Praxis aktuell

Aseptische Herstellung von Parenteralia in der Apotheke

Risikoanalyse und Validierung – State of the art 2013

In § 35 der Apothekenbetriebsordnung vom 12. Juni 2012 sind erstmals spezifische Regelungen für die "Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung" festgelegt [1]. Empfehlungen für die praktische Umsetzung gibt die aktualisierte ADKA-Leitlinie "Aseptische Herstellung applikationsfertiger Parenteralia" [2]. Dabei werden die Besonderheiten des (semi-) manuellen Herstellungsprozesses in der Apotheke berücksichtigt und geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen empfohlen.
LAF-Werkbank Der Schutz des Personals und die Vermeidung einer mikrobiellen Kontamination sind das A und O der Herstellung.
Foto: Schöning

Da es sich um eine rezepturmäßige, manuelle Herstellung handelt, wird besonderer Wert auf den Prozessablauf sowie die Schulung und Überwachung des Personals gelegt, z. B. durch Nährmedienabfüllung und Sterilitätsprüfung von simulierten Produkten.

Risikoanalyse

Vor der Festlegung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der Herstellung applikationsfertiger Parenteralia empfiehlt sich eine Risikoanalyse, welche sich am jeweiligen Herstellungsprozess und den Anwendungsgegebenheiten des Produktes zu orientieren hat.

Bei der Identifizierung von Risiken sind sowohl die verwendeten Ausgangsprodukte, Hilfsmittel und Herstellungsschritte als auch die Haltbarkeitsfristen der applikationsfertigen Parenteralia und der Versorgungsbereich (Umfang der Herstellung, Entfernung zum Applikationsort) einzubeziehen. Beispielsweise ist das mikrobiologische Risiko von Mischinfusionslösungen zur parenteralen Ernährung, bei der die Zahl der Ausgangslösungen und Arbeitsschritte – somit auch die Zahl der Handhabungen/Manipulationen an Zuspritzports – deutlich höher als bei der Zubereitung von Zytostatika, wobei nur wenige Manipulationsschritte erforderlich sind. Dennoch kann das mikrobiologische Risiko auch bei Letzteren hoch sein, wenn beispielsweise das Produkt für eine kritische Verabreichungsart wie die intrathekale Gabe vorgesehen ist.

Geschlossene Systeme

Zweifelsohne ist die industrielle aseptische Herstellung mit einem höheren mikrobiologischen Risiko verbunden als die aseptische Herstellung applikationsfertiger Parenteralia in der Apotheke. Im Unterschied zur patientenbezogenen, rezepturmäßigen Herstellung aus Fertigarzneimitteln werden in der industriellen Herstellung große Chargen für einen großen Versorgungsbereich aus Rohstoffen hergestellt.

Die einzelnen Prozessschritte der Herstellung und Abfüllung von applikationsfertigen Parenteralia in der Apotheke sind sehr unterschiedlich. In der Zytostatikazubereitung werden in der Regel Fertigarzneimittel in Form von Pulvern oder Konzentraten zur parenteralen Anwendung mit Transfersystemen gehandhabt, und es besteht kein Kontakt mit der umgebenden Luft. Von vollständig geschlossenen Systemen kann zwar auch bei der aseptischen Herstellung von Infusionslösungen aus Fertigarzneimitteln nicht ausgegangen werden, das Risiko der mikrobiologischen Kontamination ist jedoch deutlich geringer als bei der industriellen Abfüllung in offene Primärbehältnisse wie z. B. Ampullenflaschen.

Die Definition des "geschlossenen Systems" in unterschiedlichen Regelwerken zur aseptischen Herstellung in Apotheken trägt diesem Umstand Rechnung [1, 3, 4]. So heißt es in der Apothekenbetriebsordnung [1]:

"Das Herstellen im geschlossenen System ist die Überführung steriler Ausgangsmaterialien oder Lösungen in ein vorsterilisiertes, geschlossenes Behältnis, ohne dass der Inhalt dabei mit der äußeren Umgebung in Kontakt kommt." Im Kommentar heißt es, die Überführung kann über ein steriles Überleitsystem erfolgen, wobei dabei jeglicher Kontakt mit der umgebenden Luft beispielsweise durch eine Membran auszuschließen ist.

