass empfindliche Bereiche wie Anstichstellen, offene Spikes, Kanülen, Mischadapter etc. nicht berührt werden. Die benötigten Materialien sind ferner so anzuordnen, dass nicht über sie hinweg gegriffen werden muss. Beim Arbeiten in der Werkbank ist auf ruhige Bewegungen zu achten, um den laminaren Luftstrom nicht zu stören. Die Effektivität der Desinfektion wird mit Hilfe von Abklatschtests bestimmt; die Sterilität der hergestellten Produkte sollte ebenfalls stichprobenartig in regelmäßigen Abständen überprüft werden.

Hilfsmittel der Herstellung

Zytostatika werden patientenindividuell dosiert, d.h., die handelsüblichen Fertigarzneimittel können in der Regel nicht direkt appliziert, sondern müssen auf eine bestimmte Konzentration gebracht werden. Ausgangsstoffe sind entweder hochkonzentrierte Lösungen oder zu lösende Trockensubstanzen, die entsprechend verdünnt und in das Trägermedium (in der Regel eine 0,9%ige Kochsalz- oder eine 5%ige Glucoselösung) überführt werden müssen.

Für die Weiterverarbeitung des Fertigarzneimittels zu einer zytostatikahaltigen Infusions- oder Injektionslösung werden technische Hilfsmittel benötigt. Um einen bestimmten Sicherheitsstandard zu gewährleisten, müssen diese den Anforderungen des Medizinproduktegesetzes entsprechen. Zusätzlich müssen sie für die Herstellung von Zytostatika geeignet sein. Die Hilfsmittel sind meist sterile Einmalprodukte oder müssen vor der Anwendung desinfiziert werden. Für die Zytostatikazubereitung stehen folgende technische Hilfsmittel zur Verfügung:

Sterile Einmalartikel

  • Arbeitsunterlage. Verwendet wird eine 3-Schicht-Unterlage. Die obere, nicht fusselnde Schicht ist flüssigkeitsdurchlässig, die Mittelschicht saugfähig und die Unterschicht flüssigkeitsundurchlässig. Die vorderen Luftschlitze der Werkbank dürfen auf keinen Fall abgedeckt werden, um die Strömungsverhältnisse nicht zu beeinflussen. Nach Kontamination oder Abschluss der Arbeiten wird die Unterlage gewechselt.

  • Sterile Kompressen und Tupfer. Ihre Verwendung ist vorgeschrieben, um eine Tropfen- oder Aerosolbildung zu vermeiden. Man verwendet sie zum Öffnen der Ampullen, zum Entlüften der applikationsfertigen Spritze und beim Einstechen und Herausziehen der Kanüle aus einer Durchstechflasche.

  • Einmalspritzen. Verwendet werden Spritzen mit einem Luer-Lock-Anschluss, einem sicheren Kolbenstopp und einer guten Ablesbarkeit. Die Auswahl der Spritze richtet sich nach dem abzumessenden Volumen. Die gefüllten Spritzen werden mit einer sterilen Verschlusskappe (Combi-Stopper) verschlossen.

  • Kanülen. Die Kanülen sind so auszuwählen, dass sie einen möglichst großen Durchfluss gewährleisten, aber keine Ausstanzungen im Gummistopfen verursachen. Kanülen mit einem integrierten Partikelfilter (z.B. Sterifix Filternadel, Sterifix Filterhalm) werden bei Glasampullen oder partikelhaltigen Lösungen verwendet. Kanülenschutzkappen dürfen nicht wieder aufgesetzt werden, um Stichverletzungen zu vermeiden. Gebrauchte Kanü-len werden in einem Kanülenabwurfgefäß entsorgt.

