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Prionenerkrankung: Pandemie beim Menschen?

BERLIN (sw): In Großbritannien sind über 100 Creutzfeldt-Jakob-Fälle beim Menschen bekannt, in Deutschland erwarten Experten in diesem Jahr den ersten Fall. Auf dem 7. Psychiatrie-Kongress für biologische Psychiatrie wurde erstmals über Transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) diskutiert. Die klinischen Symptome zeigen sich erst, wenn der Erreger das ZNS erreicht hat und sie häufig psychiatrischer Natur sind.

Die molekularen und physiologischen Prozesse der Transmissiblen spongiformen Enzephalopathien, zu denen BSE, Scrapie und die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) gehören, wurden in den letzten Jahren zunehmend besser aufgeklärt. Die Prionenhypothese wird von den meisten Experten anerkannt. Danach produziert jeder Organismus das Prion-Protein (PrP), das auf der Zellmembran verankert ist, die größte Zahl auf den Neuronen. Auf dem Chromosom 20 befindet sich das entsprechende Gen. Direkter Kontakt mit infektiösem Agens führt zur Umwandlung des PrP in die pathologische Form (PrP-res), das Proteinase-K-resistente Prion-Protein; d. h., Proteinase K verdaut nur das normale Prion-Protein, das krank machende bleibt übrig. Diese Prionen enthalten anstatt einer alpha-Helix ein beta-Faltblatt. Mit der Menge des gebildeten PrP-res nimmt das Tempo ihrer Vermehrung zu.

Erreichen die krankhaften Proteine das Gehirn, zerstören sie nicht nur die kognitiv relevanten Areale, sondern auch die graue Substanz, vor allem im Hirnstamm. Die längste Zeit - beim Menschen bis zu 30 Jahren - dauert der Transport zum Gehirn, danach geht die Zerstörung sehr schnell. Unklar ist noch, wie der Übergang erfolgt - möglicherweise mittels Diffusion vom lymphoretikulären System des Darms durch sympathische Nervenfasern.

Für die neue Variante der CJD (vCJD) ist die Latenzzeit offenbar kürzer, da viele junge Menschen daran erkranken. Bei ihnen treten vermehrt Depressionen und Ängste, danach Ataxien und Dysästhesien auf. Weder die unterschiedliche Altersverteilung noch die unterschiedliche Krankheitsdauer lassen sich bisher befriedigend erklären (Eintrittspforte, Dosis, Darmwandbarriere, Geschwindigkeit der Ausbreitung, genetische Disposition des Empfängers).

Prionenerkrankungen treten in unregelmäßiger Verteilung und sporadisch in vielen Ländern auf (daher Pandemie), eine Ansteckung von Mensch zu Mensch findet im allgemeinen nicht statt. Weltweit wird jährlich ein Fall pro 1 Million Einwohner beobachtet, 90 % davon treten sporadisch auf, der Rest ist genetisch bedingt oder durch Infektion erworben. Eine Therapie gibt es nicht und wird es wohl nicht geben. Prionen sind sehr widerstandsfähig und biologisch schwer abbaubar. Mit einem Bluttest rechnen Experten in ein bis fünf Jahren.

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