Aus der Definition kann man ableiten, dass eine Überführung von Lösungen aus Durchstechflaschen mittels Einmalspritzen in Infusionsbeutel über Kanülen oder Spikes mit integrierten Belüftungsfiltern ein geschlossenes System darstellt. Es gibt keine technische Möglichkeit, das Durchstechen des Stopfens mit der Kanüle zu vermeiden, auch bei nadelfreien Systemen muss ein Konnektieren erfolgen. Wenn die leere Spritze mit der Kanüle konnektiert ist, kommt die Arzneimittellösung in einer Ampullenflasche beim Einstechen in den Stopfen nicht mit der Umgebung in Kontakt.

Wenn bei der weiteren Handhabung die Spritze mit Lösung gefüllt ist, steht diese allenfalls wenige Sekunden an der Kanülen-, Spike- oder Spritzenöffnung mit der umgebenden Luft in Kontakt. Wenn zudem die für den Druckausgleich erforderliche Luft über integrierte Filter in der Kanüle oder dem Spike sterilfiltriert wird, ist das mikrobiologische Kontaminationsrisiko aus der Luft äußerst minimal. Ebenso minimal ist das Risiko einer partikulären Verunreinigung des Produkts aus der Luft. Eine direkte Kontamination durch Kontakt mit unsterilen Oberflächen stellt das höhere Risiko dar.

Nach Meinung der Aufsichtsbehörden handelt es sich bei den praxisüblichen Hilfsmitteln und Prozeduren zur Überführung von Fertigarzneimittellösungen nicht um ein geschlossenes System. Das ist unter dem Aspekt verständlich, dass ansonsten § 35 Absatz 4 ApBetrO umgangen werden könnte.

Nach unseren Überlegungen handelt es sich um geschlossene Systeme, die beim aseptischen Herstellen applikationsfertiger Parenteralia unter den Bedingungen der Reinraumklasse A das Risiko der mikrobiellen Kontamination aus der Luft vermeiden lassen. Zudem wurde in einigen Untersuchungen zum Einfluss der Reinraumbedingungen und der herstellenden Personen mittels Nährmedienabfüllungen nachgewiesen, dass das Kontaminationsrisiko aus der Luft nachrangig ist [5, 6, 7]. Anforderungen an die Reinraumklasse in der Umgebung der LAF-Werkbank und Häufigkeit des Umgebungsmonitorings hinsichtlich der Luftkontamination können dementsprechend risikoadaptiert festgelegt werden.

Qualität mit vertretbarem Aufwand sichern

Da die Sterilität der einzelnen Zubereitung nicht geprüft werden kann, stellt sich die Frage, wie die Qualität der hergestellten Produkte sinnvoll und mit vertretbarem Aufwand zu sichern ist. Dazu sind anhand einer Prozessbetrachtung mögliche Kontaminationsquellen zu identifizieren und regelmäßig zu überwachen. Die Überwachung kann mittels Umgebungsmontoring, Nährmedienabfüllung und Sterilitätsprüfungen von ausgewählten Produkten durchgeführt werden.

Mögliche Risiken und Ursachen für eine mikrobiologische Kontamination beim aseptischen Herstellungsprozess sind Beeinträchtigungen der technischen Funktionen der Sicherheitswerkbank und der Raumluftanlage (Filterintegrität, Strömungsgeschwindigkeit, Druck etc.), Bekleidungsregelungen, individuelle Arbeitsweise von herstellendem und zureichendem Mitarbeiter [5, 8] und die mikrobielle Belastung der verwendeten Ausgangsmaterialien [9]. Hinsichtlich der Prozessbetrachtung sind auch das Einschleusen von Material, Tragefristen von Handschuhen sowie die Durchführung von Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen relevant.

