Berichte

Paul-Ehrlich-Insititut: Sicherheit in der Transfusionsmedizin – Virusinfek

Knapp 200 internationale Experten trafen sich am 7. und 8. Juni 2001 im Paul-Ehrlich-Institut in Langen zum 2. Internationalen Symposium "Advances in Transfusion Safety", um über die Sicherheit von Spendern und Empfängern, Erfahrungen mit dem direkten Virusnachweis von HIV, Hepatitis B- und Hepatitis C-Viren sowie über die Risiken bakterieller Verunreinigungen und Prionenerkrankungen zu diskutieren. Veranstalter waren neben dem PEI die International Association for Biologicals (IAB) und die britische Royal Society of Medicine (RSM). Es war bereits das zweite Symposium zu dieser Thematik. Das erste hatte 1999 in San Francisco stattgefunden.

Die Veranstaltung machte vor allem deutlich, dass im Bereich der Virussicherheit in der Transfusionsmedizin in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt werden konnten. Nach den Expertenberichten treten Infektionen mit HIV, HBV oder HCV durch Blutprodukte nur noch in wenigen Ausnahmefällen auf.

In ihrem Grußwort als Schirmherrin der Veranstaltung betonte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, dass die internationale Zusammenarbeit die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Forschung und immer sicherere Blutprodukte sei. Auch der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts Prof. Dr. Johannes Löwer hob den internationalen Charakter hervor: "Ich bin stolz darauf, dass so viele Experten aus ganz Europa und den USA den Weg nach Langen gefunden haben, um gemeinsam über diese wichtigen Themen zu diskutieren," so Löwer.

Größtes Risiko durch Fehltransfusionen

"Bluttransfusion ist ein Prozess, nicht ein Produkt". In dieser Aussage von Dr. Sunny Dzik vom Massachussettes General Hospital/USA spiegelt sich die Bandbreite der Problematik wider. Dzik betonte in seinem Vortrag, dass in die Sicherheitsbewertung von Bluttransfusionen die gesamte Kette von Spenderauswahl und Spendertestung über die Blutentnahme, Herstellung und Lagerung, den Transport und insbesondere die richtige Anwendung einbezogen werden müsse. Im Hinblick auf die Virussicherheit seien bereits enorme Fortschritte erzielt worden. Das zahlenmäßig größte Risiko stellten heute nicht mehr die Viren selbst dar, sondern beispielsweise Fehltransfusionen, die aus Verwechslungen von Patienten oder Proben resultieren könnten. Dr. Danielle Rebibo vom französischen Blutspendedienst ergänzte, dass auch in Frankreich Virusinfektionen nur noch sehr selten beobachtet würden, häufiger seien Fehltransfusionen und Verunreinigungen mit Bakterien.

Qualitätssicherungssystem unabdingbar

Der Präsident European Plasma Fractionating Association (EPFA) Prof. Dr. W.G. van Aken betonte vor allem die Notwendigkeit von Qualitätssicherungssystemen im Blutspendewesen und auch bei der Anwendung von Blutprodukten. In Deutschland schreibt das Transfusionsgesetz solche Qualitätssicherungssysteme bereits vor.

Diese erfordern unter anderem, Daten über die Gewinnung, Anwendung und den Verbrauch von Blut sowie über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu sammeln. Notwendig sei aber vor allem, so van Aken, diese Daten auszuwerten, Risikoabschätzungen vorzunehmen und Verbesserungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Er hält Fehltransfusionen unter dieser Prämisse ohne Ausnahme für vermeidbar.

Neue Infektionskrankheiten vielfach "man-made risks"

Über neue Erkenntnisse zu Infektionskrankheiten, die auch im Blutspendewesen eine Rolle spielen könnten, berichteten der Präsident des Robert Koch-Instituts Prof. Dr. Reinhard Kurth und Dr. Philip D. Minor von der britischen Schwesterbehörde des Paul-Ehrlich-Instituts, National Institute for Biological Standards and Control (NIBSC) in London. Kurth wies darauf hin, dass seit dem Zweiten Weltkrieg rund 45 neue Infektionskrankheiten entdeckt worden seien.