  • Druckentlastungssysteme. Sie dienen zum Ausgleich von Druckdifferenzen, die beim Lösen einer Substanz entstehen können. Durch diese Druckdifferenzen können Aerosole entweichen. Um das zu verhindern, werden hydrophobe Filter (Spikes) verwendet, die sich hinsichtlich Material und Porengröße sowie Dicke und Länge des Dorns unterscheiden. Sie funktionieren folgendermaßen: Die einströmende Luft wird steril filtriert. Die entstehenden Aerosole werden nun durch einen hydrophoben Be- und Entlüftungsfilter zurückgehalten.

  • Geschlossene Systeme. Mit Hilfe eines geschlossenen Systems wird eine Trockensubstanz oder ein Lyophilisat unter Druckausgleich ohne Gefahr einer Aerosolfreisetzung gelöst. Das System besteht aus einer Durchstechflasche mit Zytostatikum, Adapter und einem Behältnis mit Lösungsmittel bzw. Infusionslösung. Zu den geschlossenen Systemen zählen z.B. Mischadapter (nur begrenzt einsetzbar zur Entnahme von Teilmengen), PhaSeal, Securmix, Transfernadeln, Überleitungskanülen.
Persönliche Schutzmaßnahmen Beim Arbeiten mit CMR-Arzneistoffen müssen persönliche Schutzmaßnahmen getroffen werden. So müssen bei allen Tätigkeiten, d.h. bei der Vorbereitung, Zubereitung und Entsorgung, flüssigkeitsdichte Einweghandschuhe, ein flüssigkeitsdichter Schutzkittel mit eng anliegendem Armbündchen und Einmalüberschuhe getragen werden; bei der gründlichen Reinigung der Werkbank sind zusätzlich eine Schutzbrille und ein Atemschutz erforderlich.

Die Handschuhe müssen besonderen Anforderungen entsprechen. Sie sind Einmalartikel mit langer Stulpe oder Rollrand aus Naturlatex, PVC oder Kunststoff. Sie müssen dicht, steril, proteinarm (Latexproteine können allergisierend wirken) und puderfrei (um die Partikelbelastung im Herstellungsbereich nicht zu erhöhen) sein, über eine gute Griffigkeit und Zugfestigkeit verfügen sowie eine bestimmte Materialstärke aufweisen. Empfohlen wird auch das Tragen von zwei Paar Handschuhen übereinander sowie von Indikatorhandschuhen; bereits bei Mikroverletzungen des Indikatorhandschuhs tritt eine deutliche Verfärbung auf, die auf die Notwendigkeit eines Handschuhwechsels hinweist. Ansonsten sind die Handschuhe alle zwanzig bis dreißig Minuten zu wechseln bzw. unmittelbar nach Zubereitungen von Carmustin, Mitoxantron und Thiotepa.

Was tun bei Bruch und Kontamination?

Auch bei sorgfältiger Handhabung können beim Transport oder bei der Herstellung Packungen beschädigt und Zytostatika frei gesetzt werden. Ist dies der Fall, sollte zuerst die kontaminierte Fläche markiert und abgegrenzt werden. Zur Beseitigung der Verschüttung müssen ein flüssigkeitsdichter, langärmliger Kittel, zwei Paar übereinandergezogene kräftige Einmalhandschuhe, Einmalüberschuhe, eine Schutzbrille sowie eine partikelfiltrierende Halbmaske getragen werden.

Alles Erforderliche ist in Dekontaminationssets ("Spill kit") enthalten. Die Fläche wird großzügig mit saugkräftigem Material wie z.B. Zellstoff bedeckt, bei verschütteten Trockensubstanzen wird das Saugmaterial zuerst befeuchtet ("trocken auf nass"; "nass auf trocken"). Glassplitter werden mit einer Tiegelzange aufgenommen. Anschließend wird die verunreinigte Fläche gereinigt. Kontaminiertes Material wird über den Sondermüll entsorgt.

