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Arzneimittelherstellung in der Apotheke: Spagat zwischen Anspruch und Machbarkei

ESCHBORN (ral). Die aseptische Herstellung von applikationsfertigen Parenteralia ist ein Tätigkeitsfeld, dem sich nicht nur Krankenhausapotheker, sondern auch viele Offizinapotheker widmen. Die Anforderungen, die an sie gestellt werden, sind hoch, gilt es doch zum einen im Sinne des Produktschutzes ein einwandfreies Arzneimittel zu produzieren, zum anderen auch im Sinne des Mitarbeiterschutzes die Herstellenden nicht zu gefährden. Ein umsetzbares, allgemeingültiges Regelwerk für die aseptische Herstellung in der Apotheke existiert bislang nicht. Die Erarbeitung eines Qualitätsstandards für das Qualitätsmanagement war daher auch Ziel des vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker veranstalteten Expertentreffens, das unter Leitung von Frau Prof. Dr. Helga Möller am 27. Oktober 1999 in Eschborn stattgefunden hat.

Die aseptische Herstellung applikationsfertiger Parenteralia wurde als spezifische Form der Herstellung steriler Arzneimittel in den letzten Jahren in deutschen Krankenhaus- und Offizinapotheken etabliert. Im Unterschied zur chargenmäßigen aseptischen Arzneimittelherstellung wie sie von der pharmazeutischen Industrie durchgeführt wird, handelt es sich um eine kontinuierliche Einzelherstellung von Parenteralia in patientenindividueller Dosierung. Als Ausgangsprodukte werden in der Regel Fertigarzneimittel eingesetzt. Die Herstellung erfolgt in geschlossenen Systemen mit einer begrenzter Zahl von Arbeitsschritten, die von geschultem Personal durchgeführt werden.

Gelagert werden die Produkte normalerweise nur wenige Stunden, es kann jedoch in Einzelfällen zu einer Lagerung bis zu 72 Stunden kommen. Notwendig ist die patientenindividuelle Herstellung von applikationsfertigen Parenteralia vor allem im Fall der Krebstherapie mit Zytostatika, des weiteren müssen z. B. Virustatika, parenterale Ernährungslösungen und in jüngerer Zeit auch zunehmend Stammzelltransplantate patentenindividuell angefertigt werden.

Produktsicherheit und Mitarbeiterschutz erfordern besondere Aufmerksamkeit

Ziel der Arzneimittelherstellung in der Apotheke muss zum einen der Erhalt eines pharmazeutisch einwandfreien Arzneimittels sein, was im Zusammenhang mit der aseptischen Herstellung applikationsfertiger Parenteralia vor allem bedeutet, dass das Produkt keimfrei bleibt. Dies ist trotz der Verwendung von sterilen Fertigarzneimitteln als Ausgangssubstanzen nur schwer erreichbar.

Kritische Punkte treten bei praktisch allen Arbeitsabläufen und Zwischenprodukten auf. So können bereits die - an und für sich als steril verkauften Ausgangsprodukte - verunreinigt angeliefert oder bei der Lagerung in der Apotheke kontaminiert werden. Das während der Zubereitung notwendige Wasser kann ebenfalls durch unsachgemäße Handhabung, falsche Aufbewahrung etc. verkeimt sein. Gleiches gilt für die Primärpackmittel, die Zwischenprodukte und natürlich für das abgefüllte Produkt. Sei es bei der Reinigung von Gefäßen, bei der Handhabung von Stopfen oder Spritzen zum Mischen der Ausgangssubstanzen, bei der Abfüllung oder der Lagerung - es gibt zig Möglichkeiten, Keime in das Produkt einzubringen. Die zweite Anforderung für die Arzneimittelherstellung in der Apotheke ist der Schutz der herstellenden Mitarbeiter, denn Produktsicherheit darf nicht auf Kosten der Mitarbeitersicherheit erfolgen.

Eine spezifische Richtlinie ist notwendig

Rechtliche Grundlage für die Arzneimittelherstellung sind an und für sich die im Europäischen Arzneibuch beschriebenen EU-GMP-Richtlinien. Diese lassen sich allerdings nur bedingt für die patientenindividuelle Arzneimittelherstellung in der Apotheke heranziehen. Die Produktion in der Apotheke unterscheidet sich sowohl in der Spezifikation als auch der Art der Herstellung von chargenmäßig hergestellten Parenteralia.

Um den besonderen Anforderungen gerecht zu werden, soll daher auf Grundlage des Revised Annex 1 der EU-GMP-Richtlinie und weiteren Richtlinien für die aseptische Herstellung von Parenteralia in Apotheken aus Großbritannien, den Niederlanden und den USA ein Vorschlag für eine spezifische Richtlinie für die deutschen (Krankenhaus-)apotheken erarbeitet werden.

Diskussions- und Definitionsbedarf besteht vor allem zu:

  • Anforderungen an Räumlichkeiten und Ausstattung der Herstellungsbereiche.
  • Anforderungen an Personal und Arbeitsweise.
  • Art und Häufigkeit der physikalischen und mikrobiellen Umgebungskontrollen.
  • Grenzwerte für Partikel- und Keimzahlen.
  • Mikrobiologische Validierung der Herstellung
  • Endproduktkontrolle, insbesondere Sterilitätsprüfung der Produkte.
  • Dokumentation.

Einbringen der Primärpackmittel in den Herstellungsprozess

Wie die Diskussion beim ZL-Expertentreffen ergab, ist der erste kritische und noch ungeregelte Punkt bei der aseptischen Herstellung bereits das Einbringen der Primärpackmittel in den Herstellungsprozess. Die gängige Vorgehensweise besteht derzeit darin, dass die unsterile Umverpackung entfernt, die Primärpackung desinfiziert und dann in den Laminar Flow, d. h. in den aseptischen Herstellungsbereich, eingebracht wird. Das kann nach Aussage von Mikrobiologen jedoch nicht nur im Sinn des Produktschutzes, sondern auch im Sinn des Mitarbeiterschutzes problematisch werden.

