Infektiologie

Bekämpfung der BSE – eine Zwischenbilanz

In England sind inzwischen drei Patienten an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) verstorben, die nachweislich durch kontaminierte Bluttransfusionen infiziert worden sind. Weitere Fälle werden befürchtet.

Der Rinderwahnsinn (Bovine spongiforme Enzephalopathie, kurz BSE) gehört wie die Traberkrankheit (Scrapie) der Schafe zu den übertragbaren (transmissiblen) spongiformen Enzephalopathien (TSE), das sind stets tödlich verlaufende neurodegenerative Erkrankungen. Das massenhafte Auftreten der BSE in Großbritannien während der 1990er Jahre löste eine starke Verunsicherung der Verbraucher auch in anderen europäischen Ländern aus. Besonders gravierend erschien die Meldung, dass der Erreger der BSE auch beim Menschen Krankheitserscheinungen auslösen kann: Eine spontan auftretende, nicht erbliche Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) wird mit dem Verzehr von BSE-verseuchtem Fleisch in Zusammenhang gebracht. Ebenfalls beunruhigend wirkte die Erkenntnis, dass die Übertragung spongiformer Enzephalopathien nicht in allen Fällen auf den Verzehr von verseuchtem Fleisch zurückgeführt werden kann. So breitet sich seit mehr als 25 Jahren bei wild lebenden nordamerikanischen Hirschen und Elchen eine TSE aus, die sogenannte Chronic wasting disease. Da Hirsche reine Pflanzenfresser sind, stellt sich die Frage, ob der Krankheitserreger durch Speichel, Fäkalien, Urin oder die Muttermilch verbreitet wird. Wie lange in die Umgebung ausgeschiedene Krankheitserreger infektiös bleiben, ist nicht bekannt.

Ungeachtet aller ungelösten Fragen zeigt die epidemiologische Entwicklung die Wirksamkeit der gegen BSE eingeleiteten Maßnahmen. In Großbritannien ging die Zahl der an BSE erkrankten Rinder von mehr als 35.000 Fällen im Jahr 1992 mit stetig fallender Tendenz auf knapp 225 im Jahr 2005 zurück. In Deutschland, wo die ersten BSE-Fälle im Jahr 2000 gemeldet wurden, gelang es durch Reglementierung des Imports, flächendeckendes Screening und Kohortenschlachtungen eine Massenverbreitung des Erregers zu verhindern (Tabelle). Bereits im zweiten Jahr nach dem Übergreifen der BSE-Epidemie auf Deutschland war mit 125 gemeldeten Tieren das Maximum erreicht und der Rückgang der nachgewiesenen Erkrankungen auf hochgerechnet 16 bis 17 Fälle im laufenden Jahr lässt sich nicht durch den leichten Rückgang der Zahl der untersuchten Tiere erklären.

Verhängnisvolles Prionprotein

Für eine wirksame Bekämpfung der BSE-Epidemie ist die Kenntnis des auslösenden Agens und der Übertragungswege unerlässlich. Allen TSE gemeinsam ist die Ablagerung von Aggregaten des Prionproteins im Gehirn, die den neurodegenerativen Prozess auslöst. Eine zelluläre Form des Prionproteins (Prc) ist physiologischer Bestandteil des Gehirns von Säugern und scheint an der synaptischen Erregung, an zirkadianen Aktivitäten und an Gedächtnisleistungen beteiligt zu sein. Die pathologische Variante des Prionproteins (Prsc oder Prres) ist ein Konformationsisomer, also eine fehlgefaltete Form des Prc, dessen veränderte Raumstruktur die Neigung zur Aggregation bedingt. Im Reagenzglasversuch kann isoliertes pathologisches Prionprotein dem zellulären Prionprotein seine Konformation aufzwingen und sich so gewissermaßen selbsttätig vermehren. Diese Beobachtung war Ausgangspunkt für die Formulierung der "Protein-only-Hypothese", nach der das pathologische Prionprotein den alleinigen Überträger und Auslöser der TSE darstellt. Wegen seiner extremen Hitzestabilität und seiner Resistenz gegen proteolytische Enzyme avancierte das pathologische Prionprotein daraufhin zum gefürchteten Krankheitserreger.

Proteine oder Virionen als Überträger?