Bei der Dekontamination einer Person ist folgendermaßen vorzugehen: Die kontaminierte Kleidung muss sofort ausgezogen werden. Bei Augenkontakt muss mit isotoner Kochsalzlösung oder Wasser gründlich gespült und anschließend ein Augenarzt aufgesucht werden. Bei Hautkontakt wird die betroffene Stelle mindestens zehn Minuten lang mit klarem Wasser abgespült. Erst dann kann mit Seife nachgewaschen und im Bedarfsfall ein Arzt konsultiert werden. Zwischenfälle, bei denen eine Person kontaminiert wurde, müssen in ein Unfallbuch eingetragen werden.

Wie werden Zytostatika appliziert?

Die meisten Zytostatika werden intravenös verabreicht. Eine weitere Möglichkeit ist die orale Gabe oder eine lokoregionäre Anwendung. Dazu gehören intrathekale, intrapleurale, intraperitoneale, intravesikale und intraarterielle Applikationen, die allerdings nur im stationären Bereich eine Rolle spielen. Im ambulanten Bereich werden Zytostatika vor allem intravenös verabreicht.

Die Applikation kann peripher über eine Armvene oder zentral über einen Venenkatheter erfolgen. Bei häufigen Applikationen ist es sinnvoll, ein Portsystem zu implantieren, um die Gefäße des Patienten zu schonen. Dabei wird ein System mit Reservoir in einer subkutanen Tasche implantiert. Über einen Katheter erfolgt dann die Verbindung zu einer großen Vene.

Zur Applikation eines Arzneistoffes wird der unter der Haut gelegene Port mit einer Spritze punktiert. An einen solchen Port können auch Pumpensysteme angeschlossen werden, um z.B. eine kontinuierliche Analgetika- oder eine häufige oder über einen längeren Zeitraum zu erfolgende Zytostatikagabe zu ermöglichen.

Tragbare Pumpen für den ambulanten Bereich

Da bei manchen Therapieschemata die Zytostatika über einen längeren Zeitraum kontinuierlich appliziert werden müssen, wurden bestimmte Pumpensysteme entwickelt, mit deren Hilfe die Therapie auch ambulant in der häuslichen Umgebung durchgeführt werden kann. Diese Pumpen verhelfen dem Patienten zu mehr Mobilität und können möglicherweise auch die Therapiekosten senken. Sie sind einfach zu bedienen, teilweise programmierbar und unauffällig zu tragen.

Von Nachteil ist, dass mit den Pumpen nur ein begrenztes Volumen appliziert werden kann, die Befüllung zeitaufwendig ist und die Flussrate Temperaturschwankungen sowie der Viskosität der Lösung unterworfen ist.Elastomere Pumpen arbeiten ohne mechanischen Antrieb und unabhängig von der Schwerkraft nach dem Elastizitätsprinzip.

Ein Ballon aus inertem Polyisopren dient gleichzeitig als Arzneimittelreservoir und Pumpe. Durch das Befüllen erfolgt eine Materialausdehnung. Da das Material elastisch ist, kontrahiert es sich wieder, wenn die Arzneistofflösung aus dem Reservoir in einen mit integriertem Durchflussregler versehenen Infusionsschlauch fließt. Die verwendeten Pumpen sind leicht und handlich und können in einer passenden Tasche bequem am Körper getragen werden. Elastomere Pumpen sind sterile Einmalartikel, die nach Gebrauch entsorgt werden. Des Weiteren können federgetriebene Infusionspumpen mit mechanischem Antrieb oder batteriebetriebene peristaltische Pumpen eingesetzt werden. Beide fallen unter das Medizinproduktegesetz und müssen nach dessen Vorschriften und der dazugehörigen Betreiberverordnung gehandhabt werden.

Was tun bei Paravasaten?

Unter einer Paravasation versteht man das unbeabsichtigte Austreten eines Zytostatikums in das umliegende Gewebe. Auch bei sorgfältiger und gewissenhafter Applikation eines Zytostatikums können Paravasate auftreten; man schätzt die Häufigkeit von Zytostatikaparavasaten bei i.v. Applikationen auf 0,5 bis 6%. Aufgrund seines irritierenden oder nekrotisierenden Potenzials kann ein paravenös gelaufener Arzneistoff schwerwiegende Komplikationen hervorrufen.