So komme es immer wieder vor, dass Zytostatikaflaschen außen kontaminiert seien. In diesem Fall sei natürlich in erster Linie die Industrie gefordert, einwandfreie Ausgangssubstanzen zu liefern. Bei Ausgangssubstanzen, die keine Gefährdung für den Herstellenden bedeuten, müsse das Augenmerk vor allem auf der Produktsicherheit liegen.

Die einfachste Lösung des Problems bestände darin, von der Industrie zu fordern, dass Ausgangssubstanzen für die Herstellung von applikationsfertigen Parenteralia steril verpackt geliefert werden. Derartige Substanzen könnten dann problemlos in den aseptischen Herstellungsprozess eingebracht werden. Da dies momentan jedoch noch nicht realisiert ist, einigte sich die Expertenrunde auf die Empfehlung, dass - wenn vorhanden - steril verpackte Ausgangssubstanzen zu verwenden sind, wenn nicht, die unsterile Umverpackung entfernt werden und die Behälter (in der Regel Flaschen) nach Desinfektion in den aseptischen Herstellungsprozess eingebracht werden sollen.

Offen ist noch die Frage wie die Behälter sterilisiert werden sollen. Eine pauschale Empfehlung sei nicht möglich, so die Diskutierenden, man wolle jedoch verschiedene Fallbeispiele herausarbeiten, an die sich die Mitarbeiter in der Apotheke halten können.

Wann und wie oft muss validiert werden?

Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Häufigkeit der Validierungen des Herstellungsprozesses. Muss er täglich überprüft werden, in regelmäßigen größeren Abständen oder nur einmal jährlich? Wie häufig muss die apparative Einrichtung kontrolliert werden, wie viele In-Prozesskontrollen sind notwendig und wie sieht es mit der mikrobiologischen Validierung aus?

Zieht man die Vorschriften der EU-GMP-Richtlinie für die Beantwortung dieser Fragen heran, wäre nach Ansicht der Experten eine Arzneimittelherstellung in der Apotheke künftig nicht mehr möglich, da der Aufwand und die Kosten in keinem Verhältnis mehr zu den Einnahmen aus der Herstellung stünden. Andererseits darf Wirtschaftlichkeit aber auch nicht auf Kosten der Produktsicherheit ablaufen.

Im Fall der Personalvalidierung wurde von den Experten in Anlehnung an die USP-Richtlinie vorgeschlagen, dass neue Mitarbeiter eine Art Prozessimitierung vornehmen sollten, bei der immer wieder Flüssigkeit von einem Gefäß in ein anderes umgefüllt wird, wobei das Endprodukt steril bleiben muss. Diese Prozessimitierung sollte zunächst drei Mal erfolgreich durchgeführt werden, bevor der Mitarbeiter in den Herstellungsprozess einbezogen wird und anschließend in regelmäßigen Abständen jeweils einmal wiederholt werden, um nachzuweisen, dass der Mitarbeiter den Herstellungsprozess nach wie vor beherrscht und sorgfältig durchführt.

Bei der mikrobiologischen Validierung wurde die Möglichkeit diskutiert, täglich bzw. bei jedem Herstellungsprozess einen Dummi in der Produktion mitlaufen zu lassen. Dies käme dem Anspruch an Produktsicherheit am nächsten, wird sich aber, so die Experten, in der Praxis nicht umsetzen lassen, da der Aufwand für eine derartige Validierung zu hoch ist. Die Methode an sich - über Mitführen eines Dummis den Produktionshergang und die mikrobielle Unbedenklichkeit der Produkte zu prüfen - wurde jedoch als sinnvoller Ansatz bewertet. Geklärt werden muss allerdings noch, wie häufig diese Validierungsmethode durchzuführen ist.

Reinraumklassen und Arbeitskleidung

Im Fall der notwendigen Reinraumklassen für die aseptische Arzneimittelherstellung in der Apotheke einigten sich die Diskussionsteilnehmer darauf, dass im kritischen Bereich Reinraumklasse A und ein Laminar Flow vom Typ DIN 12980 vorhanden sein müssen, bei der Zytostatikazubereitung sogar anstelle des Laminar Flow eine Sicherheitswerkbank. Für die Umgebung sei eine Reinraumklasse B anzustreben, eine Reinraumklasse C würde jedoch bei entsprechender Validierung der Bedingungen im kritischen Bereich ausreichen.

Dementsprechend sollte auch die Arbeitskleidung des Personals den Anforderungen an Reinraumklasse C entsprechen. Die Ergebnisse der Diskussionsrunde werden derzeit zusammengefasst, um in den Antrag auf eine spezifische Richtlinie für die aseptische Herstellung applikationsfertiger Parenteralia in der Apotheke eingebracht werden zu können.

Die aseptische Herstellung von applikationsfertigen Parenteralia ist ein Tätigkeitsfeld, dem sich nicht nur Krankenhausapotheker, sondern auch viele Offizinapotheker widmen. Die Anforderungen, die an sie gestellt werden, sind hoch, ein umsetzbares allgemeingültiges Regelwerk existiert bislang nicht. Die Erarbeitung eines solchen Qualitätsstandards für das Qualitätsmanagement dar, daher auch Ziel des vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker veranstalteten Expertentreffens, das unter Leitung von Prof. Dr. Helga Möller am 27. Oktober 1999 in Eschborn stattgefunden hat.

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