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Spongioforme Enzephalopathien: Mehr Klarheit bei BSE und vCJD

Auch wenn die Themen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) und BSE (Bovine Spongioforme Enzephalopathie) in den letzten Wochen aus den Medien und damit aus dem Bewusstsein der Bevölkerung durch die Maul- und Klauenseuche (MKS) etwas verdrängt wurden, so zog es doch am 18. April über hundert interessierte Zuhörer - nicht nur aus dem pharmazeutischen Bereich - nach Saarbrücken zur Vortragsveranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft Saar. Prof. Dr. Wolfgang Feiden, Leiter der Neuropathologie der Universitätskliniken in Homburg/Saar, beleuchtete in seinem Vortrag "Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Kuru und die neue variante Form - wie gefährdet ist der Mensch durch BSE" das Feld der spongioformen Enzephalopathien.

Professor Feiden begann mit einem geschichtlichen Abriss über die Entdeckung der verschiedenen spongioformen Enzephalopathien, die ihren Namen nach dem schwammförmigen Aussehen der Gewebsschnitte des Gehirns erhalten haben. Ein weiteres Merkmal sind die Plaques (Amyloid-Ablagerungen) auf den Neuronen.

Kuru

Übertragbare (transmissible) spongioforme Enzephalopathien (TSE) sind keine neue Seuche des 20. Jahrhunderts. Die bei Schafen und Ziegen auftretende Traberkrankheit, heute meist mit dem englischen Begriff Scrapie bezeichnet, ist schon seit dem 18.Jahrhundert bekannt. Eine erste TSE beim Menschen wurde seit etwa 1910 in Neuguinea beobachtet. Sie trat in einem bisher von der Zivilisation unberührten Stamm fast ausschließlich bei Frauen und bei ihren mindestens fünfjährigen Kindern auf, ging mit Muskelzittern und Ataxie einher und verlief ausnahmslos tödlich. Erwachsene Männer waren nicht betroffen. Aus dem Gehirn der Verstorbenen wurden Proben entnommen und Affen ins zentrale Nervensystem injiziert; diese zeigten nach einer Inkubationszeit von ca. 18 Monaten dieselben neurologischen wie neuropathologischen Befunde.

Die Frauen lebten mit ihren Kindern weitgehend getrennt von den männlichen Stammesangehörigen und befolgten einen Totenkult, bei dem sie vom Gehirn der Verstorbenen aßen. Als einmal spontan eine spongioforme Enzephalopathie bei einem Stammesangehörigen auftrat, konnte sie sich aufgrund des beschriebenen Ritus epidemieartig ausbreiten. Nach Abschaffung des Brauchs um 1950 traten noch bis in die Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts hinein neue Fälle von Kuru auf. An diesem Beispiel zeigt sich, wie lang die Inkubationszeit einer TSE sein kann.

Schon früh wurde von dem Veterinärmediziner William J. Hadlow Ähnlichkeiten zwischen Scrapie und Kuru entdeckt. Prusiner formulierte dann 1982 seine Theorie von "infektiösen proteinartigen Partikeln aus Proteinase-resistenten Proteinen" (PrP), kurz Prionen (proteineous infectious particle), als Erreger von Scrapie. Auch die Entstehung der BSE-Epidemie konnte nun weitgehend aufgeklärt werden. Ähnlich wie bei Kuru, gab es wohl eine spontane Umfaltung des Prionproteins, und damit kam es zu einer spongioformen Enzephalopathie, an der das kranke Rind verstarb. Durch die damals in England unzureichenden Sterilisationsverfahren (nur ½h bei 80 °C statt 1h bei 136 °C und Überdruck in Kontinentaleuropa) bei der Verarbeitung von Kadavern zu Tiermehl blieben die Prionen erhalten und wurden im Tiermehl anderen Rindern gefüttert. Die Grundlage für die Epidemie war gelegt.

CJD und vCJD

Das in Nervenzellen physiologisch vorkommende Prionprotein (PrPc) liegt überwiegend in der a-Helixstruktur vor. Trifft nun das physiologische PrPc mit dem in b-Faltblattstruktur vorliegenden krankmachenden Prionprotein (PrPsc) zusammen, so wird die α-Helixstruktur in die stabile β-Faltblattstruktur umgewandelt. Das PrPsc ist gegen Abbau durch Proteinasen stabil und aggregiert zu den Amyloidplaques.

Auch im Zeitalter der bovinen spongioformen Enzephalopathie (BSE) ist die spontan auftretende Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung mit einer Häufigkeit von ein bis zwei Fällen auf eine Million Menschen pro Jahr nach wie vor sehr selten. Im Vereinigten Königreich als Ursprungsland von BSE gab es mittlerweile ca. 180000 registrierte erkrankte Rinder, die Dunkelziffer liegt wesentlich höher (ca. 1 Million infizierte Rinder). Hier wird seit 1995 eine neue Variante der CJD (vCJD) beobachtet. Diese lässt sich klinisch und neuropathologisch eindeutig von der spontan auftretenden, seit 1920 bekannten Variante abgrenzen. An der klassischen CJD Erkrankte sind in der Regel zwischen 50 und 70 Jahre alt und zeigen als erste Symptome Demenz und ein charakteristisches Muster im EEG. Nach Auftreten der ersten Symptome folgt innerhalb kürzester Zeit (3 bis 7 Monate) der Tod.

Die vCJD zeigt hingegen einen schleichenden Beginn über etwa ein Jahr. Auch waren bisher alle von der vCJD Betroffenen zwischen 18 und 40 Jahre alt und zeigten völlig andere Symptome (Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen, Ataxie). Im Gehirnschnitt zeigen die auf Affen übertragene vCJD und die ebenfalls auf Primaten übertragene BSE starke Ähnlichkeiten. So gilt heute als wissenschaftlich gesichert, dass BSE zum Auftreten der vCJD beim Menschen geführt hat.

Genetische Prädisposition für vCJD

Die Disposition für die klassische CJD wird hingegen vererbt. Autosomal dominant werden hier Punktmutationen weitergegeben, die die Wahrscheinlichkeit einer Umfaltung des Prionproteins erhöhen. Aber auch einige Fälle einer iatrogenen Übertragung aufgrund von Dura-mater-Implantaten oder auch durch Hirnstromelektroden und Ähnliches sind aufgetreten. Hier besteht noch großer Diskussionsbedarf, da viele der heutigen Sterilisationsverfahren in Bezug auf die Übertragung von vCJD anscheinend unzureichend sind.

Ein Polymorphismus auf Codon 129 der Erbinformation für das Prionprotein entscheidet mit über die Möglichkeit, an der vCJD zu erkranken. Alle bisher Erkrankten zeigten hier homozygot, also auf beiden Chromosomen, den Code für Methionin. Befindet sich hier stattdessen an einem oder beiden Chromosomen der Code für Valin, so scheint eine (gewisse) Resistenz gegen vCJD vorzuliegen. Eine Umwandlung zur krankmachenden stabilen β-Faltblattstruktur des Prionproteins ist dann nicht möglich.

Für ca. 58% der Bevölkerung, bei denen hier nicht homozygot der Code für Methionin vorliegt, ist dies eine gute Nachricht. Eine Erkrankung mit vCJD ist für sie unwahrscheinlich. Aber auch für genetisch prädisponierte Personen ist eine Erkrankung durch von Rindern übertragene BSE bei den heutigen Sicherheitsvorkehrungen unwahrscheinlicher denn je. Professor Feiden schloss deshalb mit den Worten: "Das Steak war noch nie so sicher wie heute!"

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