Neben lokalen Reizungen und Schmerzen können Ulzerationen und Nekrosen entstehen, die im schlimmsten Fall eine Hauttransplantation oder eine Amputation erforderlich machen. Das Ausmaß und die Folgen einer Paravasation hängen vom Zytostatikum, der paravenös gelaufenen Menge und den ergriffenen Notfallmaßnahmen ab.

Bei Symptomen einer Paravasation wie Schmerzen oder Brennen im Bereich der Injektionsstelle, Schwellungen, Rötung, fehlender Blutaspiration, Abnahme der Infusionsgeschwindigkeit oder Widerstand bei der Injektion ist die Applikation sofort abzubrechen, und die erforderlichen Maßnahmen müssen unverzüglich eingeleitet werden.

Die Notfallmaßnahmen richten sich nach dem nekrotisierenden Potenzial des Zytostatikums (besonders gefährlich sind z.B. Anthracycline und Vinca-Alkaloide) und dem Ausmaß der Paravasation. Für ein möglichst rasches Handeln sollte auf jeder onkologischen Station bzw. in jeder onkologischen Praxis ein Paravasate-Set griffbereit sein, das alle erforderlichen Einmalartikel und gegebenenfalls Antidote sowie die aktuellen Therapieempfehlungen enthält. Für die meisten Zytostatika gibt es kein spezielles Antidot, und man richtet sich nach empirisch gewonnenen klinischen Erfahrungen.

Entsorgung

Bei der Entsorgung von Zytostatika sind die abfallrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes einzuhalten. Man unterscheidet gering kontaminierte Abfälle wie benutzte Arbeitsgeräte (leere Behältnisse, Tupfer, Spritzen, Handschuhe, Einmalkittel etc.), die mit dem Hausmüll, aber getrennt von anderen Abfällen entsorgt werden (Abfallklasse B), und Abfälle mit toxischem Potenzial wie nicht aufgebrauchte oder verfallenen Zytostatika. Diese werden in dicht schließenden Einmalbehältnissen mit besonderer Kennzeichnung (Etikett mit schwarzem Totenkopf) gesammelt und der Sonderabfallentsorgung zugeführt.

Darüber muss ein Nachweis geführt werden.Keine Regelung gibt es bislang für die Entsorgung von Ausscheidungen, die Zytostatika in hohen Konzentrationen über einen längeren Zeitraum enthalten können. Es wird empfohlen, die Ausscheidungen mit viel Wasser über die Kanalisation zu entsorgen.

Kastentext: Vorschriften und Richtlinien

M 620, BRZ, BAK und QuapoS befassen sich in ungleichem Ausmaß und mit unterschiedlicher Gewichtung mit folgenden Punkten:

  • Begriffsbestimmung, Geltungsbereich
  • Ermittlungs- und Anzeigepflicht
  • Personal
  • Persönliche Schutzausrüstung, technische Hilfsmittel
  • Schutz- und Notfallmaßnahmen
  • Verpackung, Lagerung, Transport
  • Applikation, Entsorgung
  • Räume, Schleuse, Sicherheitswerkbänke
  • Plausibilitätskontrolle, Ausgangsprodukte
  • Herstellung, Herstellungsanweisung
  • Kennzeichnung, Endproduktkontrolle
  • Dokumentation, Validierung
  • Reinigung, Desinfektion

Lerninhalte Seminar 2 "Handhabung von Tumortherapeutika"