Zwar wurde Stanley Prusiner für die Protein-only-Hypothese 1997 mit dem Nobelpreis gewürdigt, doch ist bis heute in der Fachwelt umstritten, inwieweit ein Protein allein, ohne begleitende Erbinformation, als Krankheitserreger fungieren kann. Der experimentelle Beweis der Protein-only-Hypothese, die Auslösung von Krankheitserscheinungen im Tierversuch durch synthetisch hergestelltes pathologisches Prionprotein steht nach wie vor aus. Außerdem ist die Umwandlung von gereinigtem zellulärem Prionprotein zur pathologischen Form unter den experimentellen Bedingungen wenig effizient, sie erfordert einen molaren Überschuss des pathologischen Prionproteins. Auch die Existenz verschiedener Stämme des pathologischen Prionproteins lässt sich zwar durch den Nachweis unterschiedlicher Proteinkonformationen erklären, doch stellt sich die Frage, wodurch diese Konformationen bei den einzelnen Stämmen determiniert sind. Kritiker der Protein only-Hypothese fordern mittlerweile die Beteiligung zellulärer Kofaktoren wie messenger-RNA oder anderer negativ geladener Polymere, die im Experiment die Umwandlung des zellulären Prionproteins in das pathologische fördern können. Andere Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die bislang verwendeten Prionpräparationen mit Nucleinsäuren verunreinigt seien. Demnach kommen Virionen mit langer Inkubationszeit als Krankheitsüberträger in Frage. Auch aus der Reaktionsweise der Immunabwehr nach experimenteller TSE-Infektion lassen sich Argumente für die Beteiligung eines Virions ableiten. Die Virionen-Hypothese liefert außerdem eine plausible Erklärung, warum spontane TSEInfektionen relativ selten auftreten: Kommensalische, nicht- oder schwach pathogene Stämme könnten die Immunabwehr stimulieren und dadurch präventiv gegen Superinfektion mit aggressiven pathogenen Stämmen wirken. Doch auch für die Virionenhypothese steht der direkte schlüssige Beweis, die Isolierung und Charakterisierung des postulierten Virus, noch aus.

Perspektiven für Diagnostik und Prävention

Der Streit der Experten über die Natur des infektiösen Agens ist mehr als eine Prestigefrage: Viren bzw. pathogenspezifische Nucleinsäuren lassen sich mit modernen molekularbiologischen Methoden hochspezifisch, wesentlich empfindlicher und preiswerter nachweisen als Strukturvarianten von Proteinen. Gelänge es, die Beteiligung einer Nucleinsäure an der Pathogenese der TSE zu beweisen, würde das einen bedeutenden Fortschritt für die Diagnostik und Prävention bedeuten. Ungeachtet der positiven Einschätzung des epidemiologischen Verlaufs werden nach wie vor enorme Anstrengungen unternommen, um die Diagnostikverfahren zu verbessern und Impfstoffe zu entwickeln, denn die Inkubationszeit bis zum Auftreten der ersten Krankheitszeichen wird bei der vCJK auf bis zu 40 Jahre geschätzt. In Großbritannien, wo insgesamt etwa 160 akute Fälle der vCJK gemeldet sind, ist demnach mit einer beträchtlichen Zahl von bislang symptomfreien Infizierten zu rechnen, die als Überträger – beispielsweise durch Blutspenden – fungieren können. Auch die natürlichen Übertragungswege zu erforschen ist weiterhin eine große Herausforderung.

Dr. Annette Hille-Rehfeld, Darmstädter Str. 70, 70376 Stuttgart

Quelle:

Abid, K.; Soto, C.: The intriguing prion disorders. Cell. Mol. Life Sci. 63, 2342-2351 (2006).

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (www.bmlv.de)

Ironside, J.W.: Variant Creutzfeldt-Jakob disease: risk of transmission by blood transfusion and blood therapies. Haemophilia 12 S1, 8-15 (2006).

Manuelidis, L.: A 25 nm Virion Is the Likely Cause of Transmissible Spongiform Encephalitis. J. Cell Biochem. Epub 16. Okt. (2006).

Mathiason, C.K.; et al.: Infectious prions in the saliva and blood of deer with chronic wasting disease. Science 314, 133-136 (2006).

Tanaka, M.; Collins, S.R.: Toyama, B.H.; Weissmann, J.S.: The physical basis of how prion conformations determine strain phenotypes. Nature 442, 585-589 (2006).

Vana, K.; Weiss, S.: BSE - die gebannte Gefahr? BIOforum 01/2006, 35-37.

World Organization for animal Health (www.oie.int/eng/info/en_esbru.htm)
Beunruhigende vCJK-Übertragung

Die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wird ätiopathogenetisch mit der bovinen spongiformen Enzephalopathie in Zusammenhang gebracht. Das Erkrankungsalter von vCJK-Patienten liegt deutlich unter dem der Patienten, die an der sporadischen Form erkranken. Sie sind im Durchschnitt 30 Jahre alt. Die Erkrankungsdauer ist länger (Median 14 Monate).

vCJK in Großbritannien am häufigsten

Die weltweit überwiegende Mehrzahl der vCJK-Fälle beim Menschen trat bisher in Großbritannien (164 Erkrankungsfälle, darunter 157 Tote, Stand 17. Oktober 2006) und Frankreich (21 Erkrankungen, darunter 19 Tote, Stand 17. Oktober 2006) auf, jedoch wurden in letzter Zeit auch vereinzelte Fälle aus anderen europäischen Ländern sowie Kanada, den USA, Japan und Saudi-Arabien gemeldet. In Deutschland ist bisher noch kein Fall einer vCJK beim Menschen bekannt geworden.

Im Gegensatz zur sporadischen Form kann bei der neuen Variante das für die CJK verantwortlich gemachte Prionprotein auch im peripheren Gewebe, so in Tonsillen, Appendix und Lymphknoten nachgewiesen werden.

Blutspenden im Verdacht

Eine Übertragung durch Blut und Blutprodukte wurde immer für wahrscheinlich gehalten und jetzt durch neue Berichte aus Großbritannien untermauert. Schon seit längerem werden dort vom Transfusion Medicine Epidemiology Review (TMER), einem Projekt des UK Blood Service und der National CJK Surveillance Unit, die Daten von Briten erfasst, die nachweislich Blutspenden von später an vCJK verstorbenen Patienten erhalten haben. Zurzeit verfügt das TMER über eine Liste von 66 Blutempfängern, von denen zwei schon 2004 und ein dritter Patient vor Kurzem an den Folgen von vCJK verstorben sind. Die beiden 2004 verstorbenen Patienten waren 6,5 bzw. 7,8 Jahre nach Gabe der kontaminierten Bluttransfusion erkrankt. Bei dem zuletzt verstorbenen Patienten lagen nur 20 Monate zwischen der Blutübertragung und dem vCJK-Ausbruch. Die Diagnose war in diesem Fall erstmals schon vor dem Tod gestellt worden. Damit bestand die Möglichkeit, im Rahmen der PRION-1-Studie einen Behandlungsversuch mit dem Malariamittel Quinacrin zu unternehmen, der jedoch scheiterte.

Erschreckend kurze Inkubationszeit

Beunruhigend ist vor allem die kurze Inkubationszeit. Bislang wurde angenommen, dass zwischen Übertragung und Ausbruch der vCJK mehrere Jahre liegen würden. Doch scheint das nicht zwingend für den parenteralen Übertragungsweg zu gelten. Es muss davon ausgegangen werden, dass die für die vCJK verantwortlich gemachten Prionen wesentlich leichter parenteral als enteral zu übertragen sind. Um das Übertragungsrisiko durch kontaminiertes Blut zu minimieren, werden daher in England keine Blutspenden mehr von Personen angenommen, die selber schon Bluttransfusionen erhalten haben.

Quelle:

Hewitt, P.E. et al.: Creutzfeldt-Jakob disease and blood transfusion: results of the UK Transfusion Medicine Epidemiological Review study. Vox Sanguinis 91(3), 221 (2006)

Deutsche Gesellschaft für Neurologie – Leitlinie Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. www.dgn.org/44.0.html

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Situationsbericht 2005. Epidemiol. Bull. Nr. 42, 20. Oktober 2006.

www.aerzteblatt.de

8. Dezember 2006

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Die sporadische Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit tritt mit einer Inzidenz von etwa 1 Fall pro Jahr pro Million Einwohner auf. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Es handelt sich um eine rasch fortschreitende Erkrankung mit einer medianen Überlebenszeit von etwa 6 Monaten. Die Erkrankung kommt weltweit in ähnlicher Häufigkeit vor, auslösende Faktoren sind nicht bekannt.
In der Prion-1-Studie wird der Frage nachgegangen, ob durch das Malariamittel Quinacrin der Verlauf einer Prionen-Erkrankung günstig beeinflusst werden kann. Mit Quinacrin und Chlorpromazin konnten in kultivierten Zellen die verhängnisvollen Prionaggregate erfolgreich zerstört werden. Hoffnungen, auf diese einfache Weise nicht nur die bei der CJK auftretenden Prionenverklumpungen aufzulösen, sondern auch der Alzheimer-Erkrankung ihren Schrecken zu nehmen, wurden bislang enttäuscht.
Foto: Imago
Risiko Bluttransfusionen Blutkonserven von zunächst symptomfreien, CJK-Erreger tragenden Spendern gefährden die Empfänger.

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