Hieraus ergeben sich fünf wesentliche Bereiche, welche eines mikrobiologischen Monitorings bedürfen. Im Falle von systematischen Fehlern in einem oder mehreren dieser Bereiche besteht ein höheres Risiko für eine Verschleppung von Keimen in den Arbeitsbereich oder letztlich die Zubereitung selbst.

Integrität lufttechnischer Funktionalitäten

Zur Untersuchung der Integrität und Funktionalität der lüftungstechnischen Anlagen eignen sich physikalische und mikrobiologische Prüfungen der Luft. Dazu müssen Untersuchungsmethoden, Anzahl und Lokalisation der Messpunkte sowie die Häufigkeit der Untersuchungen festgelegt werden. Die Partikelmessungen können selten durchgeführt werden. Kontinuierliche Partikelmessungen in der LAF-Werkbank sind aufgrund des geringen Risikos der partikulären Kontamination nicht erforderlich. Wenn lüftungstechnische Anlagen nicht ordnungsgemäß funktionieren, lösen die Geräte ohnehin einen Alarm aus. Zur regelmäßigen Kontrolle der Luftkeimzahl eignet sich die passive Luftkeimsammlung mit Sedimentationsplatten. Diese sind beispielsweise wöchentlich an festgelegten Messpunkten für eine Arbeitsperiode, maximal vier Stunden, aufzustellen.

Mikrobielle Belastung von Oberflächen

Zur Überwachung der mikrobiellen Belastung von Oberflächen eignen sich Abklatschtests. Dafür empfiehlt sich ebenfalls eine hohe Frequenz und eine geeignete Zahl von Messpunkten an potenziell kritischen Stellen, also insbesondere im Arbeitsbereich der LAF-Werkbank.

Die stichprobenartige Qualitätsprüfung von eingesetzten Fertigarzneimitteln und Medizinprodukten sollte auch eine Prüfung der Keimzahl mittels Abklatschtests von Umverpackungen (wie Folien oder Kartonagen) in größeren zeitlichen Abständen oder nach Wechsel von Lieferanten umfassen.

Sehr starke Belastungen eines Produktes mit Pilzen, Sporen oder Bakterien werden möglicherweise auch mit den routinemäßig durchgeführten Reinigungsprozessen beim Einschleusen in den Reinraum nicht vollständig entfernt [9].

Dem Risiko der Kontaktkontamination bei der manuellen Herstellung Rechnung tragend, sind häufige Kontrollen der Keimzahlen auf den behandschuhten Händen des Personals durchzuführen. Beispielsweise sind ein- bis zweimal wöchentlich am Ende einer Arbeitsperiode die fünf Fingerkuppen beider Hände ("Fingerprints") des herstellenden und zureichenden Personals zu untersuchen, um mögliche systematische Verschleppungen aufzudecken.

Aseptische Arbeitstechnik des Personals

Qualifikation und regelmäßige Schulung sind eine Grundvoraussetzung für die Beherrschung der aseptischen Arbeitstechnik. Kommt es während der Herstellung zu grundlegenden Fehlern aufgrund von falschem Handling (Berühren von Konnektionsstellen, vergessene Desinfektionsschritte etc.) oder Konzentrationsmangel, besteht ein Kontaminationsrisiko, das mit der Komplexität des Prozesses zunimmt. Simulationstests mit Nährmedien, welche sich an der Praxis des jeweiligen Herstellungsprozess orientieren, sollen in regelmäßigen Abständen am Ende eines Arbeitstages durchgeführt werden, um die Qualifikation des Personals zur aseptischen Herstellung zu dokumentieren.

Eine tägliche Prozesskontrolle kann auch mit der Sterilitätsprüfung von hergestellten Dummylösungen oder Anbrüchen erfolgen. Um zeitnah die Ergebnisse zu erhalten, können beispielsweise Aliquots in Blutkulturflaschen überführt werden.