  • Arbeitsschutz
  • Aufbau und Funktionsweise verschiedener Zytostatikawerkbänke
  • Einrichtung von Zytostatikalaboren und Nebenräumen
  • Persönliche Schutzausrüstung
  • GMP-gerechte Herstellung und Dokumentation
  • Hilfsmittel der Herstellung
  • Masse- und volumenorientierte HerstellungJ Kompatibilität und Stabilität
  • Technik des aseptischen Arbeitens
  • Verhalten bei Raum- und Personen-kontamination
  • Qualitätssicherung
  • Beurteilung und Kontrolle von Verordnungs-irrtümern
  • Vorsorgeuntersuchungen
  • Hilfsmittel der Applikation
  • Transport- und Entsorgungssysteme

Rückhaltevermögen der Werkbank prüfen

Zur Prüfung des Rückhaltevermögens einer Werkbank und somit zur Kontrolle des Personenschutzes bedient man sich des Kaliumiodid-Testes. Dabei wird im Arbeitsfeld ein aus Kaliumiodid bestehendes Testaerosol von einer rotierenden Scheibe mit großer Geschwindigkeit vernebelt. Durch ergonomisch angeordnete Empfänger wird gemessen, ob das Testaerosol in der Werkbank zurückgehalten werden kann. Es wird die Partikelanzahl ermittelt, die unter Überwindung des Laminarstroms und der Luftströmung an der Arbeitsöffnung in die zu prüfende Zone gelangt.

Herstellungsvorschrift (nach BAK-Leitlinie)

  • Geltungsbereich
  • Festlegung des Verantwortlichen
  • INN-Name des Wirkstoffs
  • Bezeichnung des Fertigarzneimittels
  • Lagerort und Lagervorschriften des Fertigarzneimittels
  • Verfahren bei der Zubereitung der Stammlösung
  • Lagervorschrift für die Stammlösung einschließlich Angaben zur Stabilität
  • Benötigte Materialien
  • Art und Bezeichnung der zu verwendenden Trägerlösung
  • Verfahren bei der Herstellung der applikationsfertigen Lösung
  • Angaben zur Haltbarkeit der applikationsfertigen Lösung
  • Art der Verpackung
  • Art der Kennzeichnung

Dokumentation (nach BAK-Leitlinie)

  • Kopie der Verordnung
  • Name, Vorname des Patienten
  • Bezeichnung des Arzneimittels
  • wirksame Bestandteile und Hilfsstoffe nach Art und Menge
  • Bezeichnung der eingesetzten Fertigarzneimittel nach Art und Menge; Chargen-Bezeichnung
  • Darreichungsform
  • apothekeninterne Herstellungsnummer
  • Datum und Uhrzeit der Herstellung
  • Lagerungshinweise
  • Verwendbarkeitsdatum, evtl. Wägeprotokoll (bei masseorientierter Herstellung)
  • Prüfprotokoll mit Angaben der Endproduktkontrolle
  • Name und Unterschrift des herstellenden pharmazeutischen Mitarbeiters
  • Freigabe, Unterschrift des verantwortlichen Apothekers

Mögliche Verordnungsirrtümer

  • Falsches Chemotherapieschema
  • Falsches Medikament im Schema
  • Medikamente oder Dosen im Schema vertauscht
  • Falscher Applikationszeitpunkt für ein bestimmtes Medikament im Schema
  • Falsche Dosis
  • Vergessenes Medikament
  • Verwechseln der Basisdosierung mit der Totaldosis
  • Überschreiten der Maximaldosis
  • Falsches Applikations-/Schemaintervall
  • Verwendung von Abkürzungen und Synonymen

Spezielle Richtlinien zur aseptischen Herstellung

  • USP - 1206 (1994) Steril Drug Products for Home Use
  • EU - GMP Guide (1996) Manufactures of Sterile Medical Products
  • Europäisches Arzneibuch (1997) Parenteralia
  • NHS Quality Control Committee (1995) The Quality Assurance of Aseptic Preparation Services
  • ASHP Technical Assistance Bulletin (1993) on Quality Assurance for Pharmacy-prepared Sterile Products
  • BAK-Leitlinie (2001). Sie sieht vor, dass Zytostatika aseptisch unter low-risk-Bedingungen nach der USP Monographie 1206 hergestellt werden. Das bedeutet, – das Zytostatikum wird aus handelsüblichen, sterilen Fertigarzneimitteln unter Verwendung steriler Einmalprodukte hergestellt, – die Herstellung umfasst nur wenige aseptische Schritte, und – es werden geschlossene Systeme verwendet.

Inhalt eines Spill kit

– Anweisung zur Dekontamination– Markierungsmaterial– Einwegkittel– Überschuhe– Atemschutzmaske– Schutzhandschuhe– Schutzbrille– Einmaltücher, Zellstoff– Hilfsmittel zum Aufnehmen von Glasbruch– Abfallbehältnisse– Formular zur Dokumentation des Unfalls

Pumpen zur Zytostatikaapplikation

Elastomere Pumpen Intermate-Systeme, Infusor (Baxter),Surefuser (Medac), Easypump (Braun) Federgetriebene Pumpen Ultraflow (Fresenius Home Care) Peristaltische Pumpen CADD-Serie (Sims Deltec) Infusionspumpen der Serie 9000 (Sims Deltec), Multifuse (Braun) Walkmed (Logomed), Pegasus PCA

Inhalt eines Paravasate-Notfallsets

  • Dexamethason 4 mg Ampullen*
  • DMSO reinst
  • Hyaluronidase 150 I.E. Ampullen
  • Hydrocortisoncreme 1%
  • Natriumhydrogencarbonat 8,4% Ampullen*
  • Natriumthiosulfat 10% Ampullen*
  • Physiologische NaCl-Lösung
  • Einmalspritzen, Einmalkanülen, Verschlusskonus
  • Einmalhandschuhe, Kompressen, Leukosilk, Watteträger
  • Kältepack, Wärmepack
  • Empfehlungen für allgemeine und spezielle Maßnahmen
  • Dokumentationsbogen* teilweise nicht mehr enthalten

Quellen und Literatur

[1] Vorträge von Jürgen Barth (Apotheke des Universitätsklinikums Essen), Dr. Elvira Ahlke (Universitätsklinik Münster), Dipl. Ing. Rainer Becker (Staatliches Amt für Arbeitsschutz, Arnsberg) und Beate Bredel (Apotheke des Universitätsklinikums Tübingen) bei der Zertifikatsfortbildung Onkologische Pharmazie am 21. bis 23. 9. 2001 in Münster. [2] Merkblatt M 620 "Sichere Handhabung von Zytostatika". Hrsg. von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Stand April 2000. [3] Diedrich, R.: Zytostatika-Richtlinie der Länder. Erläuterungen und Kommentar. Dtsch. Apoth. Ztg. 138, 4122 – 4138 (1998). [4] Leitlinie zur Qualitätssicherung. Aseptische Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia mit toxischem Potential. Erarbeitet durch die Bundesapothekerkammer; abgedruckt in Pharm. Ztg. 146 (11), 133 – 142 (2001). [5] Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service (QuapoS). Herausgegeben von IFAHS e.V. (Institute for applied healthcare sciences) c/o Krankenhausapotheke und Klinische Pharmazie Allgemeines Krankenhaus Harburg; 3. Aufl., Heiner Biller Verlag, Hamburg 2000. [6] Barth, J.: Zytostatikaherstellung in der Apotheke. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2000. [7] Krämer, I., Thiesen, J.: Stabil-Liste. Physikalisch-chemische Stabilität, Kompatibilität und Inkompatibilität parenteral applizierbarer Zytostatika, Virustatika und Supportivtherapeutika. Apotheke des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2001. [8] Mertens, T.: Tragbare Pumpen für die ambulante Zytostatikatherapie. PZ Prisma Zytostatikarezeptur. Govi-Verlag, Eschborn 2000. [9] Marxer, N.: Zytostatika-Werkbänke nach DIN 12980 - eine Übersicht. PZ Prisma Zytostatikarezeptur. Govi-Verlag, Eschborn 2000.

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