Arzneimittel und Therapie

Stuhlinkontinenz und Kotstau: Vernachlässigte Probleme bei geriatrischen Pati

Über Stuhlinkontinenz spricht man nicht gerne in unserer Gesellschaft. Auch in der Medizin wird diese geriatrische Erkrankung wenig beachtet. Die Stuhlinkontinenz kann die Folge einer chronischen Obstipation mit Stuhlverhärtung und Kotstau (Koprostase) sein. In diesem Fall besteht die Gefahr eines lebensbedrohlichen Darmverschlusses (Ileus). Die Therapie der Koprostase reicht von der Ernährungsumstellung über ein Verhaltenstraining bis hin zur medikamentösen Therapie mit Macrogolen.

Stuhlinkontinenz, also die Unfähigkeit, den Enddarm zu kontrollieren, und chronische Verstopfung scheinen auf den ersten Blick Gegensätze zu sein. Dennoch besteht ein Zusammenhang, und zwar über den Kotstau, die Koprostase. Die Koprostase ist zum einen eine schwere Komplikation der chronischen Obstipation. Durch den Kotstau entstehen bevorzugt im Rektum Kotsteine, die eine regelmäßige Entleerung verhindern.

Zum anderen ist die Koprostase paradoxerweise die vierthäufigste Ursache der Stuhlinkontinenz. Durch den Kotstau wird die Schleimhaut des Dickdarms (Kolonmukosa) zur erhöhten Sekretion angeregt. Die Flüssigkeitsmenge kann aber die im Rektum befindlichen Kotsteine nicht auflösen. Das mit Stuhl versetzte Sekret wird durch die Darmbewegungen an den Kotsteinen vorbeigeleitet. Die Folge sind paradoxe Diarrhö und Stuhlinkontinenz. Für den Patienten stellt dies einen gefährlicher Zustand dar, denn trotz flüssigen Stuhlgangs besteht die Gefahr eines Darmverschlusses.

Beeinträchtigung der Lebensqualität

Die Stuhlinkontinenz ist eine häufige Erkrankung, die Prävalenz liegt in Deutschland bei 5,3 Prozent. Frauen sind aus anatomischen Gegebenheiten und infolge der Schädigung des Schließmuskels beim Geburtsvorgang häufiger betroffen als Männer. In Pflegeeinrichtungen leiden etwa 46 Prozent der Bewohner an Stuhlinkontinenz. Die Stuhlinkontinenz bedeutet für den alten Patienten eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität und hat einen hohen Krankheitswert. Koprostase und Stuhlinkontinenz verursachen nicht nur Schmerzen, sondern haben auch psychosoziale Konsequenzen. Der inkontinente Patient meidet aus Scham den Umgang mit Menschen. Das fördert die Isolation des Betroffenen und trägt zu seinem geistigen Abbau bei.

Ursachen der Stuhlinkontinenz

  • Schädigung des Defäkationsapparates (Schließmuskel und/oder Analhaut) zum Beispiel nach Geburt, Anal- und Rektumprolaps oder nach proktologischen Operationen zur Behandlung eines analen Abszesses oder einer Fistel
  • Durchfallerkrankungen (Überforderung der Kontinenzleistung)
  • Darmmotilitätsstörungen und Obstipation/Koprostase
  • Zentrale Nervenschädigungen (infolge von Apoplex, Multipler Sklerose, Demenz) oder periphere Nervenschädigungen (z.B. nach Geburten)
  • Beckenbodeninsuffizienz im Rahmen des Alterungsprozesses (bei Frauen rigideres Gewebe nach der Postmenopause)

Unterschiedliche Formen und Schweregrade

Die Stuhlinkontinenz tritt in verschiedenen Formen auf:

  • Inkontinenz durch Störungen der Reservoirfunktion der Rektumampulle
  • sensorische Inkontinenz
  • muskuläre Inkontinenz
  • neurogene Inkontinenz
  • Inkontinenz durch rektale Koprostase (paradoxe Diarrhö)

Im Gegensatz zur Obstipation, bei der sich nur eine akute und eine chronische Form unterscheiden lassen, tritt die Stuhlinkontinenz in verschiedenen Formen und Schweregraden auf. Das Spektrum reicht von einem unkontrollierten Abgang von Luft über Stuhlschmieren bis hin zum kompletten Kontrollverlust, bei dem der Patient nicht merkt, dass er in die Hose macht.

Diagnostik - Karzinom ausschließen

Liegt eine Stuhlinkontinenz mit Koprostase und wässrigen Durchfällen vor, so muss der Patient mindestens einmal rektal untersucht werden. Dadurch lässt sich ein kolorektales Karzinom ausschließen, das ähnliche Symptome wie eine Koprostase zeigen kann (Obstipation, Stenose). 98 Prozent der Koprostasen liegen im Rektum vor. Ergibt die kolorektale Untersuchung einen negativen Befund, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Patient an Koprostase leidet. Eine Basisdiagnostik sollte bei jedem älteren Menschen mit Stuhlinkontinenz durchgeführt werden. Damit kann die Mehrzahl der Inkontinenzprobleme bereits in der Hausarztpraxis erkannt und behandelt werden. Die exakte differenzialdiagnostische Abklärung ist jedoch beim multimorbiden geriatrischen Patienten unter Umständen sehr schwierig.

Breites Therapiespektrum bei Stuhlinkontinenz

Nur bei wenigen Patienten mit Stuhlinkontinenz ist eine operative Therapie angezeigt. Der Großteil der Patienten kann konservativ behandelt werden. Die konservative Therapie der analen Inkontinenz umfasst Ernährungsberatung, Verhaltensschulung (Toilettentraining), symptomatische medikamentöse Therapie (Loperamid), Entleerung der Rektumampulle (Irrigatoren) und Trainingsmethoden wie Beckenbodengymnastik und Biofeedback-Training.

Macrogole bei Koprostase

Für die medikamentöse Therapie der Koprostase ist in Deutschland nur das Laxans Macrogol 3350 plus Elektrolyte (Movicol) zugelassen, dessen Wirksamkeit in klinischen Studien gezeigt wurde. Macrogol 3350, ein Polyethylenglykol, wird wegen seiner Wasserbindungskapazität und osmotischen Aktivität eingesetzt. Der Wirkstoff ist inert, die Resorption zu vernachlässigen. Mithilfe von Macrogol 3350 wird eine definierte, oral zugeführte Wassermenge ins Kolon transportiert. Dadurch löst sich der verfestigte Kot auf. Der Koprostase-Patient kann zusätzlich lokale Entleerungshilfen wie Klysmen oder Einläufe, CO2-bildende Suppositorien oder glycerinhaltige Zäpfchen erhalten. Ist eine Soforttherapie erforderlich, muss der Enddarm vom Arzt mit den Fingern ausgeräumt werden. Liegt eine lebensbedrohliche Situation vor, zum Beispiel ein Darmverschluss, ist ein chirurgischer Noteingriff erforderlich. Zur Vermeidung von Koprostaserezidiven ist die regelmäßige Obstipationsbehandlung, zum Beispiel mit Macrogolen, von großer Bedeutung. Dadurch findet eine regelmäßige Stuhlentleerung auch ohne Stuhldrang statt.

Quelle: Prof. Dr. Ingo Füsgen, Wuppertal, Prof. Dr. Roland Wanitschke, Mainz, Dr. Franz Raulf, Münster, Dr. Hans-Jürgen Gruss, Marburg, Fachpressegespräch "Koprostase und Stuhlinkontinenz", München, 31. Januar 2001, veranstaltet von der Norgine GmbH, Marburg.

Über Stuhlinkontinenz spricht man nicht gerne in unserer Gesellschaft. Auch in der Medizin wird diese geriatrische Erkrankung wenig beachtet. Die Stuhlinkontinenz kann die Folge einer chronischen Obstipation mit Stuhlverhärtung und Kotstau (Koprostase) sein. In diesem Fall besteht die Gefahr eines lebensbedrohlichen Darmverschlusses (Ileus). Die Therapie der Koprostase reicht von der Ernährungsumstellung über ein Verhaltenstraining bis hin zur medikamentösen Therapie mit Macrogolen.

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