Lagerung und Wiederverwendung von Anbrüchen

Die Verwendung von Anbrüchen der Fertigarzneimittel in Kenntnis der physikalisch-chemischen Stabilität sollte ebenfalls mit mikrobiologischen Methoden überwacht werden. Auch dafür eignet sich die Sterilitätsprüfung von unter gleichen Bedingungen mitgeführten Dummy-Anbrüchen (z. B. Glucose 5%).

Reinigung und Desinfektion von Oberflächen und Kleidung

Die Reinigungsleistung, welche durch die verwendeten Agenzien sowie die Festlegungen im Hygieneplan (Verdünnung, Einwirkzeit, Reinigungstechnik und ‑abstände) bedingt ist, sollte regelmäßig durch Abklatschtests kritischer Oberflächen überprüft werden. Ebenso können im Falle wiederverwendeter Bereichskleidung stichprobenartige Prüfungen gemacht werden.

Fazit

Nur die Kombination von Umgebungsmonitoring, Nährmedienabfüllung und Endproduktkontrolle bringt ausreichende Informationen zur Qualität des Herstellungsprozesses und der hergestellten Produkte.

Wie bei der chargenmäßigen aseptischen Herstellung im industriellen Maßstab ist eine alleinige Sterilitätsprüfung einer Stichprobe von hergestellten Zubereitungen insbesondere aufgrund der fehlenden Prozessbetrachtung zur Qualitätssicherung nicht ausreichend.

Zudem besteht durch das hier beschriebene Vorgehen eine größere Wahrscheinlichkeit, systematische und prozessbezogene mikrobiologische Verschleppungen früher zu identifizieren und so einen Herstellungsstopp zu vermeiden.

Insbesondere unter dem Aspekt der manuellen Herstellung von patientenindividuellen Lösungen sollten mikrobiologische Validierungsmaßnahmen auf Basis einer vorgenommenen Risikoanalyse bestmöglich den spezifischen Gegebenheiten und den Prozessabläufen vor Ort angepasst sein. Die Anzahl der Probennahmen orientiert sich dabei am Herstellungs- und Personalumfang der jeweiligen Apotheke.


Literatur

[1] Apothekenbetriebsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1995 (BGBl. I S. 1195), zuletzt geändert durch Art. 1 V v. 5. 6. 2012 I 1254.

[2] ADKA-Leitlinie Aseptische Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia. Krankenhauspharmazie 2013;34:93 – 106.

[3] PIC/S PE 010-3 Guide to Good Practices for the Preparation of Medicinal Products in Health-care Establishments. www.picscheme.org/pdf/23_pe0103-revisedgppguide.pdf.

[4] Resolution CM/ResAP (2011) 1 on quality and safety assurance requirements for medicinal products prepared in pharmacies for the special needs of patients. https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1734101&Site=CM.

[5] Thomas M, et al. I.V. admixture contamination rates: Traditional practice site versus a class 1000 clean room. Am J Health-Syst-Pharm 2005;62: 2386 – 2392.

[6] Stucki C, et al. Microbial contamination of syringes during preparation: the direct influence of environmental cleanliness and risk manipulations on end-product quality. Am J Health-Syst Pharm 2009; 2032 – 2036.

[7] Trissel LA, et al. Using a medium-fill simulation to evaluate the microbial contamination rate for USP medium-risk-level compounding. Am J Health-Syst Pharm 2005;62:285 – 288.

[8] Austin P, et al. Improved aseptic technique can reduce variable contamination rates of ward-prepared parenteral doses. J Hosp Infect 2013;83: 160 – 163.

[9] Meyrath D, et al. Mikrobiologische Außenkontamination von Infusionsbeuteln in der aseptischen Herstellung. Krankenhauspharmazie 2012; 33(5):237.


Autoren

Prof. Dr. Irene Krämer, Apotheke im Universitätsklinikum Mainz

Dr. Tilman Schöning, Apotheke im Universitätsklinikum Heidelberg

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