Trotz aller Fortschritte in der Medizin sind die Risiken vieler dieser Krankheiten in seinen Augen "man-made-risks", bedingt durch den Lebensstil und die gewachsene Mobilität. Philip Minor zeigte sich erleichtert darüber, dass man die Gefährdung durch umhüllte Viren, zu denen HIV sowie das Hepatitis B (HBV) und das Hepatitis C Virus (HCV) gehören, in den letzten Jahren sehr weit habe zurückdrängen können. Verstärkte Aufmerksamkeit müsse nun den Prionen, die für BSE und die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung verantwortlich gemacht werden, gewidmet werden.

Großer Fortschritt beim Virusnachweis durch die NAT

Erfahrungen aus Deutschland, Japan und den USA mit dem direkten Virusnachweis von HIV, HBV und HCV waren Thema eines weiteren Vortragsblocks. So konnte Professor Erhard Seifried vom DRK Blutspendedienst in Hessen berichten, dass in Deutschland keine Übertragungen mit dem Hepatitis-C-Virus mehr beobachtet wurden, seit das Paul-Ehrlich-Institut im Jahr 1999 den direkten Virusnachweis mit einer Nukleinsäureamplifikationstechnik (NAT) angeordnet hat. Allein beim Deutschen Roten Kreuz habe diese Technik zahlreiche Virusübertragungen verhindert: 21 mit HBV, 13 mit HCV und 2 mit HIV.

Problematisch seien jedoch die sehr hohen Kosten des Verfahrens. Dennoch soll die Virus-NAT nun auch für HIV verbindlich eingeführt werden, nachdem dem PEI seit Juni 1998 vier HIV-Übertragungen durch Blutkomponenten gemeldet wurden, die mit hoher Sicherheit mit einem NAT-Test hätten erkannt werden können.

Bakterielle Verunreinigungen häufig unterschätzt

Aus der Sicht von Professor Morris Blajchmann von der McMaster University in Ontario/USA wird das Problem bakterieller Verunreinigungen von Blut häufig unterschätzt. Nach seinen Erfahrungen kommt beispielsweise auf 200000 Empfänger eines Thrombozytenkonzentrates ein Todesfall. "Im Hinblick auf das Problem des Underreporting ist diese Zahl sicher nur die Spitze des Eisbergs", meinte Blajchman.

Auch in Deutschland werden, wie Dr. Thomas Montag-Lessing vom Paul-Ehrlich-Institut erläuterte, umfangreiche Anstrengungen unternommen, um dieses Problem zu minimieren. So arbeiteten inzwischen alle Blutspendedienste nach dem Leitfaden "Mindestanforderungen für Sterilitätstestung" (www.pei.de/zulass/sterimin.htm), der gemeinsam vom PEI, dem Arbeitskreis Blut am Robert Koch-Institut und der Bundesärtzekammer erarbeitet wurde. Eine Studie nach Einführung des Leitfadens habe gezeigt, dass die Anzahl verunreinigter Transfusionen zurückgegangen sei. Montag-Lessing betonte, dass Sterilitätstestung kein Screening im herkömmlichen Sinne sei, sondern eine regelrechte Qualitätskontrolle der Blutabnahme und der Herstellung.

Weitere Themen des Symposiums waren Prionen-Erkrankungen sowie Berichte über Fortschritte bei Verfahren zur Virusinaktivierung, Statements pro und contra Leukozytendepletion sowie die Perspektiven, die hämatopoetische Stammzellen für die Immuntherapie bieten können. Wie das Paul-Ehrlich-Institut mitteilte, soll der internationale Gedankenaustausch zu den Fortschritten der Transfusionsmedizin fortgesetzt werden.

Kastentext: Zur Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen

Das Robert Koch-Institut (RKI), das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) haben kürzlich (Stand: 5. 3. 2001) eine aufschlussreiche Information zur bovinen Enzephalopathie (BSE) des Rindes und deren Übertragbarkeit auf den Menschen bekannt gemacht. Die Übersichtsarbeit beschreibt das Erscheinungsbild von BSE, die Ursachen der BSE-Entstehung und -Verbreitung, die Übertragung des Erregers auf verschiedene Tierarten und auf den Menschen, und dessen Erkrankungsform vCJK sowie die Maßnahmen gegen das BSE-Risiko in Deutschland und Europa.

Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz Nr. 5, 421–431 (